Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Wie Frankreich Atommüll in den Meeren aufspüren will.

Frankreich

Frankreich will zehntausende Atommüll-Fässer im Meer aufspüren

    • |
    • |
    • |
    Französische Forscherinnen und Forscher beginnen die Suche nach Atommüll-Fässern im Atlantischen Ozean.
    Französische Forscherinnen und Forscher beginnen die Suche nach Atommüll-Fässern im Atlantischen Ozean. Foto: -/Flotte Océanographique Française - Campagne UlyXDemo/dpa

    Was ist klein, gelb und geht auf und ab? Jedes Kind in Frankreich kennt den Scherz, der oft auf Bonbonpapieren geschrieben steht. Diesmal lautet die Antwort nicht „ein Küken in einem Aufzug“, doch sie ist fast genauso überraschend: ein Tauchroboter namens „UlyX“ im tiefen Ozean. Gebraucht wird er für eine spezielle Mission, die das französische nationale Zentrum für wissenschaftliche Forschung CNRS am 15. Juni gestartet hat. Das Ziel besteht darin, mehr als 200.000 nach dem Zweiten Weltkrieg versenkte Atommüll-Fässer im nordöstlichen Atlantik aufzuspüren, um die Auswirkungen der radioaktiven Substanzen auf die Umwelt zu bewerten.

    Für die Mission wurde eigens ein Roboter gebaut

    Das Projekt leiten der Ingenieur Patrick Chardon und der Meeresgeologe Javier Escartin. Beide werden bis 11. Juli von einem auf Atomaufsicht spezialisierten Team auf einem Boot begleitet. Die Mission dient außerdem dazu, den von dem französischen Meeresforschungsinstitut entwickelten Roboter zu testen, auch mit Blick auf zukünftige Missionen. Das sei ein „grundlegendes Anliegen“ für die Meereswissenschaft, sagt Escartin im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Das Forschungs-Institut CNRS untersucht ein 6000 Quadratmeter großes Gebiet in der Nähe des Golfs von Biskaya in internationalen Gewässern. Die genauen Positionen, an denen die Fässer mit radioaktivem Müll liegen, sind nicht bekannt. 1984 hatte es eine andere Mission geschafft, sechs Fässer aufzuspüren und Lecks festgestellt – jedoch ohne nachweisbare radioaktive Risiken für Menschen.

    Fässer mit einem Zeichen für Radioaktivität
    Fässer mit einem Zeichen für Radioaktivität Foto: Sebastian Kahnert/dpa

    Chardon und Escartin halten diese frühere Mission allerdings für unzureichend. „Damals dachte man, dass Unterwasser-Ökosysteme quasi leblos wären“, sagt Chardon. Bis Mitte der 2000er Jahre habe man den Schutz der Umwelt vor Atomrisiken als unwichtig im Vergleich zu den radioaktiven Gefahren für Menschen betrachtet. Trotzdem gehe es heute nicht darum, über das frühere Vorgehen zu richten, denn die Versenkung des Atommülls im Ozean sei eben als „technisch mögliche, vernünftige und kostengünstige“ Entsorgungslösung angesehen worden, meint zumindest Chardon.

    Die Praktik, die mehrere europäische Staaten jahrzehntelang betrieben haben, wurde 1993 im Zuge des Londoner Abkommens, eines internationalen Gipfels über die Bekämpfung der Meeresverschmutzung, verboten. In der Nachkriegszeit seien die Fässer „so dimensioniert worden, dass sie dem Wasserdruck standhalten konnten“, betont der Ingenieur Chardon. Allerdings ist das Verfallsdatum der am frühesten versenkten Fässer seit über 50 Jahren überschritten.

    Atommüll-Fässer stecken in etwa 5000 Meter Tiefe

    Obwohl die Fässer etwa 5000 Meter in der Tiefe stecken, sei der Roboter UlyX „in der Lage, diese Herausforderung zu meistern“, erklärt Jan Opderbecke, der das Gerät entwickelt hat: „Er kann bis zu 6000 Meter tief tauchen.“ Spezialisiert auf das Überfliegen des Meeresbodens, könne der Roboter dank eines Sonar-Systems zur Ortung von Gegenständen 500 Quadratmeter gleichzeitig durchsuchen. Wenn es Fässer entdeckt, könne es sich diesen auf wenige Meter annähern und mit einem Blitz-Fotoapparat präzise 3-D-Bilder mit hoher Auflösung machen. Dank der Aufnahmen können die Experten den Zustand der Fässer einordnen und ihre Position vermerken.

    Die Wissenschaftler auf hoher See müssen vorsichtig sein, denn „wir wissen nicht, ob es ein Sicherheitsrisiko gibt“, räumt Chardon ein. Deswegen gilt es, Sicherheitsmaßnahmen zu beachten: Die Probenentnahmen sollen von einem spezialisierten Team mit entsprechenden Geräten analysiert werden. Diese Experten halten dabei stets einen gewissen Abstand ein. Bei der Expedition geht es in erster Linie darum, möglichst genaue Daten zu sammeln, um bestehende Gefahren festzustellen. In der Zukunft soll eine weitere Mission starten, um einige der Fässer genauer zu untersuchen.

    Der Atommüll lässt sich nicht bergen

    Aus dem Ozean bergen lasse sich der Atommüll ohnehin nicht mehr, versichert Chardon, Eine solche Aktion wäre unheimlich teuer und zeitlich nicht zu schaffen. Die Kosten der aktuellen Mission, die von der französischen Flotte für Meereskunde übernommen werden, betragen mindestens 50.000 Euro pro Tag,

    Wenn sich die Ergebnisse als beunruhigend herausstellen, werden sie den zuständigen Behörden mitgeteilt, die im jeweiligen Gebiet mit den gefährlichen Fässern die Zufahrt verbieten können. Die Rolle der Forscher, so betonen sie, besteht nicht darin, selbst eine Lösung zu finden, sondern es geht darum, über die aktuelle Situation zu informieren. Daher halten sie es für wesentlich, transparent gegenüber der Öffentlichkeit zu sein. „Nuklearenergie ist generell ein heikles Thema“, betont Escartin. Das lasse sich auch daran erkennen, dass wenige der bisherigen Aktionen im Ozean, an denen er beteiligt war, ein derartiges mediales Interesse geweckt haben. „Wir wollen deutlich machen, dass diese Mission rein wissenschaftlich bleiben wird und vertreten keine politischen Haltungen“, sagt der Meeres-Geologe.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden