
12.000 Gastronomiebetriebe fürchten das Aus

Deutschlands Wirtinnen und Hoteliers bangen um ihre Zukunft. Eine höhere Mehrwertsteuer auf Speisen könnte die Misere weiter verstärken.

Trotz staatlicher Hilfen haben rund 36.000 Gastronomiebetriebe die Corona-Krise nicht überstanden. Und während die allermeisten verbliebenen Gaststätten und Hotels noch bislang nicht das Umsatzniveau von vor der Pandemie erreichen, droht bereits neues Ungemach. 12.000 Unternehmen, so warnt der Branchenverband Dehoga, müssten für immer schließen, wenn die Mehrwertsteuer auf Speisen wieder erhöht werde. Als Teil eines staatlichen Unterstützungspakets war der Satz von den üblichen 19 Prozent auf sieben Prozent reduziert worden. Im kommenden Jahr soll die Maßnahme auslaufen.
Dehoga-Präsident Guido Zöllick sagte am Dienstag in Berlin: "Eine solche Steuererhöhung müsste in vollem Umfang an die Gäste weitergegeben werden, denn die Gastronomen haben keinerlei Spielräume mehr." Es drohe ein "Preisschock", der unweigerlich zu weniger Gästen, Umsatzverlusten und weiteren Betriebsschließungen führen würde.

Dramatische Lage in der Gastro-Branche
Gerade im ländlichen Raum sei die Gastronomie-Dichte ohnehin schon spürbar gesunken, was einen Verlust an Lebensqualität und touristischer Attraktivität bedeute. Angesichts der dramatischen Lage in der Branche sei es völlig unverständlich, ausgerechnet jetzt zu einer steuerpolitischen Ungerechtigkeit zurückzukehren, die seit Jahrzehnten bestehe. Denn für Fertiggerichte aus Supermärkten oder Speisen von Lieferdiensten gelte seit jeher der ermäßigte Mehrwertsteuersatz. Zöllick: "Warum soll unsere Branche wieder steuerlich benachteiligt werden? Wir wollen, dass Essen einheitlich mit sieben Prozent besteuert wird, egal wie und wo es zubereitetet und wo es verzehrt wird."
Zöllick berichtet von "Existenzängsten in der Branche, die unvermindert hoch sind“. 45,5 Prozent der für ein Stimmungsbild befragten Unternehmen erwarten demnach, "dass die Geschäfte in den kommenden drei Monaten schlechter laufen als bisher“. Denn der Druck wachse von allen Seiten. Die Ausgaben seien massiv gestiegen, angefangen bei den Preisen für Lebensmittel, Getränke und Energie, die infolge des Ukraine-Kriegs "explodiert" seien, über höhere Kosten für Personal, so es denn überhaupt noch zu finden sei. Gut 90 Prozent der Betriebe müssten ihre Preise erhöhen, um noch wirtschaftlich zu arbeiten – eigentlich. Weil die allgemeine Teuerung aber auch die Gäste betrifft, hielten diese sich merklich zurück. Bei knappen Haushaltskassen werde an den Restaurantbesuchen mit zuerst gespart. Weitere Erhöhungen würden also kaum akzeptiert, Nachfrage und Umsatz voraussichtlich sinken.
Gäste geben weniger aus – oder bleiben ganz weg
Schrumpfende Gästezahlen bei wachsenden Kosten – das sei der schwer verträgliche Cocktail, der der ganzen Branche schlecht bekomme, so Zöllick. Im Kampf ums nackte Überleben seien die Gastronomen dann gezwungen, auf Investitionen zu verzichten, Öffnungszeiten weiter zu reduzieren oder Arbeitsplätze abzubauen. Speisekarten könnten kürzer werden und weniger regionale oder ökologisch erzeugte Speisen enthalten. Auch Landwirte und Winzer wären betroffen, ebenso die gesamte Tourismusbranche. In gastronomisch verödete Städte und Regionen wolle niemand reisen, warnt Zöllick.
Nicht einmal das Wetter spielt mit
Und dann ist da auch noch das Wetter, das den Wirtinnen und Restaurantbetreibern Sorgen macht. Wechselhaften Temperaturen trugen dazu bei, dass Biergärten und Straßencafés oft leer blieben. Laut der Umfrage haben mehr als die Hälfte der Betriebe ein schlechteres Sommergeschäft gemacht als 2019, dem Jahr vor Corona. Bei gut 40 Prozent blieben die Umsätze sogar hinter dem Vorjahr 2022 zurück. Für den Dehoga-Chef ist klar, dass die Rückkehr zum vollen Mehrwertsteuersatz auf Speisen für seine Branche "fatale Folgen" hätte. Übrigens gelte in 23 von 27 Ländern der Europäischen Union ein reduzierter Steuersatz auf Speisen in Restaurants. Was in der Diskussion überdies zu kurz komme: Auch die Anbieter von Kita- und Schulverpflegung würden durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer unter Druck geraten, hätten weniger Spielraum, um gesunde, frische Lebensmittel anzubieten. Das stehe in "krassem Widerspruch zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung".

Die Kosten der Mehrwertsteuersenkung auf Speisen werden von der Bundesregierung mit mehr als drei Milliarden Euro jährlich veranschlagt. Für Getränke wird weiter der volle Satz fällig. Auch aus der FDP, der Partei von Finanzminister Christian Lindner, waren zuletzt Forderungen gekommen, die Reduzierung zu verlängern, um den Neustart der Gastronomie nach der Krise nicht abzuwürgen. Lindner selbst verweist darauf, dass die endgültige Entscheidung im November vom Bundestag getroffen wird.
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.
Allmählich wird das schon etwas lächerlich. Diejenigen, die für ein Schnitzel aktuell 15€ zahlen, zahlen auch 16,50€. Wer gerne zum Essen geht, nimmt das in Kauf.
So einfach ist dies jedoch nicht. Zuerst eine Korrektur: Mehrwertsteuererhöhung würde bedeuten, nicht 16,50 € sondern 16,68 €. Und z.B. für eine vierköpfige Familie spielt es schon eine Rolle, ob sie 60 € oder 66,72 € zahlt. Und ob es beim krummen Betrag von 16,68 bleibt ist so wie so eine andere Frage.
Wenn es nur 10% wären, Wolfgang. Meine Frau und ich waren gestern zum essen in einem Lokal, wo wie regelmäßig einkehren. Die hatten jetzt zwei Wochen wegen Urlaub geschlossen. Vor dem Urlaub kostete ein Putensteak mit Beilagen 9,80 Euro, nach dem Urlaub habe ich nun 13,80 Euro dafür zahlen dürfen. Und die Steuer ist noch gar nicht erhöht worden......
Alles ok was die beiden Vorposter gesachrieben haben.
@Walter, ich habe mich eigentlich nur auf die Mehrwertsteuer bezogen. Es ist bekannt, dass die Wirte allgemein ziemlich angezogen haben
@Franz X.: Wer gerne zum Essen geht, zahlt das oder er geht eben statt, angenommen 6x/Jahr, nur 5x im Jahr.
Ich bin mir ziemlich sicher, daß nur aufgrund der Rückkehr zum alten MWST-Satz keine 12000 Betriebe vor dem Aus stehen.