Herr Peters, Sie sind der neue Chef des Augsburger Luftfahrtzulieferers Premium Aerotec. Die Beschäftigten mussten einiges aushalten. Das Unternehmen sollte zerschlagen und zum Teil verkauft werden. Nun bleibt die Firma nach den erfolgreichen Protesten von Betriebsrat und IG Metall Teil des Airbus-Konzerns und wird saniert. Wie gehen Sie die Restrukturierung an?
Sebastian Peters: Ich mag das Wort Restrukturierung nicht. Denn Restrukturierung besteht oft nur darin, kurzfristig die Kosten runterzukriegen und Beschäftigte zu reduzieren. Das wollen wir aber genau so nicht. Wir wollen Premium Aerotec in einem gemeinsamen Pakt mit den Beschäftigten langfristig neu ausrichten, also effizienter und robuster machen. Wir nennen das Transformation. So richten wir den Standort Augsburg auf komplexe Montagetätigkeiten aus. Zudem arbeiten wir stark an unserer Wettbewerbsfähigkeit, indem wir Produktivität und Effizienz steigern. Wichtige Aspekte sind dabei die Erhöhung des Automatisierungsgrades in Verbindung mit zunehmender Digitalisierung. Zudem mussten wir grundsätzlich im vergangenen Jahr die Zahl unserer Mitarbeitenden erhöhen.
Zuvor hatte Premium Aerotec ja kräftig Stellen abgebaut. Wie viele Frauen und Männer stellte das Unternehmen neu ein?
Peters: Wir brauchten deutlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als in der Corona-Zeit. Nach der Corona-Krise haben wir über 500 Beschäftigte allein in Augsburg neu eingestellt. So sind jetzt wieder gut 2700 Menschen am Standort Augsburg tätig. Diese Beschäftigten bauen mit ihrer großen Erfahrung leidenschaftlich Flugzeugstrukturen. Sie sind stolz auf ihren Beruf und auf unsere Produkte.
In welcher Verfassung haben Sie Premium Aerotec vorgefunden?
Peters: Als ich im September 2022 von Airbus zu Premium Aerotec kam, mussten wir unsere Lieferverpflichtungen für den Hochlauf der A320-Produktion sicherstellen, hatten aber insgesamt nicht genug Personal an Bord, um dies auch stemmen zu können. In beiden Themen haben wir uns in einem ersten Schritt deutlich verbessert. Wir suchen aber immer noch Fachkräfte, besonders im IT-Bereich.
Sie haben Ihre Karriere 2004 bei Bosch Siemens Hausgeräte begonnen. Wie führte Sie der Weg von Waschmaschinen und Geschirrspülern zu Flugzeugen?
Peters: Das war kein gerader Weg zur Luftfahrt. Bei BSH habe ich in einem spanischen Werk als Fertigungsplaner angefangen und seitdem verschiedene Leitungsfunktionen übernommen. Zuletzt war ich bei BSH weltweit für die Absicherung der Lieferketten, also für die Lieferanten und die Steuerung der Fertigung verantwortlich. Ich bin Fan eines robusten Produktionssystems, das über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg optimiert ist.
Und die Produktion fährt massiv hoch, will Airbus doch immer mehr Flugzeuge bauen.
Peters: In der Corona-Zeit hat Airbus nur noch rund 40 Flugzeuge der A320-Familie pro Monat hergestellt, was sich natürlich ganz direkt auf die Produktion bei Premium Aerotec, auch in Augsburg, ausgewirkt hat. Inzwischen baut Airbus bereits wieder um die 45 dieser stark nachgefragten Flieger pro Monat. Bis 2026 wollen wir Sektionen für dann 75 Maschinen pro Monat bauen.
Doch es gibt Sorgen in Belegschaftskreisen, dass durch den ehrgeizigen Hochlauf der Produktion der notwendige Umbau des Unternehmens ausbleiben könnte und damit die nächste Krise schon vorgezeichnet ist.
Peters: Wir werden beides schaffen: uns neu aufstellen und gleichzeitig den Hochlauf stemmen. Denn je robuster wir uns positionieren, desto besser wird uns der Hochlauf der Produktion gelingen. Beide Themen bedingen einander. Ich bin mehr als optimistisch, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Mir macht die Arbeit bei Premium Aerotec, die Arbeit in Augsburg Spaß. Ich will den Standort gemeinsam mit den Beschäftigten zukunftssicher machen. Wir wollen den bisher zuweilen negativen Blick auf Premium Aerotec in einen durchweg positiven umwandeln. Genau das tun wir gerade.
Dann müssten Sie die Zahl der Beschäftigten in Augsburg angesichts der ehrgeizigen Produktionsziele deutlich stärker erhöhen. Peilen Sie 3000 Mitarbeiter an?
Peters: Im Interessenausgleich mit dem Betriebsrat haben wir ein Mindestziel von 2450 Beschäftigten bis Mitte 2025 vereinbart. Eines der Hauptziele unserer Transformation ist die Steigerung der Effizienz in der Produktion. Das ermöglicht uns, den Hochlauf beschäftigungsneutral zu gestalten. Wir versuchen die aktuelle Mitarbeiterzahl stabil zu halten und schließen betriebsbedingte Kündigungen aus.
Wenn alles gut läuft, wird Augsburg ein Airbus-Werk.
Peters: Das wurde im Rahmen des Interessenausgleichs zwischen Airbus und der Arbeitnehmerseite so vereinbart. Dazu brauchen wir aber die Gewissheit, dass die heutige Airbus-Tochter Premium Aerotec und damit auch der Standort Augsburg wettbewerbsfähig ist. Dafür müssen die Ziele aus dem Transformationsprojekt bis Mitte 2025 vollumfänglich umgesetzt sein.
Wer muss leiden?
Peters: Leiden muss niemand. Aber die Bereitschaft zur Veränderung muss da sein. Es gibt Beschäftigte, die schon mehr als zwanzig Jahre an ihren gewohnten Maschinen Einzelteile und Unterbaugruppen für Flugzeuge herstellen. Diesen Kolleginnen und Kollegen bieten wir an, künftig in der Montage für große Baugruppen des Flugzeugrumpfes zu arbeiten. Auch wenn wir sie natürlich dafür sorgfältig qualifizieren, ist das sicher für viele Betroffene emotional ein großer Schritt.
Wann und wohin wird die Produktion der Einzelteile verlagert?
Peters: Die Ausschreibung läuft. Bis Ende 2024 sollen beispielsweise die Blechteile von Lieferanten in kostengünstigeren Ländern hergestellt werden. Bei den genannten Teilen gibt es annähernd 20.000 verschiedene Materialnummern. Entsprechend komplex und herausfordernd sind die Verlagerungsaktivitäten.
Nun gehen einfachere Bauteile raus. Doch der Deal mit dem Betriebsrat sieht vor, dass dafür größere Bauteile reinkommen. Wann lösen Sie dieses Versprechen ein?
Peters: Wir sind bereits dabei! Zu dem hinteren Rumpfteil für die A320-Familie, das wir ja heute schon bauen, kommt demnächst das davor liegende große Bauteil, die Sektion 18, hinzu. Und es sollen noch weitere wichtige Elemente des Rumpfs nach Augsburg kommen. Fest steht: Neben Rumpfschalen wird auch die Fertigung moderner Tanks – dem Herzstück des neuen A321-Langstreckenfliegers A321XLR – für uns immer wichtiger. Dafür bauen wir eine neue Halle in Augsburg bei unserer Fertigung unweit des FCA-Stadions, wo heute bereits große Rumpfschalen für das Langstrecken-Flugzeug A350 entstehen. Im Sommer ist der Spatenstich geplant.
Wie viel Geld investiert Premium Aerotec?
Peters: Wir investieren in diesem Jahr bereits mehr als 100 Millionen Euro, um die Ziele unseres Transformationsprogramms zu erreichen. Allein die neue Augsburger Halle wird mehr als 40 Millionen Euro kosten. Airbus gibt uns damit einen Vertrauensvorschuss. Nun müssen wir liefern.
Sebastian Peters, 46, stammt aus Hamm in Westfalen. Seit September 2022 ist er Chef des Augsburger Luftfahrtzulieferers Premium Aerotec. Seine berufliche Laufbahn startete der Diplom-Betriebswirt 2004 in der Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH, wo er vor seinem Wechsel in den Airbus Konzern die Rolle des Vice President Global Supply Chain innehatte.