
Habeck und Lindner steuern auf Streit über Wirtschaftspolitik zu

Die Aussichten für die deutsche Konjunktur hellen sich auf. Doch statt gemeinsam die Zuversicht zu stärken, haben Wirtschafts- und Finanzminister sich widersprechende Ideen.

Die tiefe Krise der Wirtschaft ist abgewendet. Der Energieschock nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die deutsche Konjunktur nicht in den Abgrund gestürzt. Für das angebrochene Jahr erwartet die Bundesregierung gar ein Wachstum von 0,2 Prozent. Im Herbst hatte die Prognose noch bei minus 0,4 Prozent gelegen. Die Regierung könnte das zarte Pflänzchen hegen und pflegen, um es kräftiger zu machen. Grundsätzlich würden dem die zuständigen Ampel-Minister nicht widersprechen, doch Robert Habeck und Christian Lindner haben widerstreitende Ansätze, wie sie es anstellen wollen.
Finanzminister Lindner wirft Habeck vor, auf alles, was grün klingt, Milliarden an Staatsgeld zu werfen. Die Wünsche des Wirtschaftsministers stehen den beiden wichtigsten Zielen des FDP-Chefs entgegen: Er will keine Schulden machen und er will die Steuern senken. Für das Frühjahr hat er eine große Steuerreform angekündigt.

Wirtschaftsminister Habeck steht Lindners Plänen im Weg
Lindners Ziele sind nur schwer zu erreichen, wenn Habeck die grüne Wende in der Wirtschaft mit enormen Summen aus der Staatskasse bezahlen will. Der grüne Wirtschaftsminister ahnt natürlich den Kampf ums Geld und hat vorgebaut. Bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts am Mittwoch arbeitete er mit einem neuen Begriff. Er will jetzt transformative Angebotspolitik machen. „Er ist etwas sperrig“, gab Habeck zu.
Im Kern geht es darum, Unternehmen bei der Umstellung auf CO2-freie Produktion finanziell zu unterstützen, weil sie in den ersten Jahren im Wettbewerb gegen die dreckige Konkurrenz nicht bestehen könnten. Das Paradebeispiel ist die Stahlindustrie, wenn im Hochofen statt Koks Wasserstoff zum Einsatz kommt. „Es geht nicht darum, alles zu subventionieren“, sagte der 53-Jährige.
Bei den Freien Demokraten überwiegt die Skepsis, dass die Zusage des Koalitionspartners viel wert ist. Sie vermuten hinter der Habeck'schen Begriffsbildung schlicht Vorbauen, um sich weiter die üppigen Beträge an Steuermitteln sichern zu können. Denn Angebotspolitik will eigentlich die FDP machen. Angebotspolitik meint, dass der Staat den Unternehmen gute Bedingungen schafft, indem er zum Beispiel eine leistungsfähige Bürokratie unterhält, die Gerichte zuverlässig urteilen, die Straßen intakt sind und die Schüler lesen, schreiben und rechnen können.
FDP-Fraktionsvize Köhler: "Werden uns nicht von neuen Begriffen in die Irre führen lassen"
Angebotspolitik meint nicht, einzelne Unternehmen mit hohen Subventionen zu beglücken. Für die Liberalen ging Fraktionsvize Lukas Köhler nach vorn, um Habecks Übergriffigkeit zu parieren. „Wenn Robert Habeck Angebotspolitik machen will, dann freuen wir uns darüber“, sagte Köhler unserer Redaktion. „Aber wir werden uns nicht von neuen Begriffen in die Irre führen lassen.“
Der Abgeordnete aus München hat andere Vorstellungen als der grüne Minister, was Angebotspolitik ist. Niedrigere Steuern in der Hochabgabenrepublik Deutschland zählt er dazu, eine sichere Energieversorgung mit einheimisch gefördertem Gas, schnellere Genehmigungen von Windfarmen, Fabriken und Gewerbeparks durch abgespeckte Umweltprüfungen und neue Freihandelsverträge. „Der Staat sollte Schiedsrichter bleiben und nicht Spieler werden“, meinte Köhler. Sein Chef Christian Lindner ging zunächst auf Habecks Vorstoß ein. Es müsse einen Fokus auf die Steuern geben. „Das ist nötig, denn Steuerpolitik wird zunehmend zum Wettbewerbsfaktor“, erklärte er über den Kurznachrichtendienst Twitter.
Eine Einigung zwischen den unterschiedlichen Philosophien könnte es über bessere Bedingungen für Investitionen geben. Sowohl Lindner als auch Habeck versprechen sich viel von Superabschreibungen, die sie rasch beschließen wollen. Unternehmen sollen ihre Ausgaben für neue Werkhallen, Fahrzeuge und Maschinen schneller auf ihre Gewinne anrechnen können und damit ihre Steuerlast drücken. Auf dieses Verständnis von Angebotspolitik können sich die beiden starken Männer von Grünen und FDP verständigen. Über den großen Rest werden sie streiten.
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So weit auseinander wie es klingen mag dürfte beide gar nicht sein. Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, also Unterstützung der Unternehmen durch z.B. Steuersenkungen, Deregulierungen usw.. ist sicherlich in beiderseitigem Interesse. Nur führt eben mehr als ein Weg dort hin.
Finanzminister Lindner steht mit seiner FDP nach einer Serie von Wahlniederlagen mit dem Rücken zur Wand und sucht den Streit
mit den Koalitionspartnern, vor allem mit den Grünen. Er will Steuersenkungen, sagt aber nicht, dass er diese nur für die Besser-
verdiener will. Als Beweis dessen ist der Antrag der FDP beim Bundesverfassungsgericht zu sehen, wo die FDP für die Rücknahme des Solidaritätszuschlags für die Großverdiener klagt und deshalb klar wird, auf welcher Seite die FDP steht. Der frühere Finanzminister Dr.Theo Waigel ( CSU ) hat sich unlängst bei Lanz dafür ausgesprochenn, dass jetzt bei den hohen Preisen den wirklich Bedürftigen geholfen werden müsse : den Kleinverdienern, Kleinrentnern, alleinerziehenden Frauen. Leider scheint Lindner nichts von diesem Vorschlag zu halten.
Herr Grimm hätte einen Artikel über die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Ampel schreiben können, die in einer der schlimmsten Nachkriegskrisen mit entschlossenem und zielgerichteten Handeln eine tiefe Rezession der deutschen Wirtschaft verhindert hat, aber er zog es für, stattdessen über einen möglichen Streit in der Zukunft zwischen Habeck und Lindner zu philosophieren.