Kann diese Raupe wirklich Plastik fressen?
Es klang so vielversprechend: Spanische Forscher hatten im April verkündet, eine Raupe entdeckt zu haben, die Kunststoff verdaut. Nun stellen deutsche Kollegen die Studie infrage.
Ihre Entdeckung klang so vielversprechend: Forscherin Federica Bertocchini hatte im April eine Raupe beschrieben, die Plastik fressen kann. Die Meldung sorgte weltweit für Schlagzeilen. Jetzt aber stellen deutsche Forscher die Studie infrage: Ob die Raupe das Plastik wirklich zersetzt, ist keineswegs klar.
Larven der Großen Wachsmotte sollen Kunststoff fressen
Gemeinsam mit Kollegen von der Universität Cantabria im spanischen Santander hatte Bertocchini nachgewiesen, dass die Larven der Großen Wachsmotte (Galleria mellonella) den wohl am häufigsten verwendeten und biologisch kaum abbaubaren Kunststoff Polyethylen (PE) besonders schnell auffressen. Die Raupen verdauen den Kunststoff, lautete die These der spanischen Forscher.
Die Meldung über die Plastik-fressende Raupe weckte zunächst Hoffnung im Kampf gegen das Plastikmüll-Problem. Weltweit werden knapp 300 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr produziert, schätzt der Naturschutzbund Deutschland. Vieles davon landet nach Gebrauch in der Umwelt, auf riesigen Deponien oder im Meer.
Forscher aus Mainz stellen die Entdeckung infrage
Jetzt, wenige Monate nach der Veröffentlichung im Fachblatt Current Biology, stellen Mainzer Forscher die Studie infrage - ausgerechnet im selben Fachmagazin, in dem auch die Ursprungsstudie publiziert worden war. "Diese Studie durfte nie veröffentlicht werden", sagte der Chemiker Till Opatz von der Universität Mainz dem SWR. Zwar fräßen die Raupen Löcher in Plastik. Aber ob sie das Plastik wirklich verdauen könnten, dafür fehlten Beweise. Viel wahrscheinlicher sei es Opatz zufolge, dass die Raupen die Plastiktüten lediglich zerkleinern und dann als Mikroplastik ausscheiden.
Die Mainzer Forscher kritisierten, dass Forscherin Bertocchini und ihre Kollegen von Messungen berichtet hatten, denen zufolge sie die Substanz Ethylenglycol nachgewiesen hätten. Das wäre ein Hinweis gewesen, dass der Kunststoff Polyethylen durch die Raupen tatsächlich abgebaut wird.
Verdaut die Raupe wirklich Plastik?
Doch wurde da tatsächlich Ethylenglycol gemessen? Das Forschungsteam um Till Opatz bezweifelt das. Denn spezifische spektroskopische Signale für den eindeutigen Nachweis von Ethylenglycol fehlten in der veröffentlichten Studie der Spanier. Kontrollexperimente, die nötig gewesen wären, habe Bertocchinis Team nicht unternommen.
Für die Mainzer Forscher ist damit klar: Es wurden nicht etwa Kunststoff-Abbauprodukte nachgeweisen - sondern lediglich Raupenüberreste. Diese würden auch die meisten anderen Messergebnisse erklären.
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