Selbst Kliniken rechnen zunehmend falsch ab
Gesundheitsminister Bahr will gegen korrupte Ärzte und den Abrechnungsbetrug vorgehen. Nun melden die Krankenkassen auch noch einen Anstieg bei strittigen Klinik-Abrechnungen.
Fast jede zweite Krankenhausabrechnung wird von den Krankenkassen beanstandet, so heißt es in einem Bericht der Rheinischen Post. Dies gehe aus dem noch unveröffentlichten Bericht des Spitzenverbandes der Krankenkassen zur Korruption im Gesundheitswesen hervor. Die Krankenkassen hatten 2010/2011 rund 53.000 Verdachtsfälle von Betrug und Fehlverhalten im Gesundheitswesen verfolgt - meist Abrechnungsbetrug, wie es in dem Kassen-Bericht heißt. Demzufolge ermittelte die Staatsanwaltschaft in gut 2.600 Fällen. Die Kassen setzten Schadenersatzforderungen von 41,4 Millionen Euro durch.
Immer mehr strittige Klinik-Abrechnungen
Nach Überprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen sei der Anteil der Kliniken, die falsch abrechneten, in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 2006 habe er bei 35 Prozent gelegen, 2010 bereits bei 45,6 Prozent. Der Medizinische Dienst prüft der Zeitung zufolge jeweils 10 bis 12 Prozent aller Krankenhausabrechnungen. Allerdings haben die Kliniken in der Vergangenheit diesen Kassen-Berichten widersprochen. Sie argumentieren, dass die beanstandeten Rechnungen oft nicht falsch, sondern strittig seien, weil Kassen und Ärzte unterschiedliche medizinische Einschätzungen hätten.
CDU-Experte: Ärzteverbände zu Korruptionsbericht verpflichten
Der Gesundheitsexperte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Jens Spahn, will den Ärzteorganisationen regelmäßige Korruptionsberichte abverlangen. "Wir sollten Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigung gesetzlich dazu verpflichten, ihrerseits spätestens alle zwei Jahre einen Bericht über Fehlverhalten und ihre Verfahren vorzulegen", sagte Spahn den Dortmunder Ruhr Nachrichten.
Der Bundesgerichtshof hatte vor einem halben Jahr entschieden, dass Korruption niedergelassener Ärzte nach geltendem Recht nicht strafbar ist - etwa die Annahme von Zuwendungen für die Verordnung bestimmter Arzneimittel. Daher fehlen für umfangreiche Ermittlungen der Staatsanwälte gegen Ärzte derzeit die gesetzlichen Grundlagen, so lange nicht ein konkreter Schaden einer Kasse nachweisbar ist.
Ärzte-Korruption: Bahr für Gesetzesänderung
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hält sich zu Details bedeckt, am Donnerstag ging er aber von einer Gesetzesänderung "noch in dieser Legislatur" aus. Forderungen, den Ärztekammern für interne Ermittlungen staatsanwaltschaftliche oder polizeiliche Befugnisse zu verleihen, wies er im Deutschen Ärzteblatt zurück: "Das ist nicht ihre Aufgabe."
Der Ruf, hier eine Gesetzeslücke zu schließen, war zuletzt lauter geworden. "Man darf Verdachtsfälle nicht mit abgeurteilten Fällen verwechseln", sagte Frank-Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, der Passauer Neuen Presse. Er verwies auf die rückläufige Zahl von Abrechnungsbetrügereien im Gesundheitswesen, die in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst wird. So sei die Zahl im Jahr 2011 auf 2.876 Fälle - 40 Prozent weniger als zwei Jahre zuvor - abgesunken. "Ärzte sind für klare Regeln, sie wollen nicht im Ruch des Betrugs oder der Korruption stehen", sagte Montgomery.
Die SPD kritisierte derweil die Überlegungen Bahrs: "Das ist eine Farce", sagte ihr gesundheitspolitischer Fraktionssprecher Karl Lauterbach der Passauer Neuen Presse. "Wir brauchen einen regelrechten Paragrafen im Strafrecht bei Korruption von niedergelassenen Ärzten." Allein dadurch seien eine abschreckende Wirkung und angemessen hohe Strafen zu erzielen. Es gehe um sehr wenige, aber besonders wichtige Fälle. Schließlich könne ein Arzt, der von einer Pharmafirma Vergünstigungen erhalte, um deren Medikamente zu verschreiben, Patienten ernsthaft schaden. dpa
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