Augsburg und das Coronavirus: Und plötzlich ist die Stadt fast leer
Plus Bei schönstem Wetter herrscht in Augsburg eine eigenartige Stimmung. Geschäfte sind geschlossen, die Straßen nahezu leer. Die Menschen haben verschiedene Sorgen.
Straßenmusiker Philipp lässt sich spontan einen „Corona-Blues“ einfallen. Er findet, Musik tut gut in dieser Zeit. Der Bärtige schrammelt über die Gitarrensaiten und singt: „Hey Leute, davon wird die Welt doch nicht untergehen“. Passanten in der Maxstraße lächeln, geben ihm Münzen. Vor einer Bäckerei stehen Menschen in ausreichendem Abstand zueinander, bis der nächste den Laden betritt. Straßencafés haben, wenn überhaupt, spärlich bestuhlt. Trotz strahlendem Sonnenschein ist die Stimmung seltsam.
Geschäfte in Augsburg wegen Coronavirus geschlossen
Es ist Tag eins mit verschärften Regelungen: Viele Geschäfte in Augsburg haben am Mittwoch nicht mehr geöffnet. Außer die, die für die Grundversorgung zuständig sind. Restaurants müssen um 15 Uhr schließen, außer sie bieten danach Speisen zur Mitnahme an. Städtische Dienststellen sind zu. Die Menschen sollen möglichst daheim bleiben. Viele tun es auch: Die Innenstadt ist leer, das Geschehen konzentriert sich auf wenige Orte.
Gegen 9 Uhr steht Michael Berz vor der Tür seines Haushaltswarengeschäfts Siller+Laar am Fuggerplatz. Er macht keinen komplett niedergeschlagenen Eindruck. Die Ungewissheit, wie es nun weitergeht, treibe jedoch viele Unternehmer und deren Beschäftigte um, sagt er. Berz macht es am eigenen Geschäft fest: „Zwei Wochen Schließung sind nicht das allergrößte Problem. Das lässt sich mit Abbau von Überstunden ein Stück abfedern.“ Alles was darüber hinaus gehe, wirke sich auf die Substanz der Betriebe aus. Speziell für den stationären Handel sieht Berz eine Gefahr: „Ich kann an Kunden jetzt nur appellieren, ihr Konsumverhalten nicht ausschließlich auf den Onlinehandel zu konzentrieren“. Mit aufschiebbaren Einkäufen sollte gewartet werden.
Corona-Krise: Einzelhändlerin kommen die Tränen
Karin Hoschek geht am Morgen noch einmal in ihren Schuhladen in der Philippine-Welser-Straße, um die Heizung herunterzudrehen. Der Einzelhändlerin kommen die Tränen. Sie entschuldigt sich dafür. „Mir zerreißt es das Herz, den Laden zu schließen.“ Die neue Ware sei ausgeliefert und könne nicht verkauft werden. „Es muss aber alles jetzt bezahlt werden und die Fixkosten laufen unbeirrt weiter“, sagt sie verzweifelt. 5000 Euro Soforthilfe seien zwar toll. „Aber der Umsatzverlust, bereits seit Wochen, ist ein Vielfaches davon und geht weiter.“
Es sind nur noch Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte, Drogerien und Apotheken, die in diesem Katastrophenfall geöffnet haben dürfen. Wie sie mit der Pandemie umgehen, zeigt beispielhaft ein Aushang der Pelikan-Apotheke in der Jakober-straße: Man arbeitet hier im Zwei-Schicht-Betrieb, um eine Ansteckungsgefahr im Team zu reduzieren. Gleichfalls ergeht an Kunden eine Verhaltensanweisung.
Auch zur Mittagszeit ist in der Innenstadt sehr wenig los. Bei Lokalen mit erlaubter Außenbestuhlung sind bei dem schönen Wetter viele Plätze besetzt. Beim Weißen Hasen im Capitol wurden ausgewählte Tische mit rot-weißem Absperrband abgeklebt. Hier darf sich niemand setzen. So werden die Gäste auf erforderlichen Abstand gebracht. Auf dem Stadtmarkt dürfen Speisen nicht mehr vor Ort verzehrt werden. Deshalb ist die Zahl der Kunden überschaubar. Damian Gawlitza, der einen Verkaufsstand mit Imbiss in der Fleischhalle hat, berichtet, dass die verschärfte Regelung bei nahezu allen Kunden auf Verständnis stößt.
Gawlitza trägt Handschuhe, wenn er Speisen einpackt. Viel Umsatz macht er am Mittwoch nicht, aber darauf ist er eingestellt: „Mein Angebot fällt ohnehin viel geringer aus als an üblichen Tagen“. Von jeder Speise werde weniger zubereitet. Unterhalb der Tafel, auf der die Angebote von Hand geschrieben stehen, hängt nun allerdings auch ein Hinweisschild wegen Corona. Informationen, was gegenwärtig in der Fleischhalle nicht erlaubt ist, gibt es an Tischen.
Coronavirus in Augsburg: So ist die Lage in der City-Galerie
Gespenstisch ist es in der City-Galerie. Das Einkaufscenter ist gähnend leer. An den meisten Läden sind Rollgitter heruntergelassen. Es ist still. Nur vereinzelt laufen Menschen durch, holen sich Essen von den Gastronomien. „Die paar Älteren, die hier sind, gehen meistens nur zu den Ärzten“, beobachtet ein Verkäufer eines Backwarenstandes. Er steht sich die Beine in den Bauch. Der Mann, der seinen Namen nicht nennen will, rechnet damit, dass „seine Zentrale“ die Öffnungszeiten bald verkürzt. „So hat das jedenfalls keinen Sinn. Das Geschäft, das ich heute mache, deckt nicht mal die Unkosten.“ Eine jedoch freut sich über die Ruhe in der City-Galerie.
Frieda Dirscherl sitzt in einem der Massagesessel und lässt sich durchkneten. Zuvor war sie hier noch beim Optiker. Die 78-Jährige geht einmal die Woche zum Massieren ins Einkaufscenter. „Ich bin diese Ruhe gar nicht gewohnt. Sonst kommt man hier kaum durch.“ Angenehm finde sie das. Angenehmer hat sich dagegen Stefan Glocker seine letzten beiden Berufsjahre vorgestellt. Der Leiter der Volkshochschule holt sich in der City-Galerie eine Butterbreze. Da alle Kurse vorerst abgesagt wurden, müssen er und sein Team nun bis zu 15.000 Kunden anschreiben und neue Angebote unterbreiten.
Unterdessen spielt Straßenmusiker Philipp in der Maxstraße weiter. Passantin Waltraud Fröhlich bleibt stehen, lauscht der Musik und wirft etwas Kleingeld in den Gitarrenkasten. Sie findet, dass die Musik gut tut. Eines fällt der Augsburgerin auf. "Straßenmusik klingt heute ganz anders. Man kann sie richtig hören, weil es in der Stadt so ruhig ist."
Wie verändert sich die Arbeit von Journalisten in Zeiten des Coronavirus? In einer neuen Folge unseres Podcasts geben wir einen Einblick.
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