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Foto: Alexander Kaya
Foto: Alexander Kaya

Massenauflauf vor der Bühne: Der Tickethändler Eventim will solche Bilder mit einer Impfpflicht für Veranstaltungsbesucher schnell wieder ermöglichen.

Ulm
04.02.2021

Mit Impfpass zum Konzert? Das halten Veranstalter von der Eventim-Idee

Von Veronika Lintner

Plus Konzertbesuche nur noch mit Corona-Impfung - was halten Veranstalter von dieser Idee? Nachgefragt bei Allgäu Concerts, dem Ulmer Roxy und der Ratiopharm Arena.

Der Deutsche Ethikrat hat seine Empfehlung abgegeben: keine Regellockerungen für Geimpfte. Zum jetzigen Zeitpunkt komme eine „Rücknahme der staatlichen Beschränkungen nicht in Betracht“ – das erklärte die Ratsvorsitzende Alena Buyx am Donnerstag. Und mit diesem Satz nimmt die Corona- Impf-Debatte erst recht Fahrt auf: Geht es hier nur um unfaire Sonderrechte und vorschnelle Lockerungen – oder um die überfällige Rückkehr zu den vollen Grundrechten?

Mitten in diese Schlagzeilen platzt jetzt auch der große Tickethändler Eventim. Der Vorstandsvorsitzende des Münchner Unternehmens bewertet die Lage anders: „Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen“, erklärte Klaus-Peter Schulenberg im Gespräch mit der Wirtschaftswoche. Mit dem Impfpass zum Konzert: Soll diese Option Veranstaltern offenstehen? Diese Frage spaltet die Kulturbranche.

Allgäu Concerts distanziert sich zum Vorschlag von Eventim

Michaela Schneider kennt als Geschäftsführerin von Allgäu Concerts das große Eventgeschäft, von Füssen bis Ulm. Ihre Agentur veranstaltet Konzerte und Shows im Ulmer Congress-Centrum, im Wiley oder der Ratiopharm-Arena. "Ich bin total überrumpelt von diesem Vorstoß. Momentan ist es meiner Meinung nach zu früh, irgendwelche Planungen in dieser Hinsicht zu machen", sagt Schneider. Dass man nur noch mit Impfpass Veranstaltungen von Allgäu Concerts besuchen darf, sei für die Agentur keine Option. "Generell können wir das auch ausschließen, außer es wird uns von der Bundesregierung zur Auflage gemacht." Für verschobene Veranstaltungen, für die schon viele Tickets verkauft wurden, sei die Idee von Eventim auch gar nicht umsetzbar.

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Foto: Alexander Kaya
Foto: Alexander Kaya

Eingemottet. Vor der Eröffnung der Ratiopharm-Arena 2011 verschwanden die Stühle unter Kunststofffolien. Und in Corona-Zeiten bleiben die Sitze jetzt leer. Könnte eine Impfpflicht für Veranstaltungen helfen?

„Wir hoffen sehr, dass durch Freiwilligkeit eine bestimmte Impfquote innerhalb Deutschlands erreicht wird und Veranstaltungen dann ohne Impfpass stattfinden können“, erklärt die Agentur-Chefin. „Wir sind gegen jegliche Diskriminierung und möchten unseren Konzertbesuchern auch keine Vorschriften zum Thema Impfen machen.“ Schneider befürchtet vielmehr, dass die Impf-Diskussion, die der große Ticketservice anstößt, die krisengeplagte Veranstaltungsbranche belastet.

Richard King von der Ratiopharm Arena begrüßt den Eventim-Vorschlag

„Momentan sorgt so ein Vorstoß natürlich für großen Unmut – auch unter uns Veranstaltern“, sagt Schneider. Für sie kommt die Debatte vorschnell: Man wisse weder, ob Geimpfte noch weiterhin ansteckend seien, noch wann ausreichende Impfstoffmengen vorhanden sein werden.

Auch Richard King beschäftigen solche Fragen. Er leitet die Öffentlichkeitsarbeit der Neu-Ulmer Ratiopharm Arena. „Was mich in dieser Diskussion so kritisch macht, ist, dass wir jetzt wieder medial über ein Zitat sprechen, die Politik sich aber völlig offenlässt, in welche Richtung es weitergeht für unsere Branche“, sagt King. „Wir benötigen aber klare Vorgaben, um Arbeiten zu können.“ Aus Kings Sicht spricht auch deshalb nichts gegen den Vorstoß von Eventim: „Die Technik so einzurichten, bedeutet ja nur, dass man auf eventuell kommende Vorgaben und Anordnungen reagieren und diese umsetzen kann.“

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Foto: Felix Oechsler
Foto: Felix Oechsler

Der Inbegriff der 1990er-Jahre, die Kelly-Family, tourt 2020 noch und gastierte in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena.

Werden in der Ratiopharm Arena Konzerte mit Impfpflicht stattfinden?

Privatwirtschaftliche Anbieter veranstalten einen Großteil aller Konzerte und Großveranstaltungen in den Hallen und Arenen – und somit sieht King auch das finanzielle Risiko bei diesen Unternehmen. „Warum sollte also ein Veranstalter nicht sagen dürfen, dass er nur Geimpfte zum Konzert lässt, um seine Besucher zu schützen beziehungsweise diesen ein besseres Gefühl zu geben?“, fragt King. „Sollte ein Veranstalter dies auch in der Ratiopharm-Arena fordern, werden wir alles mögliche tun, ihn dabei zu unterstützen.“

Dass die Kultur- und Veranstaltungs-Branche bisher mit am härtesten unter der aktuellen Pandemie gelitten hat, betont King klar und deutlich. Auch er hofft auf einen schnelleren, breiten Erfolg der Massenimpfung, auf eine Normalität. Aber King sagt: „Wenn sich nun einige dazu entschließen, nur die Geimpften zu begrüßen, ist das aus meiner Sicht völlig legitim.“

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Foto: Alexander Kaya
Foto: Alexander Kaya

Partystimmung im Ulmer Roxy: Könnte die Impfpflicht-Idee, die Eventim ins Rollen gebracht hat, solche Szenen wieder ermöglichen?

Das Ulmer Roxy ist irritiert vom Vorschlag des Eventim-Vorsitzenden

Christian Grupp sieht das vollkommen anders, der Chef des Ulmer Roxy widerspricht: „Diese Diskussion ist problematisch und vor allem noch sehr verfrüht. Das schon jetzt überhaupt ins Gespräch zu bringen, ist die falsche Strategie.“ Grupp leitet das Roxy – einen Kultur- und Spielort, der zwar auf Zuschüsse von Stadt und Land bauen kann, aber eben auch unter Terminabsagen und Verschiebungen in den vergangenen Corona-Monaten gelitten hat. Für Grupp sind Zugangsbeschränkungen, die eine Impfung zur Bedingung machen, trotzdem keine Option: „Das könnte für uns eventuell sogar ein Grund sein, sich von Eventim als Geschäftspartner zu trennen.“

Grupp erklärt seine Kritik: „Ein Ausschluss auf Basis der Impfung würde einen Spalt in die Gesellschaft treiben. Wir wollen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft.“ Außerdem setzt er seine Hoffnungen auf andere Lösungen: „Es gibt ja auch Alternativen. Schnelltests könnten der Branche tatsächlich bald helfen. Das ist ein Gedanke, mit dem wir uns jetzt schon befassen.“

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