Michael Jung-Bissinger modernisiert das stadtprägende Gebäude. Der Koch führt im Erdgeschoss ein Familienunternehmen weiter, dessen Wurzeln weit zurückreichen.
Mehr 400 Jahre Geschichte schreibt das Haus, in dem heute der Goldene Ochse in Oettingen betrieben wird. Und noch viele weitere sollen es werden, geht es nach Inhaber und Koch Michael Jung-Bissinger. Er hat das Gasthaus im Januar 2016 von seinem Vater übernommen. Seither wird nicht nur für die eigenen Gäste in der Küche gekocht, sondern auch die Mahlzeiten für mehrere Kindergärten. Parallel läuft seit vielen Jahren ein anderes Großprojekt: der Dachausbau. Wo einst Fremdenzimmer waren, soll künftig seine Familie leben.
Große Baustelle beim Goldenen Ochsen in Oettingen
Über dem Goldenen Ochsen befindet sich ein Notdach, um die Arbeiten dort wetterunabhängig ausführen zu können, genau wie bei der Krone. Auch wenn die Baustelle um ein paar Ecken kleiner ist als die Sanierung der Krone: "Verstecken brauchen wir uns nicht", sagt Michael-Jung Bissinger, als er Mitte Februar unter dem Notdach neben den Balken steht, das zum Teil schon aus Fichtenholz erneuert wurde, zum Teil noch aus den alten Weißtannen besteht.
Wer unter einem historischen Dach leben will, hat einige Auflagen zu erfüllen. Das Denkmalamt will mitreden und auch eine Ausschreibung der Arbeiten war nötig. Insgesamt bewertet der Bauherr die Baustelle jedoch als ein anspruchsvolles Projekt, bei dem jeder versucht, das für sein Fach beste herauszuholen. Die Wohnideen sollen erfüllt werden, der Denkmalschutz berücksichtigt und die Nachverdichtung vollzogen werden. Dennoch müsse der Bau wirtschaftlich bleiben. Trotz Einzeldenkmal aus dem 16. Jahrhundert bauen sich Jung-Bissinger und Freundin Andrea Straßner auf der Fläche eine äußert geräumige Wohnung, perspektivisch mit zweiter Ebene. Außerdem werden sie einmal einen Balkon haben, auf dem sie die Sonne genießen können. Ein Neubau? Kommt für die beiden nicht infrage.
Rund ein Jahr sollen die Arbeiten am Dach dauern
Die Zimmerer-Arbeiten hat die Zimmerei und Schreinerei Beyer aus Heidenheim am Hahnenkamm übernommen. Deren Chef geht von rund einem Jahr Bauzeit am Dach aus. Gerade werden dort die statischen Arbeiten durchgeführt. Die Deckenebenen seien herausfordernd. Bauherr Jung-Bissinger schildert, dass ihm seine Oma einmal erzählt habe, dass die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg die Balken herausgeschnitten hätten.
1600 wurde der Goldene Ochse zum ersten Mal zum Gasthaus. Die Großmutter hatte unter dem Dach noch Fremdenzimmer betrieben, erzählt Jung-Bissinger. Doch anders, als so manches Gerücht in der Innenstadt es besagt, werden in dem Gasthaus aktuell keine Gästezimmer gebaut. Während unten gearbeitet wird, wohnt die Familie künftig unter dem Dach und kann somit die Tradition des Hauses weiterführen - nur eben ohne Fremdenzimmer.
Jung-Bissinger kocht pro Woche zwischen 600 und 700 Essen für sieben Kindergarten-Einrichtungen und die Montessori-Schule. Im Sommer kommt zur normalen Gastronomie dann auch noch der Biergarten dazu. Die junge Familie führt mit ihrem Ausbau eine lange Hausgeschichte fort. Die besagt, dass seit 1552 die ersten Wirte namentlich bekannt sind, das Gebäude stand bis dahin seit einigen Jahrzehnten. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Bier selbst gebraut und ausgeschenkt.
Lange Familiengeschichte im Ochsen
Nicht immer trug das Gasthaus den Ochsen im Namen. 1684 kaufte ein Michael Dietrich die damalige Straußenwirtschaft, einige Jahre später allerdings wurde sie dann schon "Wirt zum guldenen Ochsen" genannt. 1912 ließ die Aktienbrauerei Kempten das Anwesen versteigern. Für die heutige Besitzerfamilie Jung-Bissinger begann damals ihre Geschichte mit dem Gebäude. Das Oettinger Amts- und Anzeigenblatt meldete am 2. November 1912: "Die Gastwirtschaft zum Ochsen dahier wurde von der bisherigen Pächterin Frl. Peppi Bissinger aus Mertingen käuflich erworben."
Sie führte das Gasthaus erfolgreich, Fremdenzimmer wurden angeboten. Sie heiratete Georg Jung aus Wornfeld, mit dem Brauerei-Wissen in den Betrieb kam. Dann prägte der Krieg die Wirtschaft, die schlechten Zeiten gingen auch am Ochsen nicht vorbei. Wie in der Geschichte des Hauses weiter zu erfahren ist, erschien 1934 im "Stürmer", dem bekannten antisemitischen nationalsozialistischen Hetzblatt, der empörte Bericht eines Reisenden über seinen Aufenthalt im Hotel zum Ochsen: "Kein Hitlerbild an der Wand und ein Wirtsehepaar, das darauf bestand, dass Juden auch Menschen seien und als Gäste zu behandeln sind."
Der Doppelname Jung-Bissinger entstand im Jahr 1950, als Georg Jung drei Jahre nach dem Tod seiner Frau Peppi deren Bruder samt Familie adoptiert hat. 1983 übernahm Karl Jung-Bissinger, der Vater des heutigen Wirts, von seinen Eltern den Gasthof und betrieb ihn über 30 Jahre zusammen mit seiner Ehefrau Anita.