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Foto: godfather/stock.adobe.com
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Soziales
03.06.2021

So teuer ist ein Platz im Pflegeheim

Von Rudi Wais

Plus Ausstattung, Lage und Ambiente spielen bei der Suche nach einer Bleibe eine wichtige Rolle. Viele Pflegebedürftige aber müssen auch mit spitzem Stift rechnen – oder gar Sozialhilfe beantragen.

Mehr als 900.000 Menschen in Deutschland leben in einem Pflegeheim – und jedes Jahr werden es mehr. Die Betreuung auf der letzten Etappe eines Lebens allerdings hat ihren Preis: 3000 Euro und mehr für einen Heimplatz in einer mittleren Pflegestufe sind auch in unserer Region die Regel, nicht die Ausnahme. Die Pflegekasse kommt dafür nur teilweise auf. Umso wichtiger ist es für Versicherte zu wissen, was sie im Falle eines Falles erwartet.

Der monatliche Beitrag setzt sich dabei aus bis zu fünf Komponenten zusammen:

  • Pflege und Betreuung Diese Kosten finanziert die Pflegeversicherung mit. Dazu kommt ein von Heim zu Heim unterschiedlich hoher Eigenanteil.
  • Investitionen Für die Instandhaltung des Gebäudes, Um- und Ausbauten oder die Ausstattung von Gemeinschaftsräumen erheben die Heime eine Art Umlage, die jeder Bewohner selbst zahlt.
  • Wohnen und Essen Darunter fallen die Kosten für die täglichen Mahlzeiten, das Zimmer selbst und seine regelmäßige Reinigung und die Wäsche. Auch diese Kosten müssen komplett von den Bewohnern getragen werden.
  • Ausbildung Die Ausgaben, die für die Ausbildung von Pflegekräften entstehen, werden auf die Bewohner umgelegt. Allerdings bilden längst nicht alle Heime selbst aus.
  • Zusatzleistungen Dazu können ein besonders komfortables Appartement oder eines mit Terrasse gehören, Fahrdienste oder ein individueller Vorleseservice. Sie müssen vertraglich vereinbart und von den Bewohnern selbst bezahlt werden.

Die einzelnen Kostenblöcke sind von Heim zu Heim und auch von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. In Bayern zum Beispiel lag die durchschnittliche Eigenbeteiligung eines Pflegebedürftigen nach Berechnungen des Verbandes der Ersatzkassen im Januar bei 2078 Euro monatlich und damit knapp über dem Bundesdurchschnitt. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen zahlen Heimbewohner im Schnitt 2460 Euro zu, in Sachsen-Anhalt dagegen nur 1465 Euro. Nicht mitgerechnet ist in diesen Zahlen allerdings die so genannte Ausbildungsumlage, die je nach Heim noch zwischen 30 und mehr als 100 Euro schwanken kann.

Die Pflegeheime entwickeln sich zu Seniorenkliniken

Brigitte Protschka, die stellvertretende Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern, erklärt die Unterschiede von Bundesland zu Bundesland vor allem mit den unterschiedlich hohen Tariflöhnen in der Pflege und den unterschiedlichen Personalschlüsseln auf den Stationen. So muss sich in Bayern rein rechnerisch eine Vollzeitkraft „nur“ um 1,8 Pflegebedürftige in der höchsten Pflegestufe kümmern, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen um 2,5 Pflegebedürftige, also um ein Drittel mehr. Entsprechend teurer ist die Pflege auf der Station in Bayern. Tendenz: weiter steigend. Die Arbeiterwohlfahrt zum Beispiel, sagt Brigitte Protschka, überlege inzwischen, für mehrere ihrer Häuser zusammen eigene Ärzte anzustellen. Da die Bewohner immer älter würden, entwickelten sich die Heime immer mehr zu Seniorenkliniken: „Demenz und Multimorbidität gehören zum Alltag.“

Zehn Warnsignale für Demenz

Folgende Beschwerden können auf eine Demenzerkrankung hindeuten:

Zehn Warnsignale für Demenz

Vergessen kurz zurückliegender Ereignisse

Zehn Warnsignale für Demenz

Schwierigkeiten, gewohnte Tätigkeiten auszuführen

Zehn Warnsignale für Demenz

Sprachstörungen

Zehn Warnsignale für Demenz

Nachlassendes Interesse an Arbeit, Hobbys und Kontakten

Zehn Warnsignale für Demenz

Schwierigkeiten, sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden

Zehn Warnsignale für Demenz

Fehlender Überblick über finanzielle Angelegenheiten

Zehn Warnsignale für Demenz

Fehleinschätzung von Gefahren

Zehn Warnsignale für Demenz

Ungekannte Stimmungsschwankungen, andauernde Ängstlichkeit, Reizbarkeit und Misstrauen

Zehn Warnsignale für Demenz

Hartnäckiges Abstreiten von Fehlern, Irrtümern oder Verwechslungen

Zehn Warnsignale für Demenz

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit

Die Alten- und Pflegeheime in der Region liegen mit ihren Tarifen nach einer Umfrage unserer Redaktion bei Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, kommunalen und privaten Anbietern etwas über den bayerischen Durchschnittswerten. Bei der Arbeiterwohlfahrt Schwaben zum Beispiel zahlt ein Bewohner mit dem Pflegegrad 2 im Schnitt 2560 Euro aus der eigenen Tasche dazu, in den kommunalen Heimen der Stadt Augsburg sind es je nach Einrichtung zwischen 2864 und 3034 Euro, bei der Caritas 2424 Euro und bei der Diakonie je nach Haus zwischen 2049 und 2365 Euro.

Regierung will Eigenanteile der Pflegebedürftigen begrenzen

Die Bundesregierung will die Eigenanteile nun begrenzen – begrenzt wird dabei aber nur der Eigenanteil für die reinen Pflegeleistungen. Ein Beispiel: Wer in einem Heim der Arbeiterwohlfahrt in Schwaben lebt und in Pflegegrad 2 oder höher eingestuft ist, erhielte im ersten Jahr gut 61 Euro zusätzlich im Monat, im zweiten gut 300 Euro, im dritten etwa 550 Euro und vom vierten Jahr an 857 Euro. Unterkunft, Verpflegung oder Investitionspauschalen fallen nicht unter den Kostendeckel und müssen auch künftig in voller Höhe selbst bezahlt werden.

Bei vielen Menschen in den Pflegeheimen reicht das Geld nicht für die Finanzierung ihres Platzes aus. Bei der Augsburger Diakonie etwa sind je nach Heim zwischen 20 und 37 Prozent der Bewohner auf Sozialhilfe angewiesen, bei der Arbeiterwohlfahrt Schwaben sind es über alle Einrichtungen gerechnet 31 Prozent und bei der Stadt Augsburg fast 38 Prozent. „Ich bin davon überzeugt, dass das politisch noch brisant wird“, sagt Markus Bottlang, der kaufmännische Vorstand der Diakonie in Augsburg. Wer zum Beispiel, fragt er, finanziere die bessere Bezahlung der Pflegekräfte und die zusätzlichen Stellen auf den Stationen – die Pflegebedürftigen oder der Staat? Und überhaupt: Das Rentenniveau schrumpfe auf lange Sicht, die Pflegeplätze aber würden nicht billiger. Im Gegenteil. „Alles, was die Pflege teurer macht“, sagt Bottlang, „finanzieren heute zum größten Teil die Bewohner der Heime.“ Dazu gehörten auch strenge und teure Bauvorschriften wie eine bestimmte Quote an Einzelzimmern pro Heim, die Zahl der Nasszellen oder die Größe der Zimmer.

250.000 Menschen sind auf staatliche Fürsorge angewiesen

Bundesweit waren im Jahr 2019, das sind die bislang aktuellsten Zahlen, etwa 250.000 Bewohner von Pflegeheimen auf die staatliche Fürsorge angewiesen, die Ausgaben dafür betrugen insgesamt rund 3,3 Milliarden Euro. Was die vor kurzem erst eingeführte Entlastung von Angehörigen bei der Pflege den Steuerzahler zusätzlich kostet, ist noch unklar. Statistische Daten, betont ein Sprecher von Sozialminister Hubertus Heil, lägen frühestens im Herbst vor. Erste Schätzungen gehen von zusätzlichen Ausgaben von etwa 130 Millionen Euro aus. Tendenz: steigend. Je mehr Menschen pflegebedürftig werden und je weniger der Staat dafür ihre Ehepartner und Kinder zur Kasse bittet, umso mehr muss er für die Pflege selbst in den Steuertopf greifen.

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