Corona-Maßnahmen haben die Grippe im Kreis Augsburg praktisch ausgemerzt
Plus Eigentlich ist um diese Zeit des Jahres Grippe-Hochsaison. Doch in diesem Winter ist das ganz anders. Warum ein Kinderarzt die wenigen Ansteckungen nicht nur positiv sieht.
Normalerweise wäre momentan Grippezeit. Winter und Fasching - da geht sonst so einiges um - von der leichten Erkältung bis zu gefährlichen Influenzaviren. Im Landkreis Augsburg wurden dem Gesundheitsamt in den letzten beiden Jahren um die 300 Fälle von Influenza-Erkrankungen gemeldet. Besonders bei Faschingsbällen und jegliche Festivitäten, bei denen viele Menschen zusammen unbeschwert feierten, hatten alle möglichen Erkältungsviren leichtes Spiel.
Faschingszeit ist Grippezeit im Augsburger Land
Seit fast einem Jahr schon sind große Menschenansammlungen jedoch undenkbar geworden. Und Masken gehören nicht mehr zur Faschingszeit, sondern sind als Mund-Nasen-Schutz Teil des Alltags geworden. Wie sieht es also dieses Jahr aus – gibt es trotzdem die altbekannte Grippewelle?
Dr. Jakob Berger aus Meitingen berichtet aus dem Praxisalltag: "Bisher haben wir bei uns in der Praxis praktisch noch keinen Grippefall gehabt, da sieht es um diese Jahreszeit sonst schon anders aus.“ Der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands führt das auf die strikten Maßnahmen gegen Corona zurück. "Offenbar wirken die auch gegen Grippeviren.“
Die Zahl der Influenza-Fälle ist drastisch gesunken
Sichtbar wird das an den offiziellen Zahlen: Im letzten Jahr waren dem Gesundheitsamt noch 309 Influenza-Fälle bekannt – heuer gab es noch keinen einzigen gemeldeten Fall. In ganz Bayern seien es laut dem Landratsamt heuer bisher nur 23 Grippefälle gewesen.
Bei auftretenden Grippesymptomen sollte man sich jedoch trotzdem nicht scheuen, eine Hausarztpraxis aufzusuchen, macht Dr. Berger klar. Die meisten Praxen hätten spezielle Infekt-Sprechstunden eingerichtet, um Grippesymptomen mit einem Corona-Test auf den Grund zu gehen. Es sei nämlich fast unmöglich, eine einfache Grippe von einer Infektion mit dem Covid-19-Virus zu unterscheiden. "Über das Ansteckungsrisiko beim Hausarzt muss man sich keine Gedanken machen.“, beteuert Jakob Berger.
Unnötige Angst vor Ansteckung in der Hausarztpraxis
Auch in der Marktapotheke Diedorf ist der Rückgang der Grippefälle aufgefallen. "Wir merken schon, dass deutlich weniger Medikamente für Erkältungsbeschwerden gekauft werden“, berichtet Apothekerin Katja Zeitler. Es sei aber noch abzuwarten, wie sich dieser Trend entwickelt, wenn es noch länger so kalt wie in den letzten Wochen bleibe.
Nicht nur die Hygienemaßnahmen, auch die größere Zahl an Grippe-Geimpften diese Saison macht laut Dr. Jakob Berger einen Unterschied. "Auch jetzt kann man sich noch gegen die Grippe impfen lassen, solange sich das nicht mit der Corona-Impfung überschneidet“, empfiehlt der Hausarzt.
Sollten doch mal Erkältungssymptome auftreten oder möchte man einer Erkältung vorbeugen, gibt es einiges, was man zu Hause tun kann: Sophie Bösel, Kräuterpädagogin und Volksheilkundlerin aus Ellgau, hat so einige Tipps auf Lager. Hilfreich sei, die Luft in der Wohnung regelmäßig zu befeuchten. Dazu könne man einfach eine Schüssel mit Wasser auf den Kachelofen oder den Herd stellen. Wenn dann noch ätherische Öle hinzugefügt werden, wirken diese zusätzlich gegen entzündete Schleimhäute.
Bewährte alte Hausmittel gegen Erkältung
""Ich kenne eigentlich keinen Schnupfen und keine Erkältung mehr“, erzählt Sophie Bösel. Die Zahl der heilenden Hausmittel scheint unbegrenzt: Von Wickeln, über Erkältungsbäder mit Tannennadeln, dem Trinken von Rosentee bis zum Inhalieren mit frischem Meerrettich oder Kräutern aus dem Garten: Es gibt viele Wege, sich gegen eine Erkältung zu schützen und ihr vorzubeugen, erklärt die Kräuterexpertin. "Wichtig ist nur, sofort etwas zu unternehmen, wenn die Beschwerden losgehen“, betont Bösel. Dann wirken die natürlichen Helfer besonders gut.
Auch Dr. Jakob Berger hat Tipps auf Lager: "Um das Immunsystem zu stärken, kann man neben einer vitaminreichen Ernährung und ausreichend Schlaf ein sogenanntes ansteigendes Fußbad machen.“ Dabei gießt man in ein lauwarmes Fußbad immer wieder heißeres Wasser dazu. Bei Fieber empfiehlt der Hausarzt, nicht sofort zu fiebersenkenden Medikamenten zu greifen, sondern erst einmal zum Beispiel mit Wadenwickeln zu arbeiten.
Kein Fall von eitriger Mittelohrentzündung
Dr. Wolfgang Berweck ist Kinder und- Jugendarzt in der Gemeinschaftspraxis Dr. Berweck und Steinheber in Wertingen. Er berichtet: „Es gibt weniger Akutfälle und weniger kranke Kinder.“ Die Erklärung dafür sei, dass sich die Mädchen und Buben derzeit einfach weniger anstecken würden. „Ich hatte in den vergangenen drei bis vier Monaten keinen Fall einer eitrigen Mittelohrentzündungen“, sagt der Mediziner. In Vor-Coronazeiten kam diese Erkrankung häufiger vor. Auch gebe es kaum Kinder, die unter Brechdurchfall leiden. Doch diese Nachrichten seien laut Dr. Berweck nur auf den ersten Blick erfreulich. Der Kinder- und Jugendarzt ist überzeugt, dass sich diese wenigen Ansteckungen im nächsten Jahr negativ auswirken könnten. Denn gerade bei Kindern seien diese normalen Infekte wie beispielsweise eine Erkältung erwünscht, um das Immunsystem zu stärken. Dr. Berweck erklärt mit einem Lachen in der Stimme: „Die Kinder, die ständig mit einer Rotznase rumlaufen, sind später oft die Gesündesten.“ Rein gefühlsmäßig habe er auch den Eindruck, dass es derzeit mehr Kinder gebe, die psychisch belastet sind. Gerade sensible Kinder hätten mit der angespannte Situation zu kämpfen. Diese Mädchen und Buben reagieren oft mit Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Überempfindlichkeit. Berweck sieht mit Sorge, dass derzeit der Medienkonsum bei den meisten Kindern ansteige. Hinzu komme, dass sportliche Betätigung und soziale Kontakte wegfallen.
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