Wie die 90-jährige Hildegard Doser den Katastrophenfall sieht
Plus Hildegard Doser hat viel erlebt, auch den Krieg. Vor dem "Corona-Shutdown" war die Augsburgerin abends ein letztes Mal aus. Warum sie trotz Coronavirus gelassen ist.
Bis kurz vor Mitternacht war Hildegard Doser am Montagabend in der Innenstadt auf einen Wein unterwegs. Die 90-Jährige wollte noch einmal mit Bekannten plaudern, bevor alles zumacht. Jetzt aber will sie Kontakte meiden. Wer die betagte Dame, die am Theater arbeitet, kennt, weiß, dass ihr das schwer fallen muss. Doch Hildegard Doser hat schon ganz anderes gemeistert.
Seit über 60 Jahren nimmt die Seniorin mit den wachen Augen im Theater an der Garderobe Mäntel und Jacken entgegen. Sie verteilt Programme und gibt auch ihre eigene Kritik zu Theaterstücken ab, wenn Besucher sie darum bitten. Die Augsburgerin hat schon viele Intendanten und Künstler kommen und gehen sehen. Dass das Theater wegen einer Pandemie schließen musste, das gab es allerdings noch nie. „Ich habe den Krieg erlebt und vieles anders, so etwas aber noch nicht.“ Eigentlich ist es für „Frau Theater“, wie sie gerne genannt wird, ein Gräuel, abends alleine daheim zu sitzen. Hildegard Doser mag es auch nicht, fern zu sehen. Jetzt aber bleibe ihr keine andere Wahl.
Hildegard Doser sieht das Ganze gelassen
Sie beklagt sich nicht, sondern akzeptiert die Situation. „Wenn man schon so lange lebt und so viel mitgemacht hat, sieht man das Ganze vielleicht etwas gelassener“, meint sie. Doser erinnert sich an die Zeiten des Krieges. „Wir mussten teilweise stundenlang im Keller sitzen, wenn Angriffe geflogen wurden. Da wusste jeder, was zu tun ist.“
Die Menschen heute würden mit einem Katastrophenfall, wie er aktuell vorherrscht, anders umgehen. Sie hätten eben noch nie Einschränkungen erlebt, sagt die Seniorin. Die Menschen seien verwöhnter, glaubt sie und meint dies aber nicht als Vorwurf. Schließlich kann niemand etwas für die Zeit, in der er aufwächst. Hildegard Doser freut sich über den Zusammenhalt untereinander, der ihrer Beobachtung nach in diesen Tagen stärker wird. Die Dame, die in wenigen Wochen 91 Jahre alt wird, lebt alleine in Augsburg. Ihre Tochter wohnt in einer anderen Stadt. Nachbarn hätten ihr schon angeboten, für sie einzukaufen, erzählt sie. „Wenn Sie irgendwas brauchen, wir helfen ihnen“, hätten sie zu ihr gesagt. Hildegard Doser freut sich darüber. „Das ist doch was Schönes.“
Die Augsburgerin geht noch selbst einkaufen
Sie ist überzeugt, dass die Menschen in der schweren Zeit enger zusammenrücken und dass eine Nähe entsteht, die es so vielleicht nicht mehr gab. Im Übrigen hat Hildegard Doser bislang die angebotene Hilfe dankend abgelehnt. „Ich schaffe es noch, selbst einzukaufen. Ich habe auch nicht gehamstert.“ Angst vor dem Coronavirus hat die Seniorin nicht.
„Ich bin so gesund, dass ich das überstehen kann“, meint sie und fügt hinzu: „Obwohl, man weiß ja nie.“ Am Montag jedenfalls ist die Augsburgerin abends ein letztes Mal ausgegangen. „Wissens, ich geh doch so gerne ins Perlach-Stüble. Ich bin gleich länger geblieben, weil es zumacht“, sagt sie schelmisch. „Aber natürlich haben wir darauf geachtet, dass wir nicht dicht beieinander saßen.“ Auf genügend Abstand, ist sie überzeugt, müsse man aufpassen. Man wolle schließlich keine Zustände wie in Italien.
Auch wenn sie nun daheim bleibt, auf ihre kleinen Spaziergänge will Hildegard Doser nicht verzichten. Weil es gesund ist. Vor allem aber, weil sie doch nicht ganz stillhalten kann. „Es wird alles wieder gut.“ Davon ist die Frau, die schon viel erlebt hat, fest überzeugt.
Wie verändert sich die Arbeit von Journalisten in Zeiten des Coronavirus? In einer neuen Folge unseres Podcasts geben wir einen Einblick.
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