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Foto: Alex Brandon, dpa
Foto: Alex Brandon, dpa

Die Corona-Pandemie ist durch die Fixierung auf Trumps Gesundheitszustand wieder das alles beherrschende Thema.

US-Präsident
03.10.2020

Corona-Infektion von Donald Trump: Was wird aus dem US-Wahlkampf?

Von Gregor Peter Schmitz

Corona stellt das Rennen ums Weiße Haus auf den Kopf. Es gibt drei Szenarien zur möglichen Entwicklung – keines wirklich positiv für Trump. Dennoch bleibt ihm Hoffnung.

Die „October Surprise“ ist ein wichtiges Element von US-Präsidentschaftswahlkämpfen. Sie besagt, dass im Oktober – also dem letzten Monat vor der Abstimmung, die traditionell am ersten Dienstag im November stattfindet – irgendetwas passiert oder bekannt wird, das den Wahlkampf komplett auf den Kopf stellen kann.

Die Variationen reichen von Terrorwarnungen über Skandalenthüllungen wie, im Jahr 2000, eine lang zurückliegende Trunkenheitsfahrt des damaligen Kandidaten George W. Bush. Nun ist mit der Viruserkrankung von Donald Trump und seiner Frau Melania wieder eine Oktoberüberraschung da – und so wie es zu diesem Wahlkampf passt, ist es eine Überraschungsbombe. Die Teams sowohl von Trump als auch von Herausforderer Joe Biden geben mehr oder weniger offen zu, völlig ratlos zu sein, wie der Wahlkampf weitergehen soll und was dies für den Wahlausgang bedeutet.

Corona-Infektion: Fällt Donald Trump aus, rückt Mike Pence an seine Stelle

Zuerst die aktuellen Fakten: Im republikanischen Lager sind nicht nur Trump und seine Frau positiv getestet worden, sondern auch etliche hochrangige Mitarbeiter wie Trumps langjährige Kommunikationschefin Kellyanne Conway. Die öffentliche Vorstellung von Trumps Kandidatin für den Obersten Gerichtshof vorige Woche ist offenbar zu einem regelrechten Superspreader-Event geworden, etliche Teilnehmer sind infiziert. Negativ testeten aber Vizepräsident Mike Pence, was sehr wichtig ist für die Republikaner – denn würde auch er ausfallen, rückte an seine Stelle die protokollarische Nummer 3 des Staates, Nancy Pelosi. Die demokratische Führerin des Repräsentantenhauses gilt als politische Erzfeindin des Trump-Lagers.

Weder Biden noch seine Frau oder seine engsten Mitarbeiter sind hingegen infiziert - obwohl Biden bei der TV-Debatte diese Woche nur wenige Meter von Trump entfernt stand und seine Mitarbeiter nahe von Trumps Entourage saßen, die zum großen Teil keine Masken trug.

Das heißt ganz praktisch: Trump, der für den Wahlkampfendspurt auf Massenveranstaltungen quer durchs Land gesetzt und noch vor kurzem Biden verspottet hatte, dieser führe ja einen Wahlkampf aus dem Keller, ist lahmgelegt – derzeit muss der Präsident gar in einem Militärhospital behandelt werden, und er wird zumindest vorläufig  in der Hauptstadt Washington bleiben müssen. Seine Teilnahme an der nächsten geplanten TV-Debatte am 15. Oktober in Miami ist höchst ungewiss. Trump findet sich natürlich ständig in den Schlagzielen wieder. Doch dort ist vor allem zu lesen, hören und sehen, wie er offen über Masken spottete, das Virus herunterspielte – oder dass er chronisch übergewichtig und daher gesundheitlich besonders gefährdet ist.

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Foto: J. Scott Applewhite, dpa
Foto: J. Scott Applewhite, dpa

Die Marine One landete auf dem Südrasen des Weißen Hauses. Nach seiner Infektion mit dem Coronavirus wurde Trump ins Walter-Reed-Militärkrankenhaus gebracht.

US-Wahl 2020: Joe Biden plant, seinen Wahlkampf weiterzuführen

Für einen Präsidenten, der auch über sein Gewicht gerne geschummelt hat, keine schöne Nachricht. Immerhin trägt Trump nun eine Maske und gab sich in einer kurzen Videoansprache vergleichsweise staatstragend, als er für die Unterstützung aus aller Welt dankte, darunter einen handgeschriebenen Brief von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Biden hingegen plant, Stand jetzt, seinen Wahlkampf weiterzuführen, auch mit Veranstaltungen. Mit Häme hält der Demokrat sich öffentlich bislang zurück und bat vielmehr Gott, Trumps Familie zu schützen – freilich versehen mit dem Hinweis, darum bitte auch für jede andere Familie in den USA, die mit dem Virus kämpfe. Das konnte durchaus als Seitenhieb auf Trumps Corona-Management verstanden werden, welches Experten für mitverantwortlich halten für über 200.000 Corona-Tote in den USA.

Doch was heißt all dies für das Wahlverhalten der Bürger? Drei Szenarien werden diskutiert, keines davon ist sonderlich positiv für Trump. Das drastischste wäre natürlich, das er schwere Symptome entwickelt oder sogar verstirbt. Trump ist nicht der einzige Regierungschef weltweit, der an Corona erkrankt ist, aber der älteste.

Bislang starben zwar amerikanische Präsidenten durch Attentate im Amt. Doch nur zwei US-Präsidenten waren wirklich lebensgefährlich erkrankt. Ronald Reagan wurde wenige Monate nach seinem Amtsantritt angeschossen, erholte sich aber ziemlich schnell. Dwight D. Eisenhower erlitt einen Herzinfarkt, das war aber mehr als ein Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl.

Stirbt Trump, würde er durch Vize Pence ersetzt – der wäre aber nicht automatisch auch der nächste republikanische Kandidat für die Wahl, das müsste die Partei entscheiden. Was würde dann aus der Wahl, für die schon Wahlzettel mit Trumps Namen gedruckt und in der Stimmen für ihn schon abgegeben wurden? Diese könnte verschoben werden, aber spätestens bis zum 20. Januar 2021, bis dahin muss gewählt werden.

Erholt sich Trump nach zwei Wochen, könnte er nur schwer aufholen

Zweites Szenario: Trump durchlebt Symptome und fällt rund zwei Wochen aus. Die Pandemie wäre durch die Fixierung auf seinen Gesundheitszustand wieder das alles beherrschende Thema -  wodurch auch klar würde, dass Trumps Corona-Verharmlosung falsch war. Seine Versuche der jüngeren Zeit, die öffentliche Debatte auf die Wirtschaft oder den Obersten Gerichtshof zu lenken, wären zum Scheitern verurteilt. Der Präsident, der in Umfragen ohnehin deutlich zurückliegt, könnte schwer aufholen.

Dies auch, weil er unter diesen Umständen seinen Rivalen Biden, 77, nicht mehr wie bisher als schwach und gesundheitlich angeschlagen angreifen könnte. Denkbar wäre vielleicht ein gewisser Mitleidseffekt – aber schon wegen Trumps polarisierender Persönlichkeit halten es selbst seiner Berater laut US-Medienberichten für eher unwahrscheinlich, dass ihm dieser viele zusätzliche Stimmen einbrächte.

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Das für Trump positivste Szenario: Ein milder Krankheitsverlauf

Das für Trump vielleicht positivste Szenario wäre ein milder Krankheitsverlauf, von dem er sich triumphal erholen kann – in Trumps Rhetorik natürlich die „greatest“ Gesundung aller Zeiten. Sein Vorbild dafür wäre Corona-Verharmloser Jair Bolsonaro in Brasilien, der seitdem beliebter ist denn je zuvor. Es gibt aber auch ein Gegenbeispiel – Großbritanniens Premier Boris Johnson erkrankte an Corona, erholte sich, aber sein Image als Pannen-Manager der Pandemie drehte sich dadurch nicht wirklich. Und: Trump hätte nur wenig Zeit vor dem Wahltag am 3. November, um die öffentliche Diskussion wirklich zu drehen.

Seine Erkrankung ist also wohl ein Rückschlag für Trump. Aber die Unsicherheit bleibt auf allen Seiten  groß, das zeigt auch die nervöse Reaktion der Finanzmärkte. Wer will schon noch zuverlässige Prognosen zu einer US-Präsidentschaftswahl wagen? Zur Erinnerung: vor vier Jahren war die „October Surprise“ jenes Video, in dem Trump über Frauen prahlte, er könne sie einfach beim Geschlechtsteil packen. Viele Beobachter sahen danach seine Präsidentschaftskandidatur als gescheitert an, Hillary Clinton lag in zahlreichen Umfragen vorne. Am Ende siegte Trump doch.  

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