Wie wollen wir in Zukunft wohnen? Menschen erzählen von Träumen

Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)
11.02.2022

Plus Im Eigentum, möglichst ungebunden, barrierefrei, auf dem Land oder mit viel Platz? Jeder Mensch hat seine eigenen Wünsche, wie er oder sie in Zukunft wohnen möchte. Fünf von ihnen erzählen hier.

Werdender Vater: „Ein eigenes Haus, das ist mein Traum“

Foto: Jan Woitas, dpa

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Ich wohne mit meiner Frau zur Miete in einer Drei-Zimmer-Wohnung im Westen von München. Wir zahlen für 80 Quadratmeter etwa 1750 Euro warm. Das tut uns schon weh, weil wir anderweitig kaum investieren können. Wir hatten es bei der Wohnungssuche wirklich schwer, etwas zu bekommen, wir mussten deshalb mit allen Preisen einverstanden sein. In München ist der Mietmarkt ohnehin schwierig, es gibt so viele Bewerber. Wir tragen zudem beide ausländische Namen und werden nicht priorisiert für eine Besichtigung eingeladen. Wir haben ein doppeltes Einkommen, aber in München ist die Wohnung trotzdem immer ein großer Kostenfaktor. Das werden wir noch mehr spüren, wenn unser Baby auf die Welt kommt und meine Frau dann in Elternzeit ist. Da überlege ich mir schon, noch einen zusätzlichen Nebenjob anzunehmen. Mal angenommen, Geld würde keine Rolle spielen, dann wäre unser absoluter Traum ein eigenes Haus auf dem Land mit einem kleinen Garten, am liebsten in Stadtnähe. Doch dass sich dieser Wunsch erfüllen wird, ist sehr unrealistisch. Die Grundstücke kosten auf normalem Weg einfach zu viel, vielerorts geht das in den Millionenbereich. Unsere einzige Chance wäre, wenn wir ein Grundstück in meinem Heimatdorf über das Einheimischenprogramm bekommen würden. Wenn wir eine Wohnung oder ein Haus erwerben könnten, dann würde das Geld zumindest bei uns bleiben und nicht im Rachen der Vermieter landen. Göksen A., 35, werdender Vater aus München

Seniorin: „Ich wünsche mir eine Gemeinschaft“

Foto: Alexander Kaya

Ich lebe momentan in einer 50-Quadratmeter-Wohnung, es ist ein Zimmer mit Wohnküche und Garten am Rand eines Ortsteils von Sonthofen im Oberallgäu. Wenn ich irgendwann nicht mehr so gut zu Fuß sein sollte, ist meine größte Sorge die Treppe, die zu meiner Wohnung führt. Spätestens dann muss ich umziehen, wenn ich die Stufen nicht mehr steigen kann. Ich wünsche mir am liebsten eine barrierefreie Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Umfeld, wo es eine Gemeinschaft unter den Bewohnerinnen und Bewohnern gibt, vielleicht sogar mit Garten. Ich würde es wirklich schön finden, zum Beispiel auch mal zusammen Karten zu spielen und sich gemeinsam um einen Gemüsegarten und ein paar Tiere zu kümmern. Ich hätte schon jetzt gerne einen Hund, aber das erlaubt mein Vermieter nicht. Auch wenn ich noch körperlich fit bin, behalte ich seit Längerem die Wohnungsanzeigen im Auge. Ich stelle fest: Die Preise explodieren seit ein bis zwei Jahren geradezu. Ich zahle etwas mehr als sechs Euro für den Quadratmeter, aber jetzt kostet alles mindestens zehn oder elf Euro. Es ist für mich natürlich auch eine Geldfrage. Trotzdem hoffe ich, dass sich mein Wunsch irgendwann erfüllen wird. Ich wäre dafür auch bereit, woanders hinzuziehen, aber am liebsten würde ich im südlichen Oberallgäu bleiben, weil es mir hier so gut gefällt. Betreutes Wohnen ist für mich keine Option. Dafür bin ich einfach noch zu jung und zu fit. Eva B., 66, Seniorin aus Sonthofen

Alleinerziehende: „Platz ist zum großen Luxus geworden“

Foto: Silvio Wyszengrad

Eine Wohnung zu finden, war schwierig, und nur nach langer Suche konnten wir eine moderne und bezahlbare Wohnung beziehen. Dafür bin ich dankbar und glücklich. Als Alleinerziehende steht man in der Kaskade, wen die Vermieter zur Besichtigung einladen, leider weit unten. Man ist mit Kind nicht mehr so flexibel, Wohnung, Arbeitsplatz und Kindergarten dürfen nicht zu weit auseinander liegen. Wir leben in einer Zwei-Zimmer-Wohnung auf dem Land, drei Zimmer sind für mich unbezahlbar. Doch ich erinnere mich gut an die Zeiten, als man noch die freie Auswahl hatte und für jede Größe etwas Bezahlbares finden konnte. Dieses Angebot gibt es heute gar nicht mehr. Das Traurige ist, dass heute fast alle Zwei-Zimmer-Wohnungen für Singles und Paare geschnitten sind. Es gibt meistens einen großen Koch-Ess-Wohnbereich und dann noch ein kleines Schlafzimmer. Mein dreijähriger Sohn und ich bräuchten stattdessen eine große Küche und dazu zwei gleich große Zimmer. Ich vermisse es, dass ich keinen Platz mehr für eine Couch habe. Diese zusätzlichen Quadratmeter sind zum großen Luxus geworden. Wenn das Finanzielle keine Rolle spielen würde, würde ich am liebsten in einer Stadt wie München wohnen. Mit drei bis vier Zimmern und ein bisschen Grünfläche. Als Alleinerziehende fällt es einem dort leichter, Anschluss zu finden. Und man hat auch nicht mehr die weiten Fahrtwege. Karola G., 44, Alleinerziehende aus Karlshuld

Studentin: „Ich lebe im Hier und Jetzt“

Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

Seit etwa eineinhalb Jahren wohne ich mit meinem Freund zur Untermiete bei einer befreundeten Familie in einer eigenen Wohnung in einem Vorort von München. Wir hatten ziemlich viel Glück, dass wir sie gefunden haben und zahlen eine verhältnismäßig geringe Miete. Der Markt in und um München ist wirklich schwierig, auch für Studentinnen und Studenten. Das Schöne ist, dass wir einen sehr großen Garten zur Verfügung haben. Das könnten wir uns auf dem normalen Wohnungsmarkt in dieser Umgebung wahrscheinlich gar nicht leisten. Und auch für unsere beiden Jobs ist unsere Wohnung sehr gut gelegen. Die Frage, wie ich in Zukunft wohnen will, kann ich noch gar nicht so genau beantworten. Ich lebe momentan im Hier und Jetzt und schaue, was sich in den nächsten Jahren entwickeln wird. Ich würde gerne in der Nähe bleiben. Hier gefällt es mir, ich genieße die Nähe zur Natur, zu den Bergen und auch die gute Anbindung in die Stadt München. Viele meiner Freunde wohnen in der Umgebung, hier kenne ich mich aus. Nach meinem Traum und meinen Wünschen gefragt, wie ich am allerliebsten wohnen würde, weiß ich auf Anhieb noch keine konkrete Antwort. Mir würde es aber durchaus gefallen, hier in der Nähe zu bleiben und mir vielleicht irgendwo und irgendwann ein Häuschen hinzustellen. Nur ein Anschluss zur S-Bahn ist mir sehr wichtig. Paula, 26, Studentin aus dem Landkreis München

Seniorin: „Es braucht Wohnungen für Senioren“

Foto: Julian Stratenschulte, dpa

Ich möchte an dieser Stelle unerkannt bleiben und meinen Namen nicht nennen, weil ich mir Sorgen darüber mache, zur Zielscheibe anderer zu werden. Ich lebe seit fast 30 Jahren in einem Reihenhaus in Kaufering. Doch das ist mir mittlerweile zu groß. Das Treppensteigen ist für mich mühselig, auch der Garten macht mir zu viel Arbeit. Seit 2017 schaue ich mich jetzt schon nach einer passenden 65-Quadratmeter-Wohnung um, aber es ist wirklich frustrierend. Ich finde einfach nichts, obwohl ich wirklich vertrauenswürdig bin. Es heißt doch immer, wir Rentner sollen in kleinere Wohnungen ziehen – und das würde ich seit Jahren liebend gerne tun. Aber es werden einfach viel zu wenig Wohnungen für ältere Menschen angeboten. Auch aktive Senioren brauchen im Alter etwas Platz, wir haben Mobiliar und Erinnerungsstücke, an denen wir hängen und die wir gerne auch im Alter behalten würden. Ich stelle fest: Wenn neue Wohnungen gebaut werden, dann sind diese meistens viel zu groß und auf Familien zugeschnitten. Oder sie ähneln Kleinstwohnungen, oft im ländlichen Raum. Ich habe den Eindruck, man will uns Alten nur noch wenig Raum im Stadtbild zugestehen – geschweige denn seniorengerechte Wohnungen anbieten. Viele von uns haben kein Auto und sind auch nicht mehr gut zu Fuß. Aber auch wir sind darauf angewiesen, dass wir gut angebunden sind, dass es öffentliche Verkehrsmittel und es alles für den täglichen Bedarf inklusive ärztlicher Versorgung in der Nähe gibt. Doch viel mehr habe ich das Gefühl, man will uns gar nicht sehen. Wir werden zu „Unsichtbaren“. Seniorin, 67, aus Kaufering

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