i
Foto: Ulrich Wagner (Archivfoto)
Foto: Ulrich Wagner (Archivfoto)

So kennt man das: Menschen, die sich auf Weihnachtsmärkten – unser Foto zeigt den Augsburger Christkindlesmarkt – durch die engen Gassen drängen. In diesem Jahr wird das so nicht möglich sein.

Advent
23.09.2020

Weihnachtsmärkte in Zeiten von Corona – kann das funktionieren?

Von Stephanie Sartor

Die Christkindlesmärkte werden in diesem Jahr wegen der Pandemie völlig anders sein. Womit die Veranstalter zu kämpfen haben, was Markus Söder sagt und ob es Glühwein geben wird.

Für gewöhnlich ist es ein hinreißender Anblick: Wenn sich die Dunkelheit wie ein rabenschwarzer Samtvorhang über die alten Klostermauern legt, beginnt das Schauspiel. Dann leuchten tausende Lichter und Lämpchen, deren Schein sich mit dem heißen Dampf, der aus Glühweintassen in die Nacht wabert, zu einer heimeligen Melange vereint. Der Adventsmarkt auf dem Gelände des Klosters Maria Medingen im Landkreis Dillingen ist etwas für Romantiker – jedenfalls normalerweise. Doch in diesem Jahr ist das mit der Normalität ja so eine Sache.

Man hört Franz Mayr die Enttäuschung an, als er sagt: „In diesem Jahr findet der Adventsmarkt im Kloster definitiv nicht statt.“ In der vergangenen Woche sei die Entscheidung gefallen. „Die Auflagen sind zu viel“, sagt Mayr, der Organisator des Marktes. Ein Einbahnstraßen-Prinzip umzusetzen oder ab einer bestimmten Anzahl von Menschen niemand mehr auf das Gelände zu lassen – wie das hätte funktionieren sollen, weiß Mayr nicht so recht. Was dem Mann außerdem Sorgen gemacht hat: Viele Nonnen, die im Kloster leben, seien über 80 Jahren alt – und gehören damit zur Corona-Risikogruppe. Sollte irgendetwas passieren, eine der Schwestern krank werden, dann könne er das nicht mir seinem Gewissen vereinbaren, sagt Mayr. Die rund 50 Aussteller, denen er die schlechten Nachrichten bereits mitgeteilt hat, hätten Verständnis gezeigt. Er hätte den Markt gerne gemacht, aber nicht unter diesen Umständen, sagt Mayr.

Söder zu Weihnachtsmärkten: Den Alkoholkonsum stark reduzieren

Diese Umstände – sie beschäftigen derzeit Städte und Dörfer im ganzen Land. Wie schafft man es, die Menschen, die sich für gewöhnlich dicht um die Glühweinbuden drängen, vor dem Virus zu schützen? Wie sorgt man dafür, dass die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden? Welche Vorgaben gibt es – und schaffen es die Kommunen überhaupt, sie umzusetzen? Kurzum: Ein Weihnachtsmarkt in Zeiten einer Pandemie – geht das eigentlich?

mehr anzeigen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder findet: Ja, das geht. Er könne sich Weihnachtsmärkte in diesem Jahr trotz Corona-Pandemie vorstellen – mit Maskenpflicht und weniger Alkohol, sagt er vor Kurzem in einem Interview. „Für die Weihnachtsmärkte muss man sich kluge Konzepte überlegen. Man kann beispielsweise Laufwege mit Eingang und Ausgang definieren, man muss mit Maskenpflicht operieren und man wird den Alkoholkonsum stark reduzieren müssen“, meint Söder.

Der Alkohol also. In Augsburg hat man sich bereits überlegt, wie man verhindern kann, dass sich allzu viele Menschen in eine glühweinselige Stimmung trinken – und unvorsichtig werden. „Der Ministerpräsident hat völlig recht: Alkoholkonsum führt zu unerwünschten Verhaltensänderungen, welche die Ausbreitung von Corona begünstigen, insbesondere bei großen Menschenmengen“, sagt Wolfgang Hübschle, Augsburgs Wirtschaftsreferent. „Deshalb setzen wir hier mit einer Reihe von Maßnahmen an.“ So wird es in diesem Jahr keinen Glühweinausschank auf dem Rathausplatz geben. Weil dieser die höchste Besucherfrequenz habe, werden nach Angaben der Stadt alle zehn Glühweinstände im Innenstadtgebiet umverteilt. Der Ausschank dort erfolge in Anlehnung an die Regeln der Gastronomie mit kontrolliertem Zugang und Nachverfolgung, heißt es.

Der Nürnberger Markt wird in diesem Jahr viel dezentraler

Auch auf dem Christkindlesmarkt in Nürnberg – dem berühmtesten in ganz Deutschland – wird sich einiges ändern. Nach Angaben der Stadt wird der Markt dezentraler werden und sich auf mehrere Plätze in der Altstadt verteilen. „Die Marktstände werden daher nicht nur auf dem Hauptmarkt, sondern auf weiteren Plätzen in der Altstadt stehen. Auf diese Weise werden mehr Platz, breitere Budenstraßen und damit mehr Abstand geschaffen“, teilt ein Sprecher der Stadt mit. Dass der Weihnachtsmarkt stattfindet, habe man nie infrage gestellt. „Eine Absage des Christkindlesmarkts stand nicht zur Diskussion“, sagt der Stadtsprecher.

In Wertingen sieht die Sache indes etwas anders aus. Es gebe noch keine finale Entscheidung, sagt Bürgermeister Willy Lehmeier. „Sollte ein Weihnachtsmarkt stattfinden, sicherlich in einem ganz neuen Format. Die beliebte Schlossweihnacht kann unter den Vorgaben leider nicht durchgeführt werden.“ Es müsste – wenn überhaupt – mehr freie Fläche und ein reduziertes Angebot organisiert werden. Das sei aber weder im Schloss noch im Schlossgraben möglich.

Die Vorgaben, von denen Lehmeier spricht, bedeuten in der Tat massive Einschränkungen – für Veranstalter und Gäste. Weihnachtsmärkte seien wie Wochenmärkte und andere Märkte zu behandeln, teilt eine Sprecherin des bayerischen Wirtschaftsministeriums auf Anfrage unserer Redaktion mit. „Es gelten daher die allgemeinen Richtwerte von etwa 200 Teilnehmern, die sich gleichzeitig auf dem Marktgelände befinden dürfen, 20 bis 30 Stände.“ Ferner dürfe es kein Unterhaltungsprogramm geben, Musik dürfe nicht gespielt und Festzelte nicht aufgebaut werden – ein normaler Gastronomiebetrieb bleibe aber zulässig. Und: Natürlich müsse der Veranstalter ein Hygienekonzept ausarbeiten, erklärt die Ministeriumssprecherin. Sollten die genannten Voraussetzungen für den geplanten Markt nicht vorliegen, insbesondere die Größe des Markts überschritten werden, müsse eine Sondergenehmigung bei der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde beantragt werden.

i
Foto: Ralf Lienert (Archivfoto)
Foto: Ralf Lienert (Archivfoto)

Auch die Lindauer Hafenweihnacht wurde abgesagt.

Die Hafenweihnacht wurde bereits abgesagt

Einigen Veranstaltern ist das alles zu viel. Sie haben ihre Weihnachtsmärkte für dieses Jahr bereits abgesagt. In Lindau etwa wird es keine Hafenweihnacht geben. Die Stadt am Bodensee habe verschiedene Alternativen, wie einen entzerrten oder einen kleineren Markt durchgespielt, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Und weiter: „Zum Schluss mussten die Verantwortlichen akzeptieren, dass man mit keiner Alternative den geforderten Corona-Richtlinien nachkommen kann.“ Eine Absage sei deswegen „leider zwingend“.

Lesen Sie auch:

Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.