Auf Kandidaten-Suche: Was ein Kanzler können muss

11.07.2020

In sechs Monaten sind CDU-Vorsitz und Kanzler-Frage in der Union geklärt. Die Kandidaten aber müssen sich noch bemühen. Nur Corona reicht als Thema nicht.

Den Hoffnungsvollen unter den CDU-Mitgliedern liefen wohlige Schauer über den Rücken, als sie zum ersten Mal das Logo der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sahen: Ein Möbiusband hat sich Kanzlerin Angela Merkel dafür ausgesucht. Es sieht aus wie eine liegende Acht und steht symbolisch für Unendlichkeit. Das aber gilt für die Mathematik, nicht für Merkels Kanzlerschaft. Die endet sicher mit dieser Legislaturperiode.

 

Mal abgesehen davon, dass es nach dem Rückzug der einstigen Hoffnungsträgerin Annegret Kramp-Karrenbauer nur Männer sind: Die CDU hat sich mit ihrer frühen Festlegung auf drei Kandidaten für den Parteivorsitz keinen Gefallen getan. Seit die Namen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen im Raum stehen, wirkt die Debatte wie festgetackert. Die drei CDU-Politiker werden vor dem Corona-Hintergrund miteinander verglichen, das engt den Blick auf die notwendigen Fähigkeiten ein, die ein Parteichef haben sollte. Vor allem aber ein Regierungschef, denn die Christdemokraten werden kaum auf ihr Recht des ersten Zugriffs verzichten und einfach so CSU-Chef Markus Söder den Vortritt lassen. Der nächste CDU-Vorsitzende wird mit ziemlicher Sicherheit auch Kanzler.

Kanzler zu sein bedeutet mehr als ein gutes Corona-Krisenmanagement

Die hohen Umfragewerte für Söder allein jedenfalls reichen niemals aus, die große Schwesterpartei zum Verzicht zu bewegen. Alle, auch Söder, wissen, dass diese Werte auf der Corona-Pandemie aufbauen. Sie sind damit so flüchtig wie das Virus selbst. Niemand in Deutschland, auch die CSU nicht, wird zudem ernsthaft behaupten, ein gutes Corona-Krisenmanagement allein befähige zur Leitung einer Regierung. Kanzler zu sein bedeutet einiges mehr.

mehr anzeigen

Insbesondere nach der Präsidentschaftswahl in den USA ist ein sicherer Auftritt auf internationalem Parkett erforderlich, um die Interessen Deutschlands in der Welt abzusichern. Gefragt sind Sprachkenntnisse und diplomatisches Geschick, was zum Beispiel eher für die Transatlantiker Merz und Röttgen sprechen würde. Im Inland müssen schwierige Aufgaben wie die Energiewende, der Bürokratieabbau oder die Digitalisierung gestemmt werden. Da böte sich ein Ministerpräsident wie Laschet an, der Nordrhein-Westfalen durch einige Turbulenzen geführt hat.

Röttgen, Merz, Laschet und Söder haben in sechs Monaten die Chance, Kanzler zu werden

Es ist noch nicht ganz klar, aus welchem der vielen Berliner Hinterzimmer die Variante stammt, nach der Laschet CDU-Vorsitzender wird und Jens Spahn Kanzler von Söders Gnaden. Ziemlich weit hergeholt ist es auf alle Fälle. Wenn Spahn Wort hält, und bislang hat er das stets getan, wird er wie angekündigt an Laschets Seite bleiben. Röttgen lässt durchblicken, er würde als Parteichef Söder den Vortritt als Kanzlerkandidat lassen. Das könnte Röttgens Chancen befördern, wenn der CDU-Vorsitzende vom Volk gewählt würde. Es sind aber die Delegierten des CDU-Parteitags, und die werden ihre Machtoption auf die Regierungsführung nicht so einfach hergeben.

Wer regiert wo? Das sind die deutschen Ministerpräsidenten
zurück
Foto: Peter Kneffel, dpa

CSU-Chef Markus Söder trat sein Amt als Bayerischer Ministerpräsident im März 2018 an.

Foto: Bernhard Weizenegger

Winfried Kretschmer ist seit Mai 2011 Ministerpräsident von Baden-Württemberg und gleichzeitig der erste von den Grünen gestellte Ministerpräsident eines Bundeslandes.

Foto: Oliver Dietze, dpa

Als Ministerpräsident des Saarlandes trat er im März 2018 die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an: Tobias Hans (ebenfalls CDU).

Foto: Wolfgang Kumm, dpa

Malu Dreyer ist seit Januar 2013 Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und führt derzeit gemeinsam mit Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel kommissarisch die SPD.

Foto: Henning Kaiser, dpa

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) trat sein Amt im Juni 2017 an.

Foto: Boris Roessler, dpa

Von den amtierenden Ministerpräsidenten ist er am längsten im Amt: Volker Bouffier (CDU) ist seit August 2010 Hessens Ministerpräsident.

Foto: Martin Schutt, dpa

Er ist der erste Ministerpräsident eines Landes, der der Partei Die Linke angehört: Bodo Ramelow ist seit Dezember 2014 in Thüringen im Amt.

Foto: Hendrik Schmidt, dpa

Ob er Ministerpräsident bleibt, entscheidet sich bei den Landtagswahlen in Sachsen am 1. September: CDU-Spitzenkandidat Michael Kretschmer trat sein Amt im Dezember 2017 an.

Foto: Maurizio Gambarini, dpa

Auch in Brandenburg wird am 1. September gewählt. Dann entscheidet sich, ob Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der seit August 2013 im Amt ist, wiedergewählt wird.

Foto: Britta Pedersen, dpa

Seit Dezember 2014 ist Michael Müller (SPD) Berlins Regierender Bürgermeister.

Foto: Carsten Rehder, dpa

Reiner Haseloff (CDU) trat sein Amt als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt im April 2011 an.

Foto: Holger Hollemann, dpa

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist seit Februar 2013 im Amt.

Foto: Mohssen Assanimoghaddam, dpa

Von allen deutschen Ministerpräsidenten ist er bislang am kürzesten im Amt: Am 15. August 2019 trat Andreas Bovenschulte (SPD) seine Stelle als Bremens Bürgermeister an.

Foto: Markus Scholz, dpa

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist seit Juni 2017 in Deutschlands nördlichstem Bundesland im Amt.

Foto: Axel Heimken, dpa

Seit März 2018 ist Peter Tschentscher (SPD) Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg.

Foto: Rainer Jensen, dpa

Ex-Familienministerin Manuela Schwesig ist seit Juli 2017 Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und führt derzeit gemeinsam mit Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel kommissarisch die SPD.

Röttgen, Merz, Laschet und Söder haben in den nächsten sechs Monaten die Chance, sich mit Themen zu profilieren, die ihnen bisher fernliegen. Das Land braucht keinen Kanzler, der besonders gut gegen Viren kämpfen kann und dafür in Wirtschaft schwach ist oder einen, der ein schönes Englisch spricht, aber innenpolitisch wenig vorzuweisen hat. Ideal wäre ein Regierungschef, der all das auf sich vereint. Oder wenigsten im kommenden Halbjahr zeigt, dass er Willens und in der Lage ist, sich fehlende Fähigkeiten noch anzueignen. Darin sollte der politische Wettbewerb bestehen – und nicht in erbärmlichen Auflistungen darüber, wer bei der zigsten Corona-Talkshow öfter auf dem Sitz umhergerutscht ist.

Lesen Sie dazu auch: Merz, Laschet, Röttgen - oder doch Söder: Wer kann Kanzler?

Mehr zum Thema: 

Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.