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Foto: Philipp von Ditfurth, dpa
Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

An der deutsch-tschechischen Grenze finden mindestens bis 17. März Grenzkontrollen statt. Das Land kämpft mit einer schwierigen Infektionslage.

Corona-Pandemie
06.03.2021

Inzidenz 800 in Tschechien: Wie ist die Lage in der bayerischen Grenzregion?

Von Philipp Wehrmann

Tschechien ist das Land mit der weltweit höchsten Inzidenz. Wie bayerische Grenzregionen damit umgehen und warum sie eine Öffnungsperspektive fordern.

Im Fuchsbau fehlen seit vielen Wochen ungefähr ein Dutzend Kinder. Nur einige Bäume, Felder und nicht einmal zwei Kilometer Entfernung liegen zwischen dem Kindergarten und der deutsch-tschechischen Grenze. Hier kommen deutsche und tschechische Kinder zusammen, auch das Personal stammt aus beiden Ländern. Der Kindergarten der Gemeinde Schirnding befindet sich im oberfränkischen Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge. Die östliche Grenze der Gemeinde entspricht der der Bundesrepublik. In dem Landkreis herrschen seit Monaten hohe Corona-Infektionszahlen. Am Freitag beträgt die Inzidenz dort 315 – nach der nahegelegenen Stadt Hof der höchste Wert in Deutschland.

Doch jenseits der deutschen Grenze, in Tschechien, ist die Lage noch weitaus schlechter. Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation liegt die 7-Tage-Inzidenz dort aktuell bei 812. Kein anderes Land der Welt erfasst so hohe Zahlen. Zwölf Prozent der Tschechen waren den offiziellen Daten zufolge bereits mit dem Coronavirus infiziert, vom Dunkelfeld ganz zu schweigen.

Die Bürgermeisterin bekommt ihre Bürger nicht mehr zu Gesicht

In der Grenzregion ist man sich einig, dass das für die hohen Inzidenzen im Osten Bayerns sorgt – und in jedem Fall ist es der Grund dafür, dass tschechische Mitarbeiter nur noch mit positivem Test nach Deutschland dürfen. Karin Fleischer, die Bürgermeisterin Schirndings, sagt am Telefon, viele Menschen in der Gemeinde belaste die schwierige Infektionslage - allerdings wirke die Zahl von 300 anders als in der Realität. Im 1100-Einwohner-Ort Schirnding etwa gebe es gerade nur einen Corona-Fall. „Aber ehrlich gesagt weiß ich von den meisten nicht, wie sie darüber denken. In Schirnding leben viele alte Menschen, die zurzeit ihr Haus so wenig wie möglich verlassen“, sagt Fleischer.

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Etwa 20 Kilometer entfernt von der Gemeinde, in der Kreisstadt Wunsiedel, laufen die Fäden der Corona-Bekämpfung in dem bayerischen Hotspot zusammen. Gerade hat die Runde aus Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin einen Öffnungsplan für Deutschland beschlossen. Der Landkreis Wunsiedel wird mit seiner 300er-Inzidenz wohl kaum profitieren.

Ein Landrat fordert mehr Impfstoff für Hotspots

Landrat Peter Berek (CSU) kennt Merkel. Vor einigen Wochen setzte er sich in einer Videoschalte von Lokalpolitikern mit der Kanzlerin für die Grenzregionen ein, forderte mehr Impfstoff für besonders stark von Corona betroffene Regionen. Erst erteilte Merkel diesem Vorschlag eine Absage. „Eine Woche später erhielten wir dann doch mehr Impfstoff“, sagt der Landrat des Kreises Wunsiedel.

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Jetzt werde er, gemeinsam mit Politikern ähnlich betroffener Regionen, wieder Druck machen müssen, vermutet er. Während Schulen, Geschäfte, Museen und anderes womöglich bald in vielen der Nachbarlandkreise mit weniger Infektionen öffnen, sind solche Schritte im Kreis Wunsiedel auf absehbare Zeit kaum denkbar, zu weit entfernt ist die Inzidenzmarke 100, von 50 ganz zu schweigen. „Unsere Bürger und Geschäftsleute werden das auf Dauer nicht akzeptieren“, sagt Berek. Gleichzeitig sei er sich sicher, dass viele schlicht in nahegelegene Kreise fahren würden, um die dortigen Freiheiten zu nutzen. Der Druck auf die Kommunalpolitiker werde jetzt steigen – und er würde ihn nach oben weitergeben. „Das ist ein demokratischer Prozess“, sagt Berek.

Bayern und Sachsen bilden eine Covid-19-Allianz

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist bewusst, dass die Landkreisgrenzen Bewohner von Hotspots nicht aufhalten werden. Das sei ein Problem, mit dem man umgehen müsse, sagte er bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Dass Kreise mit einer hohen Inzidenz trotzdem nicht von nennenswerten Öffnungen profitieren, sei das einzig Richtige, betonte er. Und auch Bereks Anliegen, besonders hart von Corona betroffene Gebiete vermehrt mit Impfstoff zu versorgen, unterstützte er.

Sachsen teilt sich wie Bayern eine lange Grenze mit Tschechien. Vor wenigen Tagen trafen sich die Ministerpräsidenten der beiden Freistaaten, Söder und Michael Kretschmer, um ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen. Herausgekommen ist ein Zehn-Punkte-Plan der sogenannten „Covid-19-Allianz“. Die wichtigsten Punkte: Einreisen darf nur, wer einen negativen Test nachweist, Pendler dürfen sich nach der Grenze nur zum Arbeitsplatz und zurück bewegen, Bayern und Sachsen unterstützen Tschechien beim Aufbau von Testzentren und nehmen tschechische Corona-Patienten auf.

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Landrat Berek setzt viel Hoffnung in dieses Vorhaben – nachdem zuvor viel versäumt worden war. Im Januar seien die Grenzen zu Tschechien nach einem Gerichtsurteil komplett offen gewesen, obwohl dort zeitweise eine Inzidenz über 1000 herrschte. „Darunter leiden wir heute noch.“ Am Dienstag hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die stationären Grenzkontrollen an der tschechischen Grenze verlängert.

Ein notwendiger Schritt, findet Berek. Die schwierige Situation in Tschechien mache das erforderlich. „Es ist ohnehin nicht selbstverständlich, dass wir trotz der Lage jenseits der Grenze im kontrollierbaren Bereich bleiben konnten“, fügt er hinzu.

Staatsregierung hält Grenzkontrollen für "leider notwendig"

So sieht das auch die bayerische Staatsregierung. "Die Erfahrungen aus den zurückliegenden Wochen haben uns gezeigt, dass intensive Kontrollen der Regelungen leider notwendig sind", heißt es vom Gesundheitsministerium auf Anfrage unserer Redaktion. Zwischen 14. Februar und 3. März 2021 habe die Bayerische Polizei und die Bundespolizei schon knapp 24.000 Personen an der Grenze zu Tschechien und Österreich zurückgewiesen. Ein Grund dafür sei zum Beispiel gewesen, dass die abgewiesenen Personen keinen gültigen negativen Test vorweisen konnten - obwohl die bestehende Testverpflichtung schon seit langem bekannt sei.

"Es darf nicht fahrlässig riskiert werden, dass Virusvarianten nach Bayern eingetragen werden und das sorgsam geschützte Gesundheitssystem gefährden. Das Virus macht nicht vor Landesgrenzen halt", betont der Ministeriumssprecher. Deshalb habe man schnell auf die Corona-Lage in Tschechien reagieren müssen, um die bayerischen Bürger vor Infektionen durch Mutationen zu schützen.

Auch Landrat Berek hält die Maßnahmen für notwendig. „Es steht viel auf dem Spiel“, sagt er. Es gebe Stimmen in der Bevölkerung, die allein das Nachbarland für die schlechte Situation verantwortlich machten. Das sei Gift für die eigentlich so gut zusammengewachsene Grenzregion. Deshalb müsste Hotspots wie dem Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge mit Impfungen geholfen - und mit Schnelltests eine Öffnungsperspektive gegeben werden, fordert der Landrat.

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