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Foto: Atelier Jochner, Bezirk Schwaben
Foto: Atelier Jochner, Bezirk Schwaben

Das Augsburger Atelier Jochner hat das Abtragen der Wallanlagen anno 1862 festgehalten.

Heimatpflege
29.03.2021

Fotoschätze um das Jahr 1900: So sah Schwaben früher aus

Von Stefan Dosch

Plus Der Band "Leitfaden zur Fotogeschichte Schwabens" macht es sich zu Aufgabe, das Bewusstsein für eindrucksvolle Aufnahmen aus alter Zeit zu entwickeln.

Immer wieder sonntags schulterte Johann Holzmann den Rucksack mit Kamera und Stativ, schwang sich aufs Fahrrad und steuerte hinaus aus seinem Heimatdorf Aichen in die Hügellandschaft der Stauden. Sonntag war der einzige Wochentag, an dem der Landwirt und Käser seiner Leidenschaft nachgehen konnte: dem Fotografieren – damals, in der Zeit um 1900, ein noch ungewöhnliches Privatvergnügen, schon gar auf dem Lande.

So streifte der fotobegeisterte Holzmann zwischen Augsburg und Mindelheim durch das mittlere Schwaben, und da, wo sich sein Blick verfing, pflanzte er das Kamerastativ auf die Straße und lichtete mit seiner Plattenkamera die sonntäglich stillen Felder und Wiesen und die in ihnen ruhenden Dörfer ab.

Schwaben auf Aufnahmen um 1900
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Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Die Ulmer Straße in Augsburg-Kriegshaber.

Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Das Kloster Oberschönenfeld.

Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Schloss Rio Buchloe.

Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Könghausen Lourdesgrotte.

Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Straßberg.

Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Könghausen.

Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Schloss Waal.

Foto: Sammlung Holzmann, Bezirk Schwaben

Schloss in Elmischwang.

Was da im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts an Aufnahmen aus dem mittleren Schwaben entstand, ist ein fotografischer Schatz, der nach dem Tod Holzmanns 1934 für mehrere Jahrzehnte vor sich hin schlummerte. Erst zur Jahrtausendwende gelangte er in die Hände des Augsburger Fotosammlers Franz Häußler, der den historischen Wert der etwa 50 überdauerten Glasnegative erkannte. Mittlerweile sind Holzmanns Aufnahmen eingegangen in das Fotoarchiv der Bezirksheimatpflege Schwaben – und in einer Auswahl im soeben erschienenen „Leitfaden zur Fotogeschichte Schwabens“ zu bestaunen.

Der Band "Leitfaden zur Fotogeschichte Schwabens" ist eine überfällige Publikation

Der von Peter Fassl, bis Ende 2020 Heimatpfleger des Bezirks, herausgegebene Band ist eine längst überfällige Publikation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Bewusstsein für das fotografische Bildgedächtnis Schwabens zu schärfen. Der etwas trockene Begriff „Leitfaden“ verweist dabei auf die Zwitternatur des Bandes. Einerseits liefern die von zwei Dutzend Autoren verfassten Beiträge einen generellen Überblick über die Entwicklung der Fotografie in Bayerisch Schwaben; einigen Akteuren und Aspekten sind auch gesonderte Betrachtungen gewidmet.

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Foto: Johann Holzmann, Bezirk Schwaben
Foto: Johann Holzmann, Bezirk Schwaben

Als Amateurfotograf war Johann Holzmann um 1905 in Mittelschwaben unterwegs (hier in Mickhausen).

Zum anderen ist der Band eine Handreichung mit zahlreichen praxisorientierten Kapiteln, die darauf abzielen, noch nicht erfasste (oder gar noch zu entdeckende) Fotobestände für das Bildgedächtnis Schwabens zu sichern. Wie es sich für eine Publikation zum Thema Fotografie gehört, ist der „Leitfaden“ natürlich gespickt mit historischen Aufnahmen vom Ries bis zu den Allgäuer Bergen.

1839 gilt allgemein als das Geburtsjahr der Fotografie, als in Europa gleich mehrere Tüftler mit ihren Verfahren der „Lichtzeichnung“ (Fotografie) an die Öffentlichkeit traten. Noch im selben Jahr gelang es auch in Augsburg dem Optiker Anton Schwaiger, eine Kamera nach der Methode des Franzosen Daguerre zu konstruieren – Schwaben war also von Anbeginn involviert in die Geschichte der Fotografie.

Es kam neben Augsburg in weiteren Städten Schwabens zu Ateliergründungen

Erste hauptberufliche Fotografen gab es in Augsburg um 1850, und im Verlauf der folgenden zwei, drei Jahrzehnte kam es auch in weiteren Städten Schwabens zu Ateliergründungen, in Dillingen und Oettingen ebenso wie etwa in Kempten oder Memmingen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es allein in Augsburg 19 Studios. Zumeist waren sie spezialisiert auf Porträts, einen Bildtypus, dem lange Zeit auch das bevorzugte Interesse der Amateurfotografen galt. Wichtige lebensgeschichtliche Ereignisse wurden festgehalten, Taufen, Schulabschlüsse, Hochzeiten, aber auch Verstorbene auf dem Totenbett.

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Foto: Ulrich Ammersinn, Bezirk Schwaben
Foto: Ulrich Ammersinn, Bezirk Schwaben

Ulrich Ammersinns Pfeifenraucher-Porträt in Grimoldsried stammt aus den 1930er Jahren.

Dass die frühe Fotografie, zumindest im Amateurbereich, keineswegs nur eine Sache von Männern war, zeigen die Aufnahmen der Autodidaktin Auguste Städele aus Missen im Oberallgäu. In ihnen wird schon das aufkommende (und später sich intensivierende) Interesse an der Dokumentation der immer schneller sich wandelnden (ländlichen) Lebenswelt sichtbar.

Die Wiederentdeckungen von Bildbeständen vergangener Tage

Eng verbunden mit der Fotogeschichte Schwabens sind die (Wieder-)Entdeckungen von Bildbeständen vergangener Tage. Von Johann Holzmann aus Aichen war schon die Rede; ein anderes Beispiel ist das Archiv des Fotohauses Heimhuber in Sonthofen. Dort hatte bereits 1877 Josef Heimhuber ein Atelier eröffnet, das über Generationen hinweg bis heute fortbesteht. Doch erst vor einigen Jahren kam das bildhistorische Archiv der Fotografenfamilie wieder ans Licht – fotografische Zeugnisse unter anderem aus der Zeit des aufkommenden Tourismus im Allgäu im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, mit Landschaftsaufnahmen, die als Grundlage für einen florierenden Postkartenverlag dienten.

Da die historischen Bildträger sich in schlechtem Zustand befanden, wurde dank öffentlicher und privater Mittel eine aufwendige Restaurierung auf den Weg gebracht. Es trifft die Bedeutung dieser Aufnahmen im Kern, wenn dem Projekt, das noch nicht abgeschlossen ist, der Name „Visuelles Gedächtnis Allgäu“ mitgegeben wurde.

Fälle wie das Heimhuber-Archiv zeigen, dass es sich bei den physischen Trägern solcher Bild-„Gedächtnisse“ um ein fragiles Gut handelt – die Heimhuber’schen Glasplatten etwa, vor ihrer Wiederentdeckung in einem Keller gelagert, wurden einst vom Hochwassser in Mitleidenschaft gezogen. Dass vor dergleichen Unbill weitere historische Bestände in Schwaben verschont bleiben, dass Institutionen wie Privatleute sich deshalb in ihre Keller begeben mögen, um dort Schlummerndes hervorzuholen und zu sichern, ist nach Lektüre dieses so kenntnisreichen wie ansprechenden „Leitfadens“ nur zu hoffen. Denn eines betont Herausgeber Fassl: „Mit weiteren, auch größeren Funden ist zu rechnen.“

Peter Fassl (Hg): Leitfaden zur Fotogeschichte Schwabens. Schriftenreihe der Bezirksheimatpflege Schwaben zur Geschichte und Kultur (Bd. 11). Likias Verlag, 216 S., 138 Abb., 24,80 Euro

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