Das Gebirgstraining des Transporthubschrauberregiments bereitet die Soldaten auf extreme Situationen vor – eine Möglichkeit, die nur die alpine Region bietet.
Flackerndes Surren. Fup. Fup. Fup. Wie das Geräusch, wenn hinten im Auto bei schneller Fahrt die Fenster unten sind. In dem Fall dringt das Geräusch aus der offenen Tür eines NH90-Hubschraubers der Bundeswehr. Ein Blick nach oben. Zwanzig Meter lange Rotorblätter kreisen über der Maschine. Der Blick nach unten: die Bayerischen Alpen. Wolken wabern entlang der Gebirgshänge. Einer der Piloten im Cockpit gibt den Bordmechanikern, die an den Türen sitzen, über die Sprechanlage ein Zeichen. Er will landen. Die Mechaniker lehnen sich aus der Öffnung. Der grün bewachsene Fleck neben einem Bergsee wird größer. "Noch einmal", kommt als Anweisung von vorn. Der Hubschrauber steigt auf, ohne vorher zu landen, dreht eine Schleife und fliegt erneut die Stelle an.
Von Zeit zu Zeit ist es nicht selten, dass in den Alpen täglich Hubschrauber der Bundeswehr gesichtet werden. Nicht etwa wegen eines Einsatzes. Das Transporthubschrauberregiment 30 trainiert in den Alpen regelmäßig, um bei Einsätzen wie in Mali oder Afghanistan auf die geografischen Gegebenheiten, aber auch auf die Thermik vorbereitet zu sein. Zurzeit ist das Regiment mit sechs Hubschraubern und 200 Soldaten Teil der Very High Readiness Joint Task Force der Nato.
Einige Stunden zuvor: sechs Uhr unter dem Dach eines der vielen Kasernengebäude in Altenstadt. Piloten und Bordmechaniker sitzen zusammen. An der Wand wird eine Karte projiziert: die alpinen Regionen Allgäu und Oberbayern. Und es stehen Fragen im Raum, mit denen sich die Anwesenden auseinandersetzen müssen: Wie ist das Wetter? Wie die Temperatur? Wie viele Punkte sollen angeflogen werden?
Vom Besprechungsraum auf den Startplatz der Hubschrauber. Zwei NH90-Maschinen stehen nebeneinander auf der eingezäunten Wiese. Zehn Tonnen schwere Kleinriesen, in denen je nach Ausstattung 20 Menschen Platz finden. Auf dem Startfeld steht eine große schwarze Box, durch deren Lautsprecher Musik über das Gelände schallt: "And I think it's gonna be a long, long time. Till touchdown brings me 'round again to find." Elton John. Rocketman. Peter Straub, Oberstleutnant und Pressesprecher der Heeresflieger, stellt sich zu einem der Hubschrauber. "Das gehört dazu", sagt er. Straub informiert gewöhnlich die Landkreise über anstehende Trainingsflüge und macht Bilder für das Bundeswehrregiment. Ihm ist es wichtig, klarzustellen, dass es sich nicht um Schönwetter-Ausflüge handelt.
Er blickt sich um. Seile, die sich von den Spitzen der Rotorblätter zu den Rädern ziehen, werden von weiteren Soldaten abmontiert – sie warten die Maschinen vor dem Abflug. Bordmechaniker, die am Nachmittag fliegen. Wie camouflagefarbene Ameisen laufen die Männer auf dem Feld, steigen in den Hubschrauber oder auf den Hubschrauber. Öffnen Klappen. Inspizieren die Technik. Vor und nach dem Abflug würden die Maschinen überprüft, erklärt Straub. Präzise und ordentlich. So wie die Uniformen sitzen, müssen die Soldaten ihren Hubschrauber vorbereiten. 16 bis 20 Flüge starten dort die Woche.
Die zwei Triebwerke an der linken und rechten Seite des Hubschraubers werden glühend heiß. "Die Faustregel ist, sich zwischen 9 und 3 Uhr zu bewegen", sagt einer der Mechaniker. Hinten solle man aufgrund des Heckrotors nie um einen Hubschrauber gehen. Der Geruch von Kerosin zieht zwischen die Sitze in die Hubschrauberkabine. 1,5 Tonnen Sprit verbraucht die Maschine in den nächsten 2,5 Stunden, um die 4000PS des Motors zu bedienen. Fup. Fup. Fup. Beide Hubschrauber heben ab.
Die Hubschrauber fliegen jeweils zweimal am Tag los. Am Nachmittag fliegt Ronny R. Der 50-jährige Truppenoffizier, macht den Eindruck einer deutschen Hubschrauberversion von Tom Cruise in "Top Gun". Ernster Blick mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Entscheidung, Pilot zu werden, war bei ihm nicht die Folge vieler Jahre Träumereien übers Fliegen. "Ich habe Abitur gemacht, musste dann irgendwann meinen Wehrdienst leisten", erzählt er.
Nachdem er zuerst als Mechaniker für Panzer und Hubschrauber verantwortlich gewesen war, wurde ihm angeboten, die Ausbildung zum Piloten zu machen. Das war 1995. Dafür sei er dann unter anderem nach Amerika. "Damals war das alles noch hemdsärmliger." Simulatoren gab es zu seiner Ausbildungszeit keine. "Mehr real. Mehr Stunden im Hubschrauber." Das sei ohnehin so eine Sache. Denn egal, wie nah ein Simulator ein Szenario wiedergeben kann. In einem Hubschrauber zu sitzen, der den Umwelteinflüssen ausgesetzt ist, sei anders. "Da braucht die künstliche Intelligenz noch ein paar Jahre."
Das zu simulieren ist relativ schwierig – da braucht die KI Jahre noch ein bisschen.
Bei Einsätzen wie zum Beispiel in Afghanistan ist das Regiment dafür verantwortlich, Gebirgsjäger und Truppen in höhere Lagen zu bringen und wieder abzuholen. In den afghanischen Gebirgen bedeutet das, fliegen auf rund 4000 Metern. In Mali hingegen musste das Regiment niedrig fliegen, aber dafür bei hohen Temperaturen. Sowohl die Höhe als auch Hitze beeinflussen die Luft. Sie wird leichter, und der Luftdruck, auf den die Hubschrauber angewiesen sind, sinkt.
Damit schrumpft das maximal zulässige Gewicht, das eine Ladung haben darf. "Wir fliegen hier an der Belastungsgrenze", sagt R. Sein Hubschrauber ist digital, aber im Gebirge müsse er sich ebenfalls auf seine eigenen motorischen und kognitiven Fähigkeiten verlassen. "Da muss man ein Gefühl haben, wir bringen ja nicht jeden zum Gebirgsflieger."
Nur in Teamarbeit kann der NH90 geflogen werden. Das Sichtfeld der Piloten ist beim Landeanflug beschränkt – R. und andere Piloten sind auf die Bordmechaniker angewiesen, die bei offener Tür einschätzen können, wie viele Meter es noch zum Boden sind. Christoph M. ist einer der Mechaniker, die mit Ronny fliegen. In dem dunklen Sichtschutz, der an seinem Helm befestigt ist, spiegeln sich die Rotorblätter, die sich immer schneller drehen. Er ist mit einem Seil und einem Kletterkarabiner im Innenraum des Hubschraubers befestigt – so kann er sich gesichert aus der Tür lehnen.
Die Entfernungen ohne Hilfsgeräte abschätzen können, das sei Erfahrungssache. "Der eine tut sich ein wenig leichter, der andere schwerer." In der Ausbildung zum Bordmechaniker lerne man sich an Hilfszielen zu orientieren. "Eine deutsche Fichte wird 20 bis 25 Meter hoch, wenn wir auf der Höhe der Wipfel sind, kann ich das zum Beispiel als Anhaltspunkt nehmen."
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In den Bergen hängen teilweise dicke Wolken. Gämse und Kühe grasen auf den steilen Bergwiesen. An einem der Gipfelkreuze, an dem der Hubschrauber vorbeifliegt, steht ein Wanderer. Er winkt. M. winkt zurück. "Ich will ein gutes Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit hinterlassen. Viele fühlen sich gestört durch den Lärm, gerade am Berg. Die meisten freuen sich dann, wenn man winkt."
Beschwerden gibt es immer mal wieder über die Übungsflüge. Die kommen bei der Pressestelle der Bundeswehr oder den Gemeinden an. Allerdings seien die meisten Anwohnerinnen und Anwohner entspannt, wenn es um die Übungen geht, sagt Philipp Golka, von der Touristen-Information in Mittenwald. "Grundsätzlich kommt es ja mehrmals im Jahr vor, dass Übungen der ortsansässigen Gebirgsjäger oder anderer Abteilungen der Bundeswehr unter Zuhilfenahme von Hubschraubern bei uns in der Region abgehalten werden."
Über Mittenwald fliegt der Hubschrauber an dem Nachmittag ebenfalls. Und daran vorbei. Ronny R. möchte noch einen weiteren Landepunkt anfliegen. Erst einmal geht es wieder höher. 6000 Fuß – etwa 1800 Meter. An einem Berg soll der Hubschrauber ein letztes Mal für den Tag Probe landen. Christoph M. zieht die Tür auf seiner Seite auf. Aus der Wiese, die wie eine grüne Decke wirkt, ragen vereinzelnd Steine. Ziel ist eine Dreipunktlandung: Alle Räder des Hubschraubers sollen aufkommen und damit stabil stehen.
"Wir fliegen Punkte an da ist dann genau eine Stelle an der man landen kann."
Wie ein Countdown geben er und der zweite Mechaniker die Abstände nach unten durch. "Links 30", "Rechts 30", "Links 20", "Rechts, 20". Während die Zahlen der Bordmechaniker über die Sprechanlage durch die Kopfhörer klingen, sehen die Piloten nur noch die Berge in der Ferne und alles, was sich unmittelbar vor dem Fenster befindet. Ein ähnliches Gefühl, als hätte man ab Halshöhe einen breiten Kragen, der einem die Sicht auf den Oberkörper, Arme, Beine und Füße verwehrt. Zehn, fünf, zwei, ein Meter. Ein Ruck geht durch den Hubschrauber. Auf der linken Seite ist das Rad bereits aufgekommen – früher als gedacht. Die zwei anderen Räder kommen nur Sekunden später auf.
In Altenstadt zurück angekommen steigen die Piloten und Mechaniker aus. Unter ihren Overalls nass geschwitzt, trotz der Kälte in den Bergen – wie eine physische Reaktion darauf, wenn Nerven aufgerieben werden und blank liegen. "Wir fliegen Punkte an, da ist dann genau Platz für einen Hubschrauber", kommentiert M. den letzten Probeanflug. Darum würden viele den Gebirgsflug als Krone sehen. Ronny R. sieht es als Baustein. Für ihn geht es zurück unter das Dach des Kasernengebäudes. Dort muss er ein Protokoll schreiben – auch die Bürokratie gehöre zum Job dazu.