Wer das Craft Bräu in der Mühlstraße kennt, weiß, dass man dort schnell ins Gespräch kommen kann. Künstler, Unternehmer und Segler oder auch Politikerinnen sind dort unterwegs. Talkmasterin Bettina Sandrock hat nicht gezögert und ihre neue Bekanntschaft, die Landtagsabgeordnete Ruth Waldmann (SPD), sogleich zum Craft Talk auf das grüne Sofa in der Bierhalle eingeladen. Im Gespräch ging es um Erfahrungen mit Drogenabhängigen, Probleme im Gesundheitswesen und die TV-Serie Star Trek.
Ruth Waldmann ist seit 2013 Mitglied des Landtags. Dort setzt sie sich, wie sie selbst sagt, als Vorsitzende des Ausschusses für Pflege und Gesundheit und als gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion „für die beste gesundheitliche und pflegerische Versorgung für alle ein – unabhängig von Alter, Wohnort und Einkommen“" Ein Thema, das bei den Zuhörern im gut besuchten Craft Bräu gut ankam.
Ruth Waldmanns Vater leitete das Drogentherapiezentrum in Bischofsried
Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Ruth Waldmann in München und Bischofsried, wo ihr Vater, der Münchner Neurologe und Psychiater Dr. Helmut Waldmann seit 1979 das Drogentherapiezentrum leitete, das bis 2013 bestand. Den Auftrag dafür habe er noch von der Staatsregierung unter Franz Josef Strauß bekommen, als Mitte der 70er-Jahre die Drogenproblematik explodierte, erinnert sich Waldmann. Die Familie wohnte damals im dazugehörigen Bauernhaus. Sie habe sehr viel Zeit mit den „Drogis“ verbracht und viele gut kennengelernt: „Segeln war Teil der Therapie. Im Winter haben wir das Boot hergerichtet und im Sommer sind wir segeln gegangen.“
Im Umgang mit den Drogenabhängigen habe sie erlebt, dass nicht alle Menschen die gleichen Chancen haben. Gut möglich, so die 52-jährige Soziologin und Politikerin, dass sich daraus ihr Faible für soziale Gerechtigkeit entwickelt habe. Ein Schlüsselerlebnis sei wohl auch die Serie „Star Trek“ aus den 60er-Jahren gewesen, über die Waldmann ihre Diplom-Arbeit schrieb: Vieles sei wegen „Star Trek“ erfunden worden, zum Beispiel das Klapp-Handy. Aber das Revolutionäre an der Serie sei nicht gewesen, was sie oben im Weltall spielte, sondern dass eine schwarze Frau als Offizierin auf der Brücke stand. „Der Kuss zwischen Kapitän Kirk und Leutnant Uhura war der erste Kuss zwischen Schwarz und Weiß im amerikanischen Fernsehen. Das wurde in den Südstaaten der 60er-Jahre nicht gesendet“, erinnert sich Waldmann.
Im Gesundheitsbereich arbeiten viel mehr Menschen als in der Automobilindustrie
Was sie nicht gelten lasse, sei die Aussage, „die Politik macht dies, die Politik macht das“. Sie empfinde es als Privileg, in einer freien Gesellschaft zu leben, wo alle sich einbringen können, so die SPD-Politikerin. Als Gesundheitspolitikerin liege ihr der Satz „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“, besonders am Herzen. Gesundheitspolitik sei die zentrale Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. „In der Pandemie haben sich plötzlich ganz viele mit Gesundheitspolitik befasst, die das vorher nie getan haben“. Hier spiele auch beschäftigungspolitisch die Musik. In Sozial- und Gesundheitsberufen seien bundesweit 5,8 Millionen Menschen beschäftigt, in der Autoindustrie gerade mal 800.000.
Ins Detail ging die Politikerin zu Themen wie Krankenhausreform und Pflegenotstand. Grundsätzlich, so Waldmann, müsse man wissen, dass Krankenhausplanung Ländersache sei. "Auch das, was schiefläuft, wenn Krankenhäuser schließen müssen oder nicht genügend Personal haben, ist Ländersache.“ Mit den Ressourcen Arbeitskraft und Personal müsse schonender umgegangen werden. Zum Thema Pflege betonte Waldmann: "80 Prozent der Pflege findet daheim statt. Pflegende Angehörige sind der größte Pflegedienst der Nation. Die müssen wir als Allererstes unterstützen, denn sie entlasten die Gesellschaft enorm."
Ruth Waldmann ist gern im Craft Bräu und segelt gern auf dem Ammersee
Eine Anregung aus der Zuhörerschaft, ein Weiterbildungskonzept für pflegende Angehörige zu entwickeln, damit deren Tätigkeit angemessen entlohnt werden kann, griff Waldmann gerne auf. „Ich werde es mitnehmen.“ Auch Genossenschaften, insbesondere Wohnungs- und Sozial- und Pflegegenossenschaften, so die Politikerin, hätten das Zeug, eine tragende Rolle zu spielen: „Da spielt in Zukunft die Musik."
Abschließend ließ die Politikerin ihre Zuhörer mit viel Humor hinter die Kulissen des Landtags blicken und erinnerte sich an Begegnungen mit den SPD-Genossen Renate Schmidt und Herbert Wehner. Nach Dießen, in ihre kleine Dachwohnung - für die sie Zweitwohnungssteuer bezahle -, an den Tresen im Craft Bräu und natürlich an den Ammersee zum Segeln, komme sie immer wieder gerne zurück, wenn ihr die Arbeit im Landtag und ihr Stimmkreis München-Milbertshofen Zeit dafür lassen.