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Schondorf: Neues Buch von Prof. Mayer-Tasch: Ein Schwabe geht 1902 nach Abessinien

Schondorf

Neues Buch von Prof. Mayer-Tasch: Ein Schwabe geht 1902 nach Abessinien

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    Prof. Dr. Peter Cornelius Mayer-Tasch stellte im Dorfhaus in Schondorf das von ihm und seiner Tochter Marina herausgegebene Buch „Adami Tullu Die Erinnerungen des Deutsch-Äthiopiers Hermann Goetz (1878-1970)“ vor, das die Lebensgeschichte seines nach Abessinien ausgewanderten Großonkels erzählt.
    Prof. Dr. Peter Cornelius Mayer-Tasch stellte im Dorfhaus in Schondorf das von ihm und seiner Tochter Marina herausgegebene Buch „Adami Tullu Die Erinnerungen des Deutsch-Äthiopiers Hermann Goetz (1878-1970)“ vor, das die Lebensgeschichte seines nach Abessinien ausgewanderten Großonkels erzählt. Foto: Adele Ploner

    Bei der jüngsten Veranstaltung des Schondorfer Kreises für Kultur und Landschaftspflege im Dorfhaus ist ein Buch präsentiert worden. Prof. Peter Cornelius Mayer-Tasch stellte unter dem Titel „Adami Tullu“ die Lebenserinnerungen von Hermann Goetz (1878-1970) vor, der als junger Mann nach Äthiopien auswanderte und dort rund 70 Jahre lang lebte. Hermann Goetz war der Großonkel von Mayer-Tasch, der die Memoiren nun zusammen mit seiner Tochter Marina als Buch veröffentlicht hat.

    Um der konservativen Enge des wilhelminischen Kaiserreichs zu entfliehen, wanderte der aus Schwäbisch Gmünd stammende Kaufmannssohn Hermann Goetz 1902 zusammen mit einem Geschäftspartner nach Afrika aus, um dort sein Glück zu machen. Nach monatelanger, abenteuerlicher Reise erreichten die beiden Abessinien, das heutige Äthiopien. Der umtriebige Goetz machte bald die Bekanntschaft des reformorientierten Herrschers, Kaiser Menelik II. (1844-1913). Der war von dem jungen Deutschen offensichtlich angetan. Er stellte ihm ein Grundstück am Ufer des Zway Sees zur Verfügung, auf dem Goetz die burgartige Farm Adami Tullu (Kakteenhügel) errichtete. Diese entwickelte sich zu einem Anziehungspunkt für Einheimische ebenso wie für Auswanderer und Weltenbummler aus allen Ländern.

    Im Abessinienkrieg geriet Hermann Goetz zwischen die Fronten

    Goetz verlor das Anwesen im Zuge des italienischen Abessinienfeldzugs 1935/36. Nachdem der Kaiser vor den Invasoren ins Exil flüchten musste, flammten die Rivalitäten unter den verschiedenen Volksgruppen auf. Dummerweise stand die Farm auf Land, das die Amharen von den Omoro erobert hatten. Letztere nutzten die Wirren der Kriegszeit, um dieses Land wieder zu besetzen, und im Zuge der Kämpfe wurde Adami Tullu niedergebrannt. Goetz musste auf eine Insel im Zway See fliehen. Nach der Vertreibung der italienischen Besatzungsmacht erhielt Goetz sein Land zurück. Er richtete die Farm in einem verlassenen Verwaltungsgebäude am Fuß des Kakteenhügels neu ein, und lebte und arbeitete dort bis an sein Lebensende. 

    Hermann Goetz auf seiner Straußenfarm in Abessinien.
    Hermann Goetz auf seiner Straußenfarm in Abessinien. Foto: Hermann Goetz

    Prof. Mayer-Tasch erzählte bei der Präsentation im Dorfhaus nicht einfach die Geschichte aus dem Buch. In seiner charakteristischen Art würzte er den Vortrag mit Fakten zur Kolonialzeit, persönlichen Anekdoten und Hintergründen zum Herrschafts- und Gesellschaftssystem. Zusammen mit einigen historischen Fotografien aus dem Buch entstand ein lebendiges Bild der äthiopischen Gesellschaft auf dem Weg in die Moderne.

    Wie Hermann Goetz im abessinischen Hofstaat für einen Skandal sorgte

    Dabei hat „Adami Tullu“ nie die hochnäsige Perspektive des weißen Mannes, der sich der indigenen Bevölkerung überlegen fühlt. Im Gegenteil, Hermann Goetz schätzte die Menschen seiner Wahlheimat, deren Sitten und Gebräuche er aufmerksam dokumentierte. Fremd blieb dem Immigranten aber sein Leben lang die unterwürfige Katzbuckelei am Kaiserhof. Mayer-Tasch erzählte dazu eine bezeichnende Anekdote. Bei der Eröffnung eines Krankenhauses begegnete Kaiser Haile Selassie zufällig Goetz, den er bereits kannte. Die beiden begrüßten sich respektvoll per Handschlag und plauderten dann einige Minuten über anstehende Projekte. Für uns eine harmlose Szene, aber für den begleitenden Hofstaat damals ein Skandal. Zu jener Zeit war es nämlich noch üblich, dass sich die Leute bäuchlings zu Boden warfen, wenn der Kaiser vorbeischritt.

    Goetz war ein Mensch ohne Rassen- und Standesdünkel, der sein langes Leben in friedlicher Koexistenz und Freundschaft mit dem äthiopischen Volk verbrachte. So sieht das auch der deutsch-äthiopische Erfolgsautor Asfa-Wossen Asserate („Manieren“), der für „Adami Tullu“ ein Geleitwort geschrieben hat. Er hat den Auswanderer als kleiner Junge kennengelernt und nennt ihn immer noch liebevoll Opa Goetz: „Opa Goetz war nicht der Urtyp eines Kolonialherren, sondern sowohl ein deutscher Patriot, der niemals seine Wurzeln vergessen hat, der gleichzeitig aber auch seine neue Heimat Äthiopien liebte und als ein Ferengi (Ausländer) zum Äthiopier wurde.“ (AZ)

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