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Erbstück-Serie: Hermine und Johann Meiershofer erzählen von den Erfahrungen ihrer Großeltern aus dem ersten Weltkrieg

Dinkelscherben

Zwischen Adel und Gefangenschaft: Erbstücke erinnern an Schicksale aus dem Ersten Weltkrieg

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    Die Vergangenheit ihrer Großmutter faszinieren Hermine Meiershofer.
    Die Vergangenheit ihrer Großmutter faszinieren Hermine Meiershofer. Foto: Marcus Merk

    Ob Kriegsgefangschaft oder Flucht ins Exil, der erste Weltkrieg zog verschiedene Schicksale mit sich. Die Großeltern von Hermine und Johann Meiershofer erlebten jeweils unterschiedliche Geschichten. Doch die Erinnerungen und Erbstücke, die sie hinterließen, halten beide in Ehren. Das Ehepaar lebt gemeinsam auf einem Hof in Saulach bei Dinkelscherben. Auf der Terrasse ihres Hauses erzählt Hermine Meiershofer von dem Leben ihrer Großmutter und zeigt zwei ganz besondere Stücke: ein Poesiealbum sowie ein Kochbuch – beide von Hand geschrieben in feinster Schreibschrift.

    Ein besonderer Lebensweg

    In ihrer Freizeit widmet sie sich intensiv dem Entziffern der alten Schrift, da diese nicht mehr leicht zu lesen ist. Auch wenn Meiershofers Großmutter kurz vor ihrer Geburt verstarb, fasziniert sie ihr Lebensweg. Philomena Reif wuchs auf dem Bauernhof ihrer Familie in Bayersried bei Günzburg auf. Später zog sie nach Augsburg, um an der Hauswirtschaftsschule eine Ausbildung zu absolvieren. Im Jahr 1910 trat sie schließlich eine Stelle bei der Familie von Speidel im Schaezlerpalais an. „Sie hat sich hochgearbeitet und wurde dann zur Gouvernante der Familie“, erzählt Hermine Meiershofer.

    Später zog die Familie nach München, wo Philomena Reif sechzehn Jahre lang an ihrer Seite lebte und arbeitete. Die Familie von Speidel wusste ihre „Mina“ sehr zu schätzen. So schrieb Freifrau Anna von Speidel am 5. Mai 1921: „Sie war mir und meiner Familie durch ihr aufrichtiges, besonnenes Wesen ein Trost in schweren Kriegsjahren und eine Stütze in der darauffolgenden Umsturzzeit.“ Nach dem Ende des Krieges musste die Adelsfamilie von Speidel fliehen. Philomena Reif zog daraufhin aufs Land, wo sie in Saulach ihren späteren Ehemann kennenlernte. Gemeinsam übernahmen sie dort einen Bauernhof. Laut Hermine Meiershofer war das für die ehemalige Gouvernante ein großer Umbruch: „Sie kam von den ganz Großen und Reichen – und hatte dann auf einmal wieder nichts.“

    Vom Adel zurück zum Bauernhof

    Allerdings ließ sich Philomena Reif nicht unterkriegen und lebte stets nach dem Gedicht „Wenn es dir übel geht, nimm es für gut nur immer.“ von Friedrich Rückert, welches von der Fähigkeit, Leid als Chance zu sehen und das Gute in allem zu suchen, handelt. „Wenn jemand was schlechtes gesagt hat, hat sie immer gesagt ‚Ein Wort ist kein Pfeil‘“, sagt Meiershofer. Das Gedicht von Friedrich Rückert steht auch in Reifs Poesie Album, den Eintrag hatte die Baronin Marie von Speidel gemacht. In dem Poesiealbum sind verschiedene Einträge zu finden zum Beispiel von Freundinnen und Verwandten von Philomena Reif.

    Die damalige Schreibschrift ist heute für viele nur noch schwer lesbar. Daher hat Hermine Meiershofer es sich zum Hobby gemacht die alte Schrift im Poesiealbum ihrer Großmutter zu entziffern und neu zuschreiben, bei dem Poesiealbum und dem alten Kochbuch ist sie nun fast durch. Die Rezepte aus dem Kochbuch kann sie nun zwar lesen aber nachgekocht hat sie bisher noch keines. „Heutzutage könnte das niemand mehr nachkochen“, sagt sie. Viele der Anweisung seien inzwischen zu wage. „Früher hat man einfach gewusst was damit gemeint ist“, sagt Meiershofer. Das Kochbuch stammt noch aus der Zeit in München - das wird auch an den Zutaten deutlich: Für die Zubereitung einer Nusstorte sollten 24 Eigelb und anderthalb Pfund Zucker verwendet werden. „Auf dem Land konnte sich so etwas keiner leisten, da wurden die Eier verkauft“, erzählt Meiershofer. Doch die Jahre bei der Adelsfamilie hinterließen auch im späteren Leben von Philomena Reif ihre Spuren. „In Saulach gab es immer besonderes Essen“, berichtete die spätere Verwandtschaft, laut Meiershofer. „Es wurde erzählt, dass mein Vater und seine Schwester immer schick gekleidet waren“, erinnert sie sich. Auch Klavierunterricht haben die beiden Kinder auf Wunsch von Philomena Reif erhalten.

    Andenken aus Kriegsgefangeschaft

    Ehemann Johann Meiershofer hat ebenfalls besondere Erbstücke von seinem Großvater bekommen die an die Zeiten des ersten Weltkrieges erinnern. Sein Großvater Georg Meiershofer wurde 1891 in Monburg geboren und arbeitete als Landwirt. Johann Meiershofer war zehn Jahre alt als sein Großvater starb und erzählt, dass sie ein sehr gutes Verhältnis hatten. Zu seinen wertvollsten Erinnerungsstücken zählen ein selbst geschnitztes Holzkreuz sowie ein Krug. Das Holzkreuz befand sich früher in einer Flasche. „Die Flasche war leider kaputt, als wir das Kreuz gefunden haben“, erzählt Hermine Meiershofer. Heute wird das Kreuz in einer Glasglocke mit Holzfuß aufbewahrt. Über die Zeit der Kriegsgefangenschaft weiß Johann Meiershofer nicht viel, denn über den Krieg wurde nicht gesprochen. Zum Dank seines Dienstes im ersten Weltkrieg erhielt Georg Meiershofer einen Krug. Der Krug zeigt bunte, handbemalte Abbildungen von Militärpersonen in Uniformen sowie Porträts wichtiger Persönlichkeiten wie etwa Kaiser Wilhelm II. König von Preußen oder König Wilhelm II. von Württemberg. Für Johann Meiershofer hat der Krug bis heute noch eine wichtige Bedeutung und ist für ihn ein besonderes Andenken an seinen Großvater: „Mein Großmutter hatte mehrere Krüge und bei dem habe ich, als ich klein war, immer darauf gezeigt und gesagt: Den will ich‘“, sagt Johann Meiershofer

    Der Krug war für Johann Meiershofer schon seit seiner Kindheit ein bedeutendes Andenken an seinen Großvater.
    Der Krug war für Johann Meiershofer schon seit seiner Kindheit ein bedeutendes Andenken an seinen Großvater. Foto: Marcus Merk
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