Anfang Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Entfesselt vom Deutschen Reich, hatte er binnen sechs Jahren weltweit rund 60 Millionen Menschenleben gefordert. Die Redaktion des Augsburger Landboten und der Schwabmünchner Allgemeinen arbeitet zum Kriegsende vor 80 Jahren noch einmal die Erinnerungen der letzten Zeitzeugen auf. In den letzten Kriegsmonaten sollte Auguste Börner aus Gersthofen ihre erste Kommunion feiern. Ihre Mutter machte sich daran, mühsam passende Kleidung zu organisieren. Das gelang. Doch Schuhe waren zunächst nicht aufzutreiben.
„Der Bezugschein dafür nützte nichts, auch betteln nicht. Am Ende lieh mir eine Nachbarin die Halbschuhe ihrer Tochter, aber nur für diesen Tag. Dann war der Festtag da. Wir waren auf dem Weg zur Kirche. Schon bei der Strasserkreuzung hörten wir Sirenen und auch schon Flieger, die bereits ganz tief waren. Wir sprangen alle in den Stadel vom Helmhof, warteten den Spuk ab. Es wurde auf Höhe der Autobahn der Zug Augsburg - Donauwörth beschossen. Als es schließlich Entwarnung gab, konnten wir in die Kirche gehen. Der Pfarrer zählte uns etwa 90 Kinder ab, bevor er mit dem Festgottesdienst begann. Gottlob war der restliche Tag ruhig.
Die Brücken über den Lech waren zerbombt
Es folgten einige Wochen mit Angriffen. Häuser gingen kaputt, die Lech- und die Autobahnbrücke wurden gesprengt und wir verbrachten die meiste Zeit im Keller. Auf einmal kam ein Erwachsener herein und sagte: „Der Amerikaner ist schon in Stettenhofen!“ Alle hatten Angst, ob Augsburg übergeben würde? Von Gersthofen gingen zwei Männer beim Friedhof den Amerikanern entgegen und gaben das Dorf frei. Was folgte, war nicht gerade schön. Das Schulhaus wurde komplett gesperrt für die Verwaltung der Amerikaner, ebenso mussten schöne Häuschen als Wohnstätten geräumt werden. Es gab auch Ausgangssperren, am Anfang durfte man nur drei Stunden pro Tag das Haus verlassen.

Außerdem mussten wir nach dem Anbau der Kartoffeln zum Kartoffelkäfer lesen. Käfer und Larven kamen in ein Glas, die gelben Eiernester mussten wir zerdrücken. Ganz streng wurden die Sammler straßenweise eingesetzt, als die Schule wieder anfing, auch ganze Schulklassen. Aber die Schule: Das Schulhaus stand eben nicht zur Verfügung. Die erste Klasse kam deshalb in den Kindergarten, die zweite Klasse ins Feuerwehrhaus und die dritte und vierte Klasse in die Fabrikschule in den Farbenwerken. Weitere Klassen kamen im Rathaus unter.
Der Schulweg war weit und kalt im Winter 1945/46
Ich war damals in der dritten Klasse und musste etwa ein Jahr lang von der Winterstraße bis zu „Hoechst“ laufen, auch im sehr kalten Winter 45/46 ohne warme Kleidung und ohne ausreichend Essen. Wir mussten auch noch ein Stück Holz oder einige Kohlen zum Heizen des Schulzimmers mitbringen, dabei hatten wir doch zu Hause selbst kaum genug Heizmaterial. Im Sommer hatten wir trotzdem Firmung. Bischof Dr. Kumpfmüller kam zu uns nach St. Jakobus. Meine Patin sollte eigentlich aus Sonthofen kommen. Doch es gab keine Fahrmöglichkeiten. Zudem war das Allgäu von den Franzosen besetzt und auch gesperrt für die amerikanische Zone zu dieser Zeit. So war dann die Patin meistens die Mutter.
Die Notstände gingen weiter - es kamen ja die Vertriebenen und Flüchtlinge. Dabei hatten wir ohnehin schon Wohnungsnot. Die zerbombten Häuser besserten die Menschen einigermaßen aus und zogen ein. Vor dem Hintergrund solch einer Kindheit macht mir die heutige Lage schon Angst!“ (jah)
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