Erleben Sie gerade einen neuen Höhepunkt Ihrer Karriere?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Absolut. Es geht seit einigen Jahren spürbar bergauf. Meine letzten drei Alben waren in den Top 10, die beiden mit neuen Songs sogar in den Top 5. Das hatte ich vorher noch nie. Zwar haben die Charts heute nur noch symbolische und keine quantitative Bedeutung, aber wir Künstler sind eitel - und Platzierungen wie drei oder vier bedeuten uns etwas (lacht). Konzerte haben für die Leute eine immer größere Bedeutung. Die Fans hängen wieder an meinen Lippen. Ich fühle mich verstanden und ernst genommen, auf einer Woge des Verständnisses - das tut meiner Seele richtig gut.
Was ist passiert?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Ich habe seit zehn Jahren erstmals einen Manager, der diesen Namen verdient. Es wurde viel in mich investiert, und jetzt bekomme ich das Forum, das ich brauche. Früher hatte ich entweder Gutmütige, die es nicht konnten, oder Verbrecher. Als Jüngerer hielt ich mich immer für einen missverstandenen Außenseiter. Heute habe ich das Gefühl, ich bin zum Sprachrohr meines Publikums geworden.
Früher bekamen Sie oft den Titel Oberlehrer verpasst. Hat Sie das geärgert?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Schon. „Oberlehrer“ ist eine Frechheit. Das Wort war lange im Umlauf. Heute bin ich eher Pop-Professor oder Pop-Poet. Aber ein Oberlehrer? Das ist doch jemand, der verknöchert ist und den Zeigefinger hebt. Ich war nie ein Oberlehrer, sondern ein Dichter. Ich bin unter meinen deutschen Kollegen vermutlich der am wenigsten erzieherische. Es gibt viele, die mit einem gigantischen Zeigefinger herumfuchteln und den Leuten in ihren Songs vorschreiben, wie sie denken, leben und wählen sollen. Das mache ich nie. Ich bin Musiker geworden, um nicht Lehrer zu sein - auch wenn ich das studiert habe.
„Das sagt der Richtige“ heißt Ihr aktuelles Programm. Im Alltag steht das für „Wer im Glashaus sitzt …“.
HEINZ RUDOLF KUNZE: Ich spiele gern mit solchen Formulierungen. Alle Bedeutungen sind berechtigt, egal, wie sie schimmern und leuchten. Einerseits sitze ich durchaus im Glashaus, in einer exponierten Position. Andererseits bin ich auch nicht der Falsche. „Immer der Richtige“ klingt wie „Gerade der…“. Es spielt mit verschiedenen Bedeutungen. Thommie Bayer (früherer Liedermacher und Buchautor, d. Red.) sagte in den 1980er-Jahren zu mir: „Deine Songs klingen, als würde ein Panzer durchs Zimmer fahren.“ Das hat mir gefallen. Ich mag markige Worte.
2023 haben Sie Ihr 39. Studioalbum „Können vor Lachen“ veröffentlicht. Die dazugehörige Tour war eine der erfolgreichsten Ihrer Karriere. Das zeigt Ihre Schaffenskraft. Wird Ihnen eigentlich mal langweilig?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Ein klares Nein. Bob Dylan will ich mit der Zahl meiner Alben noch einholen, und das könnte mir gelingen. Johnny Cash mit über 100 Alben schaffe ich allerdings nicht mehr.
Sie haben jetzt ein Album mit der Big Band der Bundeswehr veröffentlicht. Orchester in Uniform - das klingt erst einmal steif. Wie war's?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Ich war überrascht, als sie sich meldeten. Viele Musiker dort hören meine Musik privat sehr gern. Schon bei der ersten Probe war ich hin und weg von ihrer musikalischen Qualität. Das sind Spitzenleute auf Weltklasseniveau - und obendrein unglaublich freundlich. Die Uniform ist gewöhnungsbedürftig, aber sie waren begeistert, dass ich mitgemacht habe. Es war ein Hochgenuss. Ich dachte mir: warum eigentlich nicht? Ich hatte nie ein Verhältnis zur Bundeswehr. Ich wurde ausgemustert und musste 1956 nicht einmal verweigern, sondern konnte gleich studieren.
Wie sehen Sie eigentlich die aktuelle Situation in Deutschland? Die Ampelkoalition ist Geschichte. Kann Musik da ein heilender Faktor sein?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Ich glaube schon, dass ich mit meiner Musik und den Dingen, die ich zwischen den Liedern sage, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Das hilft, diese verwirrenden Zeiten leichter zu ertragen. Unsere Demokratie ist bedroht und wird von den Rändern angegriffen. Wir müssen aufpassen, dass die Ränder nicht so breit werden, dass sie die Mitte verdrängen. Das macht mir Angst.
Auch, weil die AfD weiterhin auf dem Vormarsch ist?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Es ist kein spezifisch deutsches Problem. In vielen Demokratien wählen die Menschen zunehmend rechts. Wenn sie Angst um ihre Existenz haben, wählen sie nie links - immer rechts. Das lässt sich nur mit besserer Politik ändern. Man muss die Wünsche und Ängste der Menschen ernster nehmen und darf nicht über ihre Köpfe hinweg regieren. Wir müssen der AfD einige Themen abnehmen.
Wenn Sie einen Song zur aktuellen Lage schreiben müssten, wie würde der Titel lauten?
HEINZ RUDOLF KUNZE: Das weiß ich nicht, weil ich so nie arbeite. Alles, was mir gelingt, fliegt mir zu. Es sind keine programmatisch geplanten Lieder nach dem Motto: „Jetzt schreibe ich mal etwas über dieses oder jenes.“ Die Ampel hat ein schwieriges Erbe angetreten - die Merkel-Jahre waren eine bleierne Zeit. Viele Reformen blieben aus. Die Ampel hätte eine Regierung mit Klasse und Exzellenz sein müssen, leider haben wir das Gegenteil bekommen.
Zur Person
Heinz Rudolf Kunze prägte mit Songs wie „Dein ist mein ganzes Herz“, „Finden Sie Mabel“ und „Lola“ den Soundtrack einer ganzen Generation. Bekannt ist er für seine scharfsinnigen Texte und kraftvollen Rocksongs. Kürzlich betrat der 68-Jährige neues Terrain: Gemeinsam mit der Big Band der Bundeswehr nahm er das Album „Lauschangriff“ auf - die 40. Veröffentlichung seiner Karriere. Aktuell ist Kunze solo unterwegs. Am 10. Januar tritt er in der Gersthofer Stadthalle auf.
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