
Scheidungsanwältin: "Viele sind am Tiefpunkt des Lebens"


Als Anwältin beschäftigt sich Susanne Ehlers mit zerbrochenen Ehen. Warum sie ihre emotionsbeladene Arbeit spannend findet und was ihr bei Mandanten auffällt.
Frau Ehlers, Sie haben sich vor 23 Jahren auf Familienrecht und damit vorwiegend auf Scheidungen spezialisiert. Warum?
Susanne Ehlers: Man hat jeden Tag mit großen Dramen zu tun. Viele meiner Mandanten und Mandantinnen sind in der absoluten Tiefphase ihres Lebens angekommen und befinden sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Ich begleite sie ein paar Monate, teilweise sogar Jahre. Zu sehen, wie sich die Menschen in dieser Zeit entwickeln und sie sich irgendwann wieder auf der Höhe befinden, finde ich spannend.
Das klingt, als ob Sie als Anwältin auch die Arbeit einer Psychologin erfüllen müssten ...
Ehlers: Stimmt. Das Familienrecht ist ein Rechtsgebiet, das emotional sehr beladen ist. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Chemie zwischen meinen Mandanten und mir stimmt. Ich mache das lange genug, um das beim ersten Gespräch heraus zu finden. Wenn es zwischen uns nicht passt, ist es für beide Seite am besten, die Zusammenarbeit zu beenden. Da muss man ehrlich sein.
Vertrauen ist sicherlich unerlässlich ...
Ehlers: Absolut. Es kann auch eine Weile dauern, bis sich ein Mandant oder eine Mandantin öffnet. Dann erfahre ich manchmal von ihnen Dinge, die nicht mal engste Familienmitglieder wissen.
Was denn zum Beispiel?
Ehlers: Das können Alkoholprobleme sein oder die Tatsache, dass ein Kind nicht vom Ehegatten ist.
Sie sprachen vorhin von psychischen Ausnahmesituationen, in denen sich Menschen bei Scheidungen befinden ...
Ehlers: Mir begegnen in den Gesprächen oft auch Menschen, die aus meiner Sicht behandlungsbedürftig sind. Da geht es um psychische Auffälligkeiten, wie Zwangsstörungen, Depressionen oder neurotische Anwandlungen. Oftmals wäre es gut, wenn Familienrechtler auch gleich einen Psychologen im Haus hätten.

Sagen Sie den betreffenden Mandanten, sie sollen zum Psychologen gehen?
Ehlers: Nein, in solchen Fällen versuche ich nur vorsichtig und diplomatisch eine Therapie nahezulegen. Nur, manche erkennen den Bedarf bei sich selbst gar nicht und sind völlig uneinsichtig. Dabei fallen viele bei einer Scheidung in eine depressive Phase. Für sie ist das Leben quasi zu Ende. Gerade sie bräuchten psychologische Hilfe. Sonst besteht die Gefahr, dass sich eine Depression manifestiert.
Wie unterscheiden sich Frauen und Männer bei einer Scheidung?
Ehlers: Frauen sind emotionaler in jeglicher Hinsicht. Sie sind offener und eher bereit, Konsequenzen zu ziehen. Die meisten Trennungen gehen von Frauen aus, weil sie ihre Situation mehr reflektieren.
Denken Männer weniger über ihre Beziehungen nach?
Ehlers: Sie sind konfliktscheuer und registrieren Signale nicht unbedingt. Männer sind dann zutiefst verletzt und geschockt, wenn sich die Frau aus ihrer Sicht plötzlich trennt. Das ist natürlich sehr pauschal formuliert. Aber Männer können sich besser vorstellen, die Ehe-Situation beizubehalten und nebeneinander her zu leben.
Wird bei jeder Scheidung bis aufs Blut gestritten?
Ehlers: Nein, es gibt auch Fälle, in denen sich die Noch-Eheleute einig sind. Sie erscheinen dann sogar zusammen beim Scheidungstermin. Menschen, die extrem streitsüchtig sind, landen jedoch erst gar nicht bei mir.
Wie meinen Sie das?
Ehlers: Es gibt Anwälte, die eher in dem Sinne dieser Mandanten agieren. Die sind dafür auch bekannt. Mit diesen Kollegen ist weder außergerichtlich noch vor Gericht eine Einigung möglich.
Ist so ein Anwalt nicht die bessere Wahl, wenn man sich in einer Scheidungsschlacht befindet?
Ehlers: Ich glaube nicht, dass es von Vorteil ist, jahrelang einen Rechtsstreit zu führen. Bei einer Scheidung verliert jeder. Es gibt keinen Gewinner. Beide Seiten lassen Federn. Deshalb ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll zu sagen, ich weiche keinen Millimeter von meiner Position. Trotzdem schätze ich als Anwältin natürlich ein, was ein guter oder ein schlechter Kompromiss für meinen Mandanten ist. Ist keine gute Lösung in Sicht, scheue auch ich keinen Rechtsstreit.
Dann gibt es sicherlich Kollegen, mit denen Sie nicht so gerne zusammen arbeiten?
Ehlers: Es ist natürlich angenehmer einen Kollegen auf der Gegenseite zu haben, von dem ich weiß, dass man auch am Telefon mal was besprechen kann. Bei bestimmten Kollegen geht das allerdings nicht. Auch das weiß man.
Rappeln sich die Menschen nach einer Scheidung wieder auf?
Ehlers: Ich denke, es sind nur unter ein Prozent, die von einer Trennung einen seelischen Schaden nehmen. Die meisten finden einen neuen Partner. Ihnen geht es wieder gut. Manchmal sehe ich in der Stadt ehemalige Mandanten mit neuen Lebensgefährten. Das ist natürlich schön.
Sie bearbeiten im Jahr 100 bis 150 familienrechtliche Angelegenheiten. Glauben Sie noch an die Institution Ehe?
Ehlers: Aber ja, schließlich bin ich selbst verheiratet. Nächstes Jahr feiern mein Mann und ich Silberhochzeit. In einer Ehe ist es vor allem wichtig, Selbstreflexion zu betreiben und nicht die Schuld dem anderen zu geben. Viele können das nicht.
Die Diskussion ist geschlossen.