
Augsburger Expertin über Donald Trump: Sorge ja, Panik nein


Die Augsburgerin Britta Waldschmidt-Nelson ist eine gefragte USA-Expertin. Sie erklärt, ob man beim Kurs des neuen Präsidenten abwarten oder aufbegehren soll.
Professor Britta Waldschmidt-Nelson, 51, lehrt an der Universität Augsburg seit Oktober 2016 Geschichte des Europäisch-Transatlantischen Kulturraumes. Bevor die Historikerin dem Ruf an die Universität Augsburg folgte, war sie fünf Jahre stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Washington, DC.. Von 1994 bis 2011 lehrte sie amerikanische Geschichte an der LMU München und war Gastdozentin an mehreren europäischen und amerikanischen Universitäten.
Frau Professor, Sie sind mit einem Amerikaner verheiratet. Wie wirkt sich der Streit um den neuen US-Präsidenten Donald Trump in Ihrer Familie aus?
Waldschmidt-Nelson: Die Familie meines Mannes lebt in Kalifornien und wählt eigentlich immer die Republikaner. Für Trump haben die Nelsons aber nicht gestimmt. Mein Mann war ebenfalls früher Republikaner. Seit er in Deutschland ist, erlebt er ein Land mit sozialem Ausgleich, das hat seine politische Einstellung verändert.
Kann man in den USA überhaupt noch über Politik diskutieren?
Waldschmidt-Nelson: Wir haben vor unserer Rückkehr aus den USA letzten Herbst den Wahlkampf drüben noch miterlebt, und er wurde aggressiver denn je geführt. Ein konstruktiver und respektvoller Umgang miteinander ist im politischen Diskurs in den USA fast verloren gegangen.
Gibt es diese Probleme nicht schon seit den 90er Jahren?
Waldschmidt-Nelson: Die politische Spaltung hat in der Tat schon unter Präsident Clinton begonnen und nahm seither ständig zu. Zuletzt haben die Republikaner den demokratischen Präsidenten Obama aus parteipolitischem Kalkül regelrecht bekämpft. Heute gibt es eine tiefe Polarisierung in der amerikanischen Gesellschaft. Trumps Wahlkampf war darauf angelegt, den politischen Gegner zu dämonisieren. Das zeigte sich unter anderem in seiner Forderung, Hillary Clinton ins Gefängnis zu stecken.
„Trumps Kurs ist problematisch“
Sie beschäftigen sich als Historikerin beruflich mit Trump. Was meinen Sie, wie sollten die Deutschen mit dem neuen US-Präsidenten umgehen?
Waldschmidt-Nelson: Trumps Kurs ist sehr problematisch – beispielsweise der geplante Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, die Kündigung des Transpazifischen Freihandelsabkommens TPP, der Einreisestopp für Menschen aus mehreren muslimischen Staaten oder auch seine rassistischen und sexistischen Äußerungen. Es gibt also durchaus Anlass zur Sorge, aber ich warne vor Panikmache wie z.B. Vergleichen mit Hitlerdeutschland. Die Verhältnisse in den USA sind doch wesentlich stabiler als früher in Deutschland in der Weimarer Republik.
Sollten die Deutschen und Europäer gegen Trump aufbegehren oder abwarten, was er weiter unternimmt?
Waldschmidt-Nelson: Es gibt Grundprinzipien unserer westlichen Wertegemeinschaft, zu denen auch die Menschenrechte gehören. Dem Einreisestopp für Muslime, den Trump verhängte, muss man deshalb entschieden widersprechen. Dasselbe gilt, wenn Trump den Freihandel einschränkt. Das wäre ein fataler Rückfall in frühere Zeiten, solch ein Protektionismus würde allen schaden, auch den Amerikanern.

Trump argumentiert, dass er damit viele neue Jobs in den USA schaffen will...
Waldschmidt-Nelson: Es stimmt, dass durch technischen Fortschritt und weltweiten Wettbewerb in den alten Industrien der USA viele Jobs verloren gegangen sind. Aber Schutzzölle schaffen keine neuen Arbeitsplätze. Eine bessere Idee ist sicherlich, die marode Infrastruktur in Amerika zu erneuern, dadurch sind tatsächlich neue Jobs zu erwarten.
Mit Donald Trump sitzt nun ein Populist auf dem amerikanischen Präsidentensessel. Populistische Parteien sind auch in Europa auf dem Vormarsch. Was raten Sie deutschen Politikern?
Waldschmidt-Nelson: Die politischen Eliten in den USA an der Westküste und Ostküste haben Fehler gemacht. Mir ist es ein Anliegen, dass in Deutschland nicht die selben Fehler gemacht werden. Man muss die Bedenken der Menschen ernst nehmen – auch die Ängste vor Überfremdung.
Wird das ausreichen, um den Zulauf zu populistischen Parteien zu bremsen?
Waldschmidt-Nelson: Nein, man muss auch eine aktive Integrationspolitik betreiben, um aufzuklären und Ängste abzubauen. Ich möchte an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Damals lag Westdeutschland in Trümmern und 60 Millionen Westdeutsche haben zwölf Millionen Vertriebene aus dem Osten aufgenommen. Zwar waren das deutsche Staatsbürger, aber für die katholische bayerische Bevölkerung waren die protestantische Ostpreußen auch kulturell fremd. Damals ist die Integration gelungen, und auch wenn die Herausforderungen heute noch größer sein mögen, so denke ich doch, dass 82 Millionen Deutsche eine Million Flüchtlinge verkraften können.
Außerdem können wir angesichts der Überalterung unserer Gesellschaft Zuwanderung gut gebrauchen. Dringend nötig wäre auch ein Immigrationsgesetz, um junge qualifizierte Kräfte ins Land zu holen.
Zurück zu Trump: Sie sind als USA-Expertin bei den Medien gerade sehr gefragt, warum?
Waldschmidt-Nelson: Dass Trump die Präsidentenwahl gewonnen hat, hat viele Deutsche zutiefst erschüttert. Amerika war für uns bislang ein Eckpfeiler der Demokratie. Dieses Vorbild ist nun krachend vom Sockel gefallen. Da gibt es viel Erklärungsbedarf, und so sind Amerika-Historiker und -Historikerinnen, vor allem solche, die sich mit den transatantischen Beziehungen befassen, gefragte Gesprächspartner.
Am Dienstag, 7. Februar, bieten Sie an der Uni Augsburg eine Podiumsdiskussion zum US-Präsidenten an, was erwartet Besucher?
Waldschmidt-Nelson: Es sind noch so viele Fragen offen. Zusammen mit einem Amerikanisten und Politikwissenschaftler wollen wir diese näher beleuchten und diskutieren.
Info: Die Podiumsdiskussion mit Britta Waldschmidt-Nelson findet ab 17.30 Uhr an der Uni Augsburg im Großen Hörsaalzentrum, Hörsaal II statt.
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