„Früher“, das war die Zeit, als Handelsvertreter mit Koffern voller Miniatur-Büromöbeln bei ihren Kunden erschienen, um sie mit den neuesten Ausstattungen aus gediegenem Holz zu verzaubern. Es sind die 1960er-Jahre und Rudolf Notz lässt sich bei der Augsburger Firma „Fichtinger und Seger“ zum Büromaschinen-Mechaniker ausbilden. „Früher“ heißt auch, dass die Schreibarbeit in den Büros von Frauen mit Schreibmaschinen zu Papier gebracht wurden. War die Maschine defekt, kamen die Männer zum Einsatz. Diese Rollenverteilung wird noch einmal deutlich, als Rudolf Notz rund 60 Jahre später Postkarten aus seiner Sammlung vorlegt, die Frauen in ihrer teils frivol dargestellten Bürotätigkeit zeigen - und die heute für Empörung sorgen würden.
Notz ist noch Lehrling, da wird eine sehr reparaturbedürftige Schreibmaschine ins Geschäft gebracht. Sie ist so hinfällig, dass der Kunde sich schließlich eine neue kauft. Der 16-Jährige Notz aber bewahrt die Maschine davor, dass sie im Schrott landet. „In monatelanger Arbeit habe ich die Maschine zerlegt, repariert und wieder zusammengebaut“, sagt er. Dieses Ergebnis hat ihm so viel Freude bereitet, dass er fortan Ausschau hielt nach ähnlichen Kandidaten. Ein schönes Beispiel dafür, dass Erfolg oder Selbstwirksamkeit, wie man es heute auch nennt, dazu führt, sich für eine Sache zu begeistern. Sein Fleiß wird belohnt. Ein paar Jahre nach dem Gesellenbrief besteht Notz 1978 seine Meisterprüfung. War die Gesellenprüfung noch von rein mechanischen Aufgaben geprägt, musste er seine Meisterprüfung bereits an elektrischen Schreibmaschinen durchführen. Schließlich wurde Rudolf Notz Geschäftsführer bei der heute noch bestehenden Firma Max Konz.

Seine Sammlung aus historischen Schreibmaschinen und „Bürotika“ wie Anspitzer, Rechenmaschinen, Scheck-Schreiber, Briefwaagen, Hefter, Tacker und Maschinen mit Phrasenspeicher war so angewachsen, dass er in der Firma Vitrinen aufstellen ließ, in denen er seine Exponate zeigen konnte. Der Phrasenspeicher: Wir kennen den Phrasendrescher, eine Person, die immer das Gleiche sagt. Der Phrasenspeicher in der Schreibmaschine erleichterte die Arbeit, indem er wiederkehrende Satzbausteine speicherte, die abgerufen werden konnten. Der Vorläufer des Computers.
Den Vorläufer der seriellen Schreibmaschine baute 1864 der Österreicher Peter Mittelstädt. „Seine Maschine aus Holz wurde von der Obrigkeit abgelehnt, weil die Angst bestand, dass alle Kanzleischreiber arbeitslos werden könnten“, sagt Notz. Die amerikanische Firma „Remington“ erkannte das Potenzial und entwickelte die ersten Büro-Schreibmaschinen – englisch: Typewriter. Wahrscheinlich ein Grund, warum „der Anteil an deutschen Maschinen bei Sammlern nur bei 20 Prozent liegt. Die meisten kommen aus Nordamerika und England“, sagt Notz.

Entstanden ist die Sammlung auch mithilfe seiner Frau Brigitta. Fündig wurden sie durch berufliche Vernetzung, auf Flohmärkten, Messen und auf speziellen Börsen wie dem Auktionshaus Breker in Köln, ein sehenswerter Fundplatz für technische Antiquitäten. „Bei den Schreibmaschinen ging es mir hauptsächlich um Seltenheit. Sie konnte potthässlich sein, aber wenn es nur wenige davon gab, war sie interessant. Am besten konnte man über den Preis verhandeln, wenn die Maschine Defekte hatte und repariert werden musste“, sagt Notz. Zum Beispiel eine Replika der „Malling-Hansen“, eine sogenannte „Schreibkugel“. Erfunden hat sie der dänische Pastor Rasmus Malling-Hansen. Einer der ersten deutschen Anwender dieser „schönsten jemals gebauten Maschine“, wie Sammler sie nennen, war der Philosoph Friedrich Nietzsche. Eine Maschine, die im Original bei einer Auktion bis zu 50.000 Euro erzielen kann.

Rudolf Notz musste sich, nachdem er in den Ruhestand gegangen war, vom Großteil seiner Sammlung trennen. Sie bestand aus rund 250 Schreibmaschinen und ungezählten weiteren „Bürotika“. Der Grund: Platzmangel. Verschwunden aus unserem Alltagsleben ist auch der Klang der Schreibmaschinen. Wer alt genug ist und noch Büroräume aus den 1970er- und auch noch 1980er-Jahren kennt, erinnert sich an die Geräuschkulissen der klappernden Schreibmaschinen und das „Pling“, wenn der Zeilenrand erreicht war. Rudolf Notz konnte viele verschiedene Fabrikate an ihrem Klang erkennen. Damit trat er 1986 bei Frank Elstners „Wetten, dass…“ auf. Die Jüngeren können auf Youtube nach Leroy Andersons „Typewriter“ suchen. Die Schreibmaschine als Musikinstrument.
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