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Augsburg: Augsburger Zahnarzt wird wegen Schmuggels verurteilt

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Augsburger Zahnarzt wird wegen Schmuggels verurteilt

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    Ein Zahnarzt aus Augsburg musste sich vor einem Schöffengericht verantworten. Der Fall, um den es ging, nahm Ende der 90er-Jahre seinen Anfang.
    Ein Zahnarzt aus Augsburg musste sich vor einem Schöffengericht verantworten. Der Fall, um den es ging, nahm Ende der 90er-Jahre seinen Anfang. Foto: Markus Scholz/dpa (Symbolbild)

    Für den Mann ist der Platz auf der Anklagebank erkennbar eine Pein. Nahezu wortlos folgt der 65-Jährige, Zahnarzt von Beruf, der Verhandlung vor einem Schöffengericht. Mit leichtem Kopfnicken hat er gerade einen Vorwurf der Anklage eingestanden: Die Einfuhr von Zahnersatzteilen aus dem Ausland unter Umgehung des Zolls. Nach Berechnungen der Münchner Zollfahndungsstelle hätte der Zahnarzt dafür 206.228 Euro abführen müssen. Der 65-Jährige ist wegen Schmuggels, aber auch wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Doch was diesen Punkt betrifft wird das Verfahren im Laufe der Verhandlung überraschend eingestellt. Das Steuerrecht ist, wenn es den grenzüberschreitenden Warenverkehr betrifft, manchmal auch für Ermittler zu kompliziert.

    Um die Anklage zu verstehen, muss man viele Jahre zurückgehen. 1999 hatte der Dentist in Augsburg seine bald gutgehende Zahnarztpraxis eröffnet. Daneben tüftelte er mit Erfolg an einer Verbesserung von Zahnimplantaten. Für seine Erfindung, die beim Kauen wie ein Stoßdämpfer wirkt, erhielt er das Patent.

    Prozess am Augsburger Gericht: Schmuggel-Fahrten in Chats nachgewiesen

    Die filigranen Einzelteile für die Prothetik, in Deutschland gefertigt, wurden in den Jahren 2011 bis 2015 nach Bosnien-Herzegowina geliefert und dort zusammengebaut. Alleiniger Gesellschafter der in Sarajevo ansässigen Zwei-Mann-Firma war der Angeklagte. Fahrer von Reisebussen brachten dann die fertigen Produkte wieder zu ihm nach Deutschland. Von wo sie bis auf wenige Ausnahmen an Firmen in Belgien und den Niederlanden weitergeleitet wurden, die auf den Vertrieb von Dentalprodukten spezialisiert sind. Zollfahnder konnten anhand von Chats auf beschlagnahmten Mobiltelefonen 150 solcher Schmuggel-Fahrten nachweisen. Da Bosnien-Herzegowina damals und auch heute noch nicht zur Europäischen Union gehört, sind Einfuhren zollpflichtig.

    Doch hat der Zahnarzt tatsächlich auch Steuern in sechsstelliger Höhe hinterzogen, wie die Anklage behauptet? Erstaunlicherweise nicht, so führt der Münchner Rechtsanwalt Richard Beyer gleich zu Prozessbeginn aus. Da die fertige Prothetik nicht in Deutschland geblieben ist, hätte der Zahnarzt die gezahlte Einfuhrumsatzsteuer sich von belgischen und niederländischen Finanzämtern zurückholen können. Problematisch auch der zweite Vorwurf in der Anklage, wie Staatsanwalt Philip Kramer einräumt. Der Angeklagte hat die Patentrechte gegen eine Lizenzgebühr von 250.000 Euro an einen Geschäftspartner in Belgien abgetreten, den Erlös jedoch nicht versteuert. Musste er nicht, wie der Verteidiger im Prozess ausführt und dabei ein altes Doppelbesteuerungsabkommen mit dem früheren Jugoslawien zitiert, das auch heute noch für die Nachfolgestaaten gilt. Die Belgier hatten den Betrag auf das Firmenkonto des Angeklagten in Sarajevo überwiesen.

    Nach mehreren Beratungspausen endet dann der ursprünglich auf zwei Tage angesetzte Prozess vorzeitig. Der Zahnarzt, der 2017 im Zuge der Ermittlungen seine Praxis verkauft hat, wird wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in 150 Fällen zu 15.000 (300 Tagessätze zu 50 Euro). Der verheiratete Familienvater ist erleichtert. Wie er verrät, hatte er schon damit gerechnet, ins Gefängnis zu müssen. Doch wie Richterin Simone Nißl im Urteil ausführt, bekommt der Angeklagte wegen der langen Verfahrensdauer einen Strafrabatt.

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