
Frau Christian, bald spielen Sie ein Konzert in Diedorf. Ist das ein Heimspiel? Wie eng ist denn Ihr Draht zu Ihrer Heimatstadt Augsburg und der Region?
SARAH CHRISTIAN: Ich bin sehr gerne in Augsburg aufgewachsen, sehr gerne zur Schule gegangen in Maria Stern und hatte eine wahnsinnig gute Zeit. Ich bin zwar schon früh, mit 16 Jahren, nach Salzburg gezogen für mein Musikstudium und hatte den Drang, etwas mehr von der Welt zu sehen. Aber jetzt ist es umso schöner, wieder ganz regelmäßig zurückzukommen und mich in Augsburg heimisch zu fühlen. Ich liebe das Thalia Kino und das Café dazu, und schlendere gerne durch diese Altstadt. Und natürlich lebt hier meine Familie, meine Mutter, die Schwiegereltern, meine Omas. Ich bin hier verwurzelt, ganz klar.
Sie spielen als Geigerin auf den bedeutenden Konzertbühnen in Europa, haben in China, Japan und den USA konzertiert. Jetzt treten sie im Eukitea-Theater auf, mit Sonaten für Geige und Klavier. Welchen Reiz hat für Sie dieses Spiel auf kleinerem Raum, im kleinen Format?
CHRISTIAN: Das ist eine sehr ursprüngliche Form des Konzerts. Werke wie Sonaten hat man früher fast nur sehr intim für geladene Gäste gespielt oder ganz dezidiert für jene, denen die Stücke gewidmet waren. Es war nie so gedacht, dass eine Brahms-Sonate auf einer Riesenbühne gespielt wird. Deswegen finde ich diesen Rahmen wahnsinnig schön. Ich habe letztens Kammermusik in einem Schloss gespielt, der Saal war sehr, sehr klein, das Konzert fand sozusagen im Wohnzimmer statt. Ich habe mich gefühlt wie in einer anderen, vergangenen Zeit – und das ist immer auch ein sehr nahes Erlebnis mit dem Publikum.
Spüren Sie die Stimmung im Publikum intensiver in diesem kleinen Rahmen?
CHRISTIAN: Ich spüre die Stimmung so zumindest schneller. Und was mir auch gefällt: Je kleiner der Raum, desto weiter ins Leise kann ich gehen. Ich spiele gerne laut (lacht), aber in solchen Räumen finde ich es ganz herrlich, zu spüren, welche Klangqualitäten im Leisen entstehen. Es ist also nicht nur so, dass die großen Konzertsäle etwas Besonderes bieten. Nein.
Und so ein Duo-Konzert löst wahrscheinlich auch ein anderes Spielgefühl aus, als wenn Sie ein ganzes Orchester anführen, zum Beispiel als Konzertmeisterin bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen?
Ja, das kann man wirklich nicht vergleichen. Es ist ein anderes Repertoire, eine andere Art, das Instrument zu spielen, eine andere Welt. Als Konzertmeisterin in Bremen lege ich gerade aber ein Sabbatical-Jahr ein. Ich habe dafür eine Stelle in Oslo angenommen und bin dort Konzertmeisterin der Philharmoniker seit dieser Saison.
Warum haben Sie sich für ein Sabbatical entschieden?
CHRISTIAN: Ich habe in Bremen früh angefangen, ich habe schon mit 23 Jahren diese Stelle bekommen und das jetzt auch gute zehn Jahre lang gemacht. Die Erfahrung in Oslo ist noch einmal etwas anderes: Sinfonieorchester, großes Repertoire. Ich muss immer im Lernmodus sein, sonst bin ich nicht so ganz glücklich.
Trotzdem zieht es sie immer wieder nach Schwaben. In Diedorf treten sie jetzt mit der Pianistin Hisako Kawamura auf. Wie haben Sie als Duo zusammengefunden?
CHRISTIAN: Wir haben uns über meinen Mann, Maximilian Hornung, kennengelernter, er spielt als Cellist auch viel mit ihr. Die Musikwelt ist eben sehr, sehr klein, man kennt sich (lacht). Hisako und ich hatten vor einiger Zeit unser erstes, großes, gemeinsames Projekt: Wir haben alle Beethoven-Sonaten gespielt. Erst an einem Wochenende, zehn Sonaten in drei Konzerten, und dann noch einmal fürs Radio, für den SWR, und das hat unglaublich viel Spaß gemacht. Die Arbeit im Duo ist eine unglaublich subtile und sehr, sehr filigrane Beziehung. Man sollte menschlich gut miteinander klarkommen, dann fällt alles leichter. Gleichzeitig muss man sich gegenseitig inspirieren, aber auch die Freiheit haben, man selbst zu sein. Es ist eine sehr komplexe Angelegenheit, wie jede menschliche Beziehung.
Das klingt nach einer intensiven Begegnung mit Beethoven. In Diedorf spielen Sie seine Sonate Opus 96, worin liegt für Sie die besondere Qualität des Werks?
CHRISTIAN: Es ist ein relativ spätes Werk, da ist schon eine unglaubliche Entwicklung in Beethovens Kunst passiert. Die Klanggestaltung ist gar nicht mehr so klassisch, da steckt schon fast ein bisschen Schubert drin und im Scherzo mit Trio wird es richtig wienerisch. Es ist aber auch eine sehr nachdenkliche Sonate, die alle möglichen Stimmungen abdeckt. Natürlich, sehr viele große Komponisten berühren uns, aber Beethoven hat für mich eine sehr besondere Qualität: die Verbindung von kompositorischem Können und Emotionalität. Er ist in seiner Musik für uns so zugänglich wie kaum ein anderer. Es gibt da ja diese Frage unter Musikern: Welche drei Komponisten würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen? Da würde ich auf jeden Fall Beethoven nennen. Als absolute Nummer eins.
Und Johannes Brahms und Béla Bartók? Hätten die eine Chance für die Insel?
Brahms? Ja. (lacht) Ich habe immer wieder Brahms-Phasen, gerade jetzt zum Beispiel. Der Winter, die dunkle Jahreszeit, ist eine Brahms-Zeit für mich. Wir werden das Konzert mit seiner Violinsonate Nr.1 beginnen. Er hat sie in einer schwierigen Lebensphase geschrieben und man merkt ihr etwas besonders Zartes an. Wir haben beim Proben immer wieder festgestellt, wie leise dieses Werk ist. So wie man sich Brahms eigentlich vorstellt, mit Wucht und Schwere, viel Klang und symphonisch, das gibt es fast nicht in dieser Sonate.
Béla Bartók ist dann der Dritte in der Reihe.
CHRISTIAN: Der zeichnet sich durch den Volksmusikcharakter in der Musik aus, den man ja manchmal bei Brahms auch hört. Der dritte Satz nimmt einen mit nach Ungarn, aufs Land. Ich bin ein Fan dieser Farbigkeit, des Rhythmus‘ und der Komplexität der Stimmführung.
So weit ist das neue Jahr noch nicht fortgeschritten: Welche Ziele haben Sie sich denn nach dem Konzert für 2025 gesteckt?
CHRISTIAN: Gerade nehme ich Beethovens Septett auf, das ist für den Jahresbeginn schon eine Aufgabe, weil es ja fast ein Violinkonzert ist. Aber ich freue mich auf alle Projekte, die dieses Jahr bevorstehen. Ich beteilige mich wieder am Augsburger Mozartfest. Zum ersten Mal in meinem Leben spiele ich Mahlers Sinfonie Nr. 3, ein Höhepunkt. Ich bin also gesegnet mit einem schönen Terminkalender.
Zur Person:
Sarah Christian, 1990 in Augsburg geboren, schloss ihr Studium als 20-Jährige am Mozarteum Salzburg mit höchster Auszeichnung ab, studierte danach an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Seit 2013 ist sie Konzertmeisterin der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. 2015 rief Sarah Christian die Kammermusikreihe „Freistil“ beim Mozartfest in Augsburg ins Leben. Jetzt tritt sie am Sonntag, 26. Januar, im Eukitea-Theater in Diedorf auf und spielt dort mit der Pianistin Hisako Kawamura Sonaten von Beethoven, Brahms und Bartók. Konzertbeginn ist um 19 Uhr. Infos unter www.eukitea.de, per E-Mail an tickets@eukitea.de oder unter Telefon 08238/964743-96.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden