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Jubiläum: Bauernkrieg 1525: Weshalb die wegweisenden „Zwölf Artikel“ in Augsburg gedruckt wurden

Jubiläum

Bauernkrieg 1525: Weshalb die wegweisenden „Zwölf Artikel“ in Augsburg gedruckt wurden

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    Der erste der „Zwölf Artikel der Bauernschaft“, die 1525 in Augsburg gedruckt wurden.
    Der erste der „Zwölf Artikel der Bauernschaft“, die 1525 in Augsburg gedruckt wurden. Foto: Bavarikon/Bayerische Staatsbibliothek

    Mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit stellt die im März 1525 erarbeitete programmatische Schrift der aufrührerischen oberschwäbischen Bauern in zwölf Artikeln einen Markstein auf dem Weg zum demokratischen Rechts- und Sozialstaat dar. Trotz der brutalen Niederschlagung der bäuerlichen Empörung werden die „Zwölf Artikel der Bauernschaft“ zu Recht immer wieder, gerade bei Jubiläen, als bedeutendster Vorläufer der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte im deutschen Kulturraum gefeiert.

    Die Anfänge des Aufruhrs in Oberschwaben im Winter 1524/25 lagen in dem nahe bei Ulm gelegene Dorf Baltringen, wo die Klagen der Bauern in der Region über ihre Nöte und ihre Bitten um Änderung ihrer Lage beim Schwäbische Bund, dem Zusammenschluss von geistlichen und weltlichen Fürsten, Adeligen und Reichsstädten, als bedrohlich empfunden wurden. Die Aufnahme von Verhandlungen führte zu hunderten von Beschwerdeschriften. Formuliert wurden die später berühmt gewordenen „Zwölf Artikel der Bauernschaft“ in Memmingen, denn die freie Reichsstadt genoss als früher Mittelpunkt der reformatorischen Bewegung in Oberschwaben einen guten Ruf bei den um ihre Rechte und Ansprüche kämpfenden Bauern.

    Drei große Bauernhaufen berieten über Forderungen

    Dort trafen sich Anfang März die Vertreter der drei großen oberschwäbischen Bauernverbände, der Baltringer, Allgäuer und Bodenseer Haufen, um über einen gemeinsamen Forderungs- und Beschwerdekatalog zu beraten. Er sollte die freie Pfarrerwahl, die Aufhebung der Leibeigenschaft, Reduzierung der Frondienste, Minderung und Abschaffung von Steuern und Abgaben, die Freiheit von Jagd und Fischerei, Recht zur Nutzung der Wälder und Gemeindewiesen sowie die Abschaffung der Belastung des bäuerlichen Erbes enthalten.

    Ausgehend von Beschwerden der Memminger Dörfer entstanden so die „Zwölf Artikel“, die Reformprogramm, Beschwerdeschrift und revolutionäres Manifest zugleich mit der Losung „Wir sind frei und wollen frei sein“ sind. Von großer Bedeutung war, dass damit aus verschiedenen regionalen Klagen, Bitten, Forderungen und einzelnen Beschwerden die Grundlage für eine einheitliche Massenbewegung geschaffen wurde. Für die Erarbeitung eines solchen Programms und erst recht seiner biblischen Begründung mit dem göttlichen Recht waren die Bauern auf die Unterstützung sprachlich und schriftlich versierter Vertreter aus der städtischen Bürgerschaft angewiesen. Die Baltringer Bauern konnten als Schriftführer einen Memminger Handwerker gewinnen, den aus Horb stammender Kürschner Sebastian Lotzer. Er war schon als Autor von fünf reformatorischen Flugschriften hervorgetreten, die alle in Augsburg zwischen 1523 und 1525 erschienen waren. Er gilt als Verfasser der „Zwölf Artikel“.

    Als einzige Programmschrift im Bauernkrieg gedruckt

    Ausschlaggebend für die enorme Breitenwirkung und Sprengkraft der „Zwölf Artikel der Bauernschaft“ war die Tatsache, dass diese Programmschrift als einzige im Bauernkrieg gedruckt wurde. Unmittelbar nach ihrer Abfassung muss in Augsburg der Erstdruck erschienen sein, da die „Zwölf Artikel“ schon am 19. März 1525 in Ulm zum Kauf angeboten wurden und ihr Verkauf in München bereits am 25. März 1525 verboten wurde.

    Das Titelblatt der "Zwölf Artikel der Bauernschaft“, gedruckt 1525 in Augsburg.
    Das Titelblatt der "Zwölf Artikel der Bauernschaft“, gedruckt 1525 in Augsburg. Foto: Bavarikon/Bayerische Staatsbibliothek

    Für die Herausgabe der Schrift mussten sich der Verfasser und die oberschwäbischen Bauern in die nahegelegene Druckerstadt Augsburg wenden, denn in Memmingen existierte damals keine Druckerei. Zwar gab es mit Albrecht Kunne in der Frühdruckzeit eine bedeutenden Drucker in der Stadt, dieser stellte aber 1519 seinen Betrieb ein, nachdem seine Aktivität nach 1500 schon merklich zurückgegangen war. Erst nach über 100 Jahren sollte wieder eine Druckerei in Memmingen ihren Betrieb aufnehmen, im 16. Jahrhundert war es noch keineswegs selbstverständlich, dass es in kleineren Städten eine Druckerwerkstatt gab. Deshalb musste der Memminger Bürger Sebastian Lotzer seine fünf Flugschriften in Augsburg herausbringen, vier davon in der Werkstatt von Melchior Ramminger, dem bedeutendsten Verbreiter von Lutherschriften in der Zeit von 1520 bis 1525 im Süden Deutschlands. Er druckte dann auch die „Zwölf Artikel“, wozu durchaus Mut gehörte, weshalb diese Schrift ohne Angabe des Druckers wie auch ohne die des Verfassers herauskam.

    Noch erfolgreicher als einzelne Schriften Luthers

    Die Umstände führten so dazu, dass die „Zwölf Artikel“ im wichtigsten Druckzentrum reformatorischer und volkssprachlicher Literatur der Zeit überhaupt erschienen. Dies verhalf auch der Programmschrift der Bauern zu einer ungemein raschen und großen Verbreitung. Mit 24 Drucken und insgesamt rund 25.000 Exemplaren wurden die „Zwölf Artikel“ zum erfolgreichsten Text der Reformationszeit überhaupt, noch vor den meistverbreiteten einzelnen Schriften Luthers. Die Verbreitung erfolgreicher Schriften geschah in dieser Zeit nicht durch Neuauflagen der ursprünglichen Erstausgabe, sondern durch Nachdrucke an verschiedenen Orten mit jeweils rund 1000 Exemplaren. Sicher ist aber, dass alle Nachdrucke vom Augsburger Erstdruck abhängen.

    Die einzigartige Wirkung der oberschwäbischen Programmschrift ist auch darauf zurückzuführen, dass in ihrer gedruckten Fassung alle konkreten Bezüge auf Memmingen getilgt sind. Damit konnten sich die aufrührerischen Bauern vom Elsass bis nach Thüringen auf sie berufen. Diese gedruckte, allgemein gehaltene Version trug damit entscheidend dazu bei, dass aus verschiedenen regionalen Aufständen und Empörungen eine einheitliche Bewegung wurde. Man kann soweit gehen zu behaupten, dass erst der Druck der „Zwölf Artikel“ die große, auf gemeinsamen Forderungen und Überzeugungen beruhende Massenbewegung der aufständischen Bauern im Süden des Reichs und damit den „deutschen Bauernkrieg“ als herausragendes Ereignis in der Erinnerungskultur schuf.

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