Jochen Biganzoli hält nicht hinter dem Berg mit dem Eingeständnis, dass ganz am Anfang seiner Überlegungen, wie „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ fürs Staatstheater Augsburg auf die Bühne zu bringen sei, er seine Schwierigkeiten mit der Konzeption gehabt habe. „Brecht‘sche Kapitalismuskritik“, bringt der Regisseur das Thema des Stücks auf den Punkt, das als Gemeinschaftswerk von Bertolt Brecht und Kurt Weill am Ausgang der 1920er Jahre die Form einer Oper erhalten hatte. Nicht, dass Brechts Kritik am Kapitalismus sich als falsch erwiesen habe. Im Gegenteil und schlimmer noch, sagt Biganzoli: „Wir als Gesellschaft haben uns eingerichtet mit den Problemen, die der Kapitalismus schafft.“ Jeder kennt sie, aber es geschieht nichts dagegen.
Biganzoli hat daraus für sich und für sein Inszenierungskonzept die Konsequenz gezogen: Gierige Kapitalisten am Werk zu zeigen, das kann es nicht sein. Zu oft gesehen, zu abgenudelt. Also „kein Bankenviertel“ als szenisches Setting für „Mahagonny“, worauf dann das Publikum wohlig von seinen Sitzplätzen aus blickt. Stattdessen lautet die Devise: ran an die Zuschauer. Buchstäblich „näherrücken“ will der Regisseur die Geschichte der Gründung einer ganz auf Geldflüsse ausgerichteten Stadt. Und ist deshalb auf die Idee verfallen, „Mahagonny“ zumindest in Teilen mitten im Publikum spielen zu lassen. Konsequenterweise verortet Biganzoli die Stadt Mahagonny auch geich um die Ecke, in Augsburg.
„Ein schönes Mittel, um Emotionen zu erzeugen“, findet Biganzoli
In Videoeinspielungen mit Augsburger Lokalkolorit - wie schon in Biganzolis „Faust - Margarethe“-Inszenierung spielt auch diesmal wieder Video eine beträchtliche Rolle in der Aufführung - wird gleich zu Beginn zu sehen sein, wie ein Auto nicht mehr weiter will und die festsitzenden Insassen, ein Ganoventrio, deshalb eine Stadt gründen, was dann überleitet in die Live-Szene im Martinipark. Die Auflösung der herkömmlichen Trennung zwischen Bühne und Publikum, das Auf-die-Pelle-Rücken der Akteure an die Zuhörerschaft, das, findet Biganzoli, „ist ein schönes Mittel im Theater, um Emotionen zu erzeugen“. Ganz im Brecht‘schen Sinne also kein passiv-kulinarisches, sondern ein stimulierendes Theater.
„Nähe“, sagt Jochen Biganzoli, sei das eine Prinzip seiner Inszenierung; das andere, konträre, die „Distanz“. Sie verfolgt der Regisseur dann im weiteren Verlauf der Oper. Vor allem in jenen Passagen, in denen revuehaft die Prinzipien des Kapitalismus seziert werden. Wenn es also heißt: „Erstens, vergeßt nicht, kommt das Fressen“ - und eine der Figuren an Überfressung stirbt. Und auch, wenn es fernerhin ums Boxen geht, um den „Liebesakt“ und um „das Saufen“. Die Vorführung nimmt dann natürlich auch die Bühne des Martiniparks mit ins Spiel, wobei nach Vorstellung Biganzolis bei aller „Distanz“ sich doch die Aufforderung zum Nachdenken mitteilen soll.
„Mahagonny“ hat für den Regisseur alles, was eine Oper braucht
„Mahagonny“, findet Biganzoli, sein ein „exemplarisches Stück“, eines mit scharf kalkuliertem Appellcharakter. Für den Regisseur auch einer der Gründe, weshalb „Mahagonny“, 1930 uraufgeführt, bis heute - und trotz eingängiger Weill-Melodien wie dem „Alabama Song“ - nicht den Stellenwert auf der Beliebtheitsskala hat wie die „Dreigroschenoper“ desselben Autorenduos. Biganzoli jedoch bricht eine Lanze für „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, hat doch das Stück für ihn „alles, was eine Oper braucht“ - eingängige Solonummern ebenso wie markante Chöre und überhaupt jede Menge zündender Musik. In Summe, wie der Regisseur findet, „ein geiles Stück“.
Premiere im Martinipark am Samstag, 25. Januar, 19.30 Uhr. Mit Kate Allen, Sally du Randt, Shin Yeo, Mirko Roschkowski, Wiard Witholt, Avtandil Kaspeli u.a. Die Augsburger Philharmoniker werden geleitet von Ivan Demidov.
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