Zum Seysselschen Schlösschen am Gögginger Klausenberg hat der Augsburger Walter Schliessleder eine besondere Beziehung. Seine Großmutter war über Jahrzehnte lang in der Familie des Edgar Graf von Seyssel d‘Aix Hausdame und Erzieherin. Auch deshalb nahm er sich viel Zeit und zeichnete die Jahrhunderte währende „Reise“ der Seyssel vom kleinen idyllisch im französischen Savoyen gelegenen Rhone-Ort Seyssel bei Aix-les-Bains ins schwäbische Göggingen nach. Immerhin nahm die Seysselsche Dynastie schon seit dem 12. Jahrhundert wichtige Ämter bei den Herzögen von Savoyen, bei den Genfer Bischöfen und später am französischen Hofe ein.
Seine mit viel Dokumenten und Bildern versehene historische Arbeit geht zurück auf das 17. Jahrhundert – denn 1690 begann das Bayerische Kapitel der Seyssel. Damals verließ Pierre Claude Graf von Seyssel die Heimat und wanderte nach Kurbaiern aus. Wohl des Glaubens wegen. Die Seyssel waren sogenannte Hugenotten, calvinistische Protestanten, die immer wieder Verfolgung erleiden mussten. Er und seine Nachfahren machten dann bei den Wittelsbachern im Heer und am Hof Karriere: sogar ein General-Feldmarschall war dabei. Zuletzt amtierte Graf Edgar in der Münchner Residenz als Königlicher Kämmerer und Major im Königlichen Leibregiment.
Borhlöcher wurden zum Grab von Seyssels Hoffnungen
1908 quittierte er „in Ehren“ den Dienst. 1918 zog die Familie von München aus ins zum Verkauf anstehende Schlösschen am Gögginger Klausenberg, wo der Graf 1939 verstarb. So ein richtiger Ruheständler war Graf Edgar aber nie: Er engagierte sich in der Evangelischen Kirchengemeinde und bei den Veteranen. Und er verlor viel Geld durch sein besonderes „Hobby“: Auf seinem Hanggrundstück ließ er mit großem technischen Aufwand nach einer Heilquelle bzw. nach Braunkohle suchen. „Die Bohrlöcher wurden zum Grabe meiner Hoffnungen“, resümierte er später. Ein schlimmes Schicksal musste seine Ehefrau, Gräfin Gertrud, erleiden. Sie entstammte einer jüdischen Familie und trat schon in ihrer Jugend der Evangelischen Kirche bei. Obwohl fast erblindet, wurde sie 1942 ins KZ-Theresienstadt deportiert, konnte dort aber überleben und verstarb 1965.
Geblieben sind von den Seyssel nicht nur Erinnerungen, wie es eine von den Göggingern unmittelbar nach Kriegsende 1945 vorgenommene Straßenbenennung dokumentiert - diese auch als posthume Auszeichnung des Grafen für dessen standhaftes Eintreten gegen die NS-Machthaber. Das Schlösschen mit dem Park und der Biedermeier-Turm sind aber auch äußere Zeichen hierfür, dass sich die Seyssel d‘Aix eingetragen haben ins facettenreiche Buch der neueren Augsburger Historie. Ihre „lange Reise“ hierher – von der Rhone an die Singold - präsentiert auch ein Stück weit die bayerische Landesgeschichte.
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