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Nur Nudeln, Pommes, Nuggets: Was tun, wenn Kinder kaum etwas essen wollen?

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Augsburger Ärztin gibt Tipps: Was tun, wenn Kinder beim Essen sehr wählerisch sind?

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    Pommes, Nuggets, Nudeln ohne Soße. Oft ist das, was Kinder gerne essen, nicht unbedingt das Gesündeste. Doch ab welchem Punkt kann es gesundheitlich bedenklich werden?
    Pommes, Nuggets, Nudeln ohne Soße. Oft ist das, was Kinder gerne essen, nicht unbedingt das Gesündeste. Doch ab welchem Punkt kann es gesundheitlich bedenklich werden? Foto: Tobias Hase, dpa (Symbolbild)

    Wer Kinder hat, der kennt das: Am Besten würde es vielen gefallen, wenn jeden Tag Chicken Nuggets, Pommes und Nudeln ohne Sauce auf den Tisch kämen. Woran liegt es, dass Kinder diese sehr beigen Dinge so mögen und Grünes gerne links liegen lassen?
    SARAH SANT‘UNIONE: Das kann unterschiedliche Ursachen haben und ist ziemlich komplex. Die Farbe spielt aber in gewisser Weise tatsächlich eine Rolle. So sind zum Beispiel die Vorliebe für Süßes und die Abneigung gegen Bitteres angeborene Präferenzen, die individuell verschieden ausgeprägt sein können. Süßer Geschmack und Farblosigkeit sind typischerweise Indiz für ein kaloriendichtes Nahrungsmittel und Kalorienreichtum benötigt das in Wachstum und Entwicklung befindliche Kind. Tatsächlich lässt die Lust auf Süßes typischerweise im Erwachsenenalter nach. Viele Kinder, gerade selektiv essende Kinder, schmecken Bitterstoffverbindungen besonders gut heraus. Wir nennen diese Kinder „Supertaster“. Diese Kinder zeigen eine größere Ablehnung von Gemüse als Kinder, die weniger empfindlich sind. Es scheint zudem eine vererbbare Komponente zu geben: meist berichtet zumindest ein Elternteil, dass er als Kind oder immer noch ebenso wählerisch gegessen habe. Auch der Startpunkt der Beikost scheint Auswirkungen zu haben. So zeigt sich, dass Kinder, die nach dem zehnten Lebensmonat Beikost erhalten haben, variantenärmer gegessen haben als Kinder, die in der sogenannten sensitiven Phase - zwischen dem vierten und fünften Lebensmonat - mit der Beikost begonnen haben

    Wie kann ich meine Kinder an ausgewogene Ernährung jenseits von Nuggets, Pizza und Co. heranführen?
    SANT‘UNIONE: Kinder lernen mit Freude am Modell. Daher bietet es sich an, verschiedene Konsistenzen und Geschmäcker verschiedener Nahrungsmittel schon in der frühen Kindheit auszuprobieren. Hierfür bieten sich gemeinsame Mahlzeiten der Eltern und Kinder an, um genuss- und variantenreiches Essen zu entdecken. Wenn ein Kind ein Nahrungsmittel das erste Mal ablehnt, sollte dies nicht dazu führen, dass die Eltern dem Kind dieses Nahrungsmittel nicht mehr anbieten. Kinder brauchen Wiederholung - und wiederholtes, unaufgeregtes Anbieten verschiedener Lebensmittel ohne Zwang und Druck bewährt sich oft. Auch spielt die Darbietung von Nahrungsmitteln eine wichtige Rolle. Ansprechend angerichtete Speisen verlocken mehr zum Essen.

    Wenn Kinder von Natur aus skeptisch gegenüber neuen Lebensmitteln sind: Wann sollten Eltern dann hellhörig werden und sich an Experten wenden?
    SANT‘UNIONE: Eltern sollten hellhörig werden, wenn Kinder weniger als zehn verschiedene Lebensmittel essen, sich in verschiedenen Lebenskontexten nicht auf das Ausprobieren einlassen, wenn es in der Familie anhaltend Kämpfe und Anspannungen um das Thema Essen gibt, oder wenn Essen oder Füttern nur noch über Ablenkung gelingt. Auch bei ausgeprägten und anhaltenden Ängsten der Kinder, wenn sie bestimmte Lebensmittel riechen oder schmecken, sowie durchgängiges Würgen oder Erbrechen auf Mahlzeiten sollten Eltern besorgt sein und dies mit einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin besprechen.

    Sarah Sant'Unione ist Oberärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Augsburger KJF Klinik Josefinum.
    Sarah Sant'Unione ist Oberärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Augsburger KJF Klinik Josefinum. Foto: KJF Augsburg/Holger Weiss

    In diesem Zusammenhang fallen häufig die Begriffe „Picky Eater“ und „ARFID“. Was ist hier der Unterschied?
    SANT‘UNIONE: Im Gegensatz zu Picky Eating ist ARFID keine Phase in der kindlichen Entwicklung, sondern ein durchgehendes und sich zumeist verstärkendes Störungsbild, das zu deutlichen Beeinträchtigungen im Alltag des Kindes und der Familie führt und kaum beeinflussbar scheint. Kinder mit Picky Eating essen sehr häufig in Schule, Kindergarten oder bei Freunden variantenreicher als zu Hause und wechseln ihre Vorlieben. Das ist bei Kindern mit ARFID zumeist nicht der Fall. ARFID, das häufig auch mit anderen Störungsbildern wie Autismus-Spektrum-Störung, Angststörungen oder einer ADHS vergesellschaftet ist, äußert sich durch drei Hauptkriterien: Desinteresse am Essen, sensorische Empfindlichkeiten und essensbezogene Ängste. Betroffene Kinder sind wenig interessiert am Essen, zeigen wenig Appetit, benennen häufig essensbezogene Ängste und Sorgen wie Angst vor Erbrechen, Ersticken oder Verschlucken. Diese Kinder sind sensorisch oft sehr empfindsam und vermeiden bestimmte Lebensmittel aufgrund von Konsistenz, Textur, Geruch oder Geschmack. Das kann zu einem Nährstoffmangel führen, zu Beeinträchtigungen des Wachstums und psychosozialen Einschränkungen.

    Wie sieht eine Behandlung beziehungsweise Therapie bei ARFID aus?
    SANT‘UNIONE: In unserer KJF Klinik Josefinum werden die Kinder multidisziplinär behandelt, das bedeutet, dass Expertinnen und Experten sowie Fachkräfte verschiedener Bereiche in die Behandlung involviert sind. Hauptziele in der individuellen Behandlung der Essauffälligkeiten sind das Erreichen eines gesunden Zielgewichts, der Ausgleich von Nährstoffmangel durch die Ernährung und den Umgang mit sensorischen Sensitivitäten zu bearbeiten. Elementar wichtig ist auch, dass eine angenehme Essensatmosphäre für alle Beteiligten geschaffen wird, auch in außerfamiliären Essenssituationen.

    Sarah Sant‘Unione ist Oberärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie der KJF Klinik Josefinum in Augsburg.

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