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Foto: Sven Hoppe, dpa (Archiv)
Foto: Sven Hoppe, dpa (Archiv)

Markus Söder im vergangenen Jahr im Schloss Herrenchiemsee, damals bei einer Klimaschutzkonferenz. Nun ist hier Kanzlerin Angela Merkel sein Gast.

Bayerisches Kabinett
13.07.2020

Besuch auf Herrenchiemsee: Wie Markus Söder die Kanzlerin hofiert

Von Uli Bachmeier, Stefan Lange

Plus Wenn Söder am Dienstag Kanzlerin Merkel empfängt, dann mit Kutschfahrt und im Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee. Was ist dran an der neuen Harmonie zwischen beiden?

Vielleicht ginge es ja auch ein bisserl bescheidener. Vielleicht wäre ja auch der lichtdurchflutete Große Saal in Schloss Schleißheim angemessen gewesen? Oder der prunkvolle Kaisersaal oder das schmuckvolle Antiquarium in der Münchner Residenz? Nein! In diesem Fall führt Markus Söder persönlich Regie. Und da wird gleich richtig geklotzt. Der Spiegelsaal auf Schloss Herrenchiemsee muss es sein. In dem 75 Meter langen Raum, wo sich einst der bayerische Märchenkönig Ludwig II. seine selbst gewählte Einsamkeit zwischen kiloweise Blattgold und 23 Spiegeln von 1848 Kerzen erhellen ließ, wird der Ministerpräsident am Dienstag die deutsche Bundeskanzlerin als Ehrengast bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts willkommen heißen.

Das, sagen die Spötter, würde nicht einmal Armin Laschet schaffen

Alles ist vorbereitet. Zwei Schiffe für die Überfahrt. Eine Kutsche für den Weg von der Anlegestelle zum Schloss. Und sogar der Wetterbericht verheißt – zumindest für den Vormittag – einen ungetrübten Blick unter weiß-blauem Himmel über den See in die Berge. Mehr Mir-san-mir geht fast nicht. Und im Landtag wurde vergangene Woche schon mächtig viel darüber gelästert, dass kein anderer Ministerpräsident in Deutschland da mithalten könne – auch nicht Armin Laschet (CDU) in Nordrhein-Westfalen, der Merkel angeblich auch gleich eingeladen hat, nachdem er von ihrem Ausflug nach Bayern erfahren hatte. „Der Laschet“ müsse doch, so gifteten Spötter, erst einmal einen Kohletagebau mit Wasser volllaufen lassen, um einen richtigen See anbieten zu können. Und dann fehlte es immer noch am Rest: keine Insel, kein Schloss, keine Berge, kein Märchenkönig, kein Mythos. So viel zur Symbolik.

Im wahren Leben gibt Söder die Richtung noch lange nicht vor, er muss der Kanzlerin erst noch beweisen, dass er als Politiker ein ganzer Kerl ist. Grundsätzlich sind Merkel Männer fremd, die gerne so auftreten, als ob ihnen die ganze Welt gehört. Sie mag eher die stillen, ziselierten Typen. Den französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron etwa oder den ebenso feinsinnigen wie fein gekleideten indischen Premier Narendra Modi. Söder hingegen tritt in Berlin oft hemdsärmelig auf, gerne auch mit Strickjacke. Die trägt er dann zwar unterm Jackett, aber sie wird Merkel unliebsam an Helmut Kohl erinnern, dessen „Politik mit der Strickjacke“ ihr heftig zu schaffen machte.

Söder hat in der Corona-Krise erkannt, dass gegen Merkel nichts geht

So wie Merkel Kohls Sticheleien nicht vergessen hat, sind ihr auch die ewigen Querschüsse der CSU immer präsent. Die maximale Demütigung erfuhr die Kanzlerin im November 2015 auf dem CSU-Parteitag in München. Der damalige CSU-Vorsitzende Horst Seehofer ließ sie eine gefühlte Ewigkeit wie ein Schulkind neben sich stehen und maßregelte derweil ihre Flüchtlingspolitik. Merkel verschränkte die Arme, vergrub sich praktisch in sich selber und wahrte nur mühsam die Fassung. Seitdem ist ihr Verhältnis zur Schwesterpartei von tiefem Misstrauen geprägt. Das gilt nicht nur für die Beziehung zu Seehofer, sondern zu allen CSU-Politikern, die ihrem Chef damals beisprangen und die Flüchtlingskrise mit Attacken auf die Regierungschefin ebenfalls zur eigenen Profilierung zu nutzen versuchten. Also auch für Markus Söder.

Söder haute im Herbst 2015 zwar nicht so derbe drauf wie Seehofer, zu den Mediatoren gehörte er aber auch nicht. In der Corona-Krise hat Söder nun erkannt, dass gegen Merkel nichts geht. Bei seinen Auftritten in Berlin kuschelt er sich förmlich an die Kanzlerin heran, macht sich körperlich möglichst klein, um Merkel anschließend mit einem bewundernden Augenaufschlag Tribut zu zollen. Oft redet er Merkel mit „liebe Frau Bundeskanzlerin“ an, wo ein einfaches „die Kanzlerin“ oder „Frau Merkel“ auch gereicht hätte. Besonders authentisch wirkt das alles nicht, eher etwas hilflos bemüht. Beobachter fühlen sich an die Zeiten erinnert, als Merkel mit zunächst ungelenken Schritten in die Bundespolitik durchstartete.

Schon zu Beginn seiner Amtszeit als Ministerpräsident und Parteichef hatte sich Söder vorgenommen, öfter nach Berlin zu reisen. Er wollte seine CSU-Bundestagsabgeordneten besser in den Griff bekommen, die unter Seehofer ein zusehends unkontrolliertes Eigenleben geführt hatten. Wegen der Corona-Pandemie ist er jetzt noch öfter in der Hauptstadt, bedingt durch die vielen Treffen der Bundeskanzlerin mit der Ministerpräsidentenkonferenz, die seit Oktober von Söder geleitet wird. Das Virus gebietet zwar Abstand, bei öffentlichen Auftritten versucht Söder trotzdem, möglichst dicht an die Kanzlerin heranzukommen. Möglichst viel von ihrem Licht soll auch auf ihn fallen.

Manchmal bekommt Söder Merkels ironisches Lächeln auch direkt zu spüren

Merkel quittiert das meist mit einem Lächeln, das zwar fein wirkt, in Wahrheit aber die Höchststrafe ausdrückt. Sie bekommt einen leicht ironisch wirkenden Gesichtsausdruck, mit dem sie Männer bedenkt (und fast nie Frauen), die aus ihrer Sicht den Mund zu voll genommen haben. Manchmal bekommt Söder es direkt zu spüren. Bei einer der vielen Corona-Pressekonferenzen im Kanzleramt räumte Söder auf Journalisten-Nachfrage eilfertig ein, die Corona-Warn-App nicht nur schon installiert, sondern während der Sitzung mit den Länderkollegen auch mehrfach draufgeschaut zu haben. Merkel warf süffisant dazwischen: „Obwohl er der Vorsitzende ist und eigentlich ganz Auge und Ohr sein sollte.“ Bei anderer Gelegenheit hatte sie Söders Werbung für einen Urlaub in Bayern mit den Worten gekontert, dass es im Norden ja auch ganz schön sei. Kleine Nickeligkeiten sind das nur, aber bei anderen würde Merkel selbst solche nicht anbringen. Undenkbar etwa, dass sie sich über ihren langjährigen politischen Weggefährten Peter Altmaier öffentlich derart lustig machen würde.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)
Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

Markus Söder und Kanzlerin Angela Merkel sowie Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher halten Abstand während einer Pressekonferenz in Berlin Ende April.

Was aber nicht bedeutet, dass Merkel den Bayern schon abgeschrieben hätte. Würde sie in Söder nicht eine Chance für die Union sehen, hätte sie sich schon längst öffentlich auf die Seite von Armin Laschet stellen können – so, wie sie es bei Annegret Kramp-Karrenbauer tat, die sie gerne als Nachfolgerin gesehen hätte. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Kandidat für den CDU-Vorsitz wäre damit im Parteiamt praktisch schon gewählt und hätte allerbeste Chancen, nächster Kanzler in Deutschland zu werden.

Doch Merkel hat in Söder auch Tugenden erkannt, die ihr selbst einst an die Spitze verhalfen: Fleiß, ein unbändiger Ehrgeiz, eine harte Hand und der unbedingte Wille zur Macht. Womöglich schwant ihr, dass Söder der am besten geeignete Mann wäre, um ihr politisches Vermächtnis zu verwalten.

Sehr wahrscheinlich ist, dass er das auch von sich selbst denkt. Zwar nicht unbedingt als nächster Bundeskanzler. Er dementiert bekanntlich beharrlich alle Ambitionen auf eine Kandidatur. Aber zumindest als Erster unter den Kurfürsten. So wie die mächtigen Feudalherren einst entschieden, wer der nächste Kaiser sein wird, so will Söder ein gewichtiges Wort in der Bundespolitik mitreden – und zwar dauerhaft.

Die Voraussetzungen dafür sind aktuell bestens. Die CSU hat sich ihm nach all den Jahren des Streits an der Spitze komplett unterworfen. In Bayern regiert er unangefochten. Er kann sogar wieder auf eine absolute Mehrheit im Landtag hoffen. In Umfragen überflügelt er alle außer Merkel. Und solange er nicht selbst seinen Hut für eine Kanzlerkandidatur in den Ring wirft, muss sich jeder andere Kandidat um seine Unterstützung bemühen.

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Obendrein weiß Söder genau, dass die Umfragen über die persönlichen Beliebtheitswerte nur Momentaufnahmen sind. Grundlegender als die Frage, ob er, Armin Laschet oder Friedrich Merz der Deutschen liebster Kanzler wäre, ist die Frage nach der Parteipräferenz. Und da sieht es halt aktuell nun mal so aus, dass die SPD in einem Tief steckt, also offenkundig chancenlos ist, und dass viele Bürger sich zwar die Grünen in einer Regierung wünschen oder wenigstens gut vorstellen können, aber deshalb noch lange keinen grünen Kanzler wollen. Da bleibt, Stand jetzt, nur die Union.

Daraus wiederum folgt beinahe zwingend: Sobald die CDU am 4. Dezember einen neuen Parteichef gewählt hat und sich danach nichts völlig Unvorhergesehenes ereignet, wird dieser neue Parteichef auch den Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben. Weder Laschet und schon gar nicht Friedrich Merz würden sich diese Chance nehmen lassen. Eine realistische Möglichkeit für den CSU-Vorsitzenden, als Kanzlerkandidat zum Zuge zu kommen, gäbe es überhaupt nur dann, wenn der neue CDU-Chef als Person eine ähnlich schwache Performance hinlegen würde wie zuletzt Annegret Kramp-Karrenbauer. Kurz gesagt: Die CDU müsste überzeugt sein, nur mit Söder gewinnen zu können.

Söder wird nicht den Fehler seiner Vorgänger machen

Doch selbst das würde Söder vermutlich noch nicht dazu bringen, den sicheren Platz in Bayern aufzugeben und das Risiko einer Kandidatur einzugehen. In der Strategie-Abteilung der CSU hat man nicht vergessen, wie es dereinst Franz Josef Strauß (1980) und Edmund Stoiber (2002) erging. Da gab es Gegenden in Deutschland, in denen die CDU den CSU-Kandidaten nicht einmal plakatierte. Um sicher sein zu können, dass es dieses Mal anders ist, so sagt ein alter CSU-Wahlkämpfer, müssten schon ganze Pilgerscharen aus der Führungsriege der CDU nach München ziehen und heilige Eide schwören, dass sie tatsächlich hinter Söder stehen und alles für den Wahlsieg tun werden.

Ochsensepp bis Markus Söder: Die Vorsitzenden der CSU
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Foto: Ludwig Hamberger (Archiv)

Josef Müller war der erste Landesvorsitzende der CSU und Mitbegründer der Partei. Er wurde "Ochsensepp" genannt, weil er in seiner Zeit am Ottonanium als Fuhrknecht arbeitete.

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Er war an der Bayerischen Verfassungsgebung beteiligt und unter seiner Führung festigten die Beamtenkabinette nach dem zweiten Weltkrieg den bayerischen Staat: Hans Ehard (Mitte).

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Hanns Seidel engagierte sich für den Strukturwandel Bayerns von einem Agrar- zum Industrieland. Er zog sich 1958 bei einem Unfall eine Wirbelsäulenverletzung zu und trat zurück.

Foto: Istvan Bajzat, dpa

Als Schüler lieferte er keine Glanzleistungen ab. Als Politiker wirkte Franz Josef Strauß unter anderem maßgeblich auf den Aufbau des privaten Rundfunks ein.

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Theo Waigel war als Finanzminister an den Verhandlungen zur Vereinigung Deutschlands beteiligt. Als Parteichef stand er im Konflikt mit seinem Tandempartner Streibl.

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Bayerns ehemaliger Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber baute in seiner Zeit als Vorsitzender die wirtschaftliche Vorreiterstellung Bayerns aus.

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Erwin Huber und Günther Beckstein brachten Ministerpräsident Stoiber zu Fall. Bei der Landtagswahl 2008 erzielte die CSU ein schlechtes Ergebnis und Huber trat zurück.

Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

Die Rettung nach der Pleite von 2008: Horst Seehofer. Der Ingolstädter setzte 2010 trotz großem Widerstand eine 40-Prozent-Quote für Frauen auf Vorstandsebene durch.

Foto: Lino Mirgeler, dpa

Markus Söder engagiert sich für ein besseres Verhältnis zur Unionsschwester CDU. Und er will die Partei verjüngen und ihren bundespolitischen Einfluss festigen.

Unterm Strich also kann man Merkel und Söder bestenfalls unterstellen, dass sie sich – jeder für sich – alle Optionen offenhalten. Der Besuch auf Herrenchiemsee jedenfalls soll, so prachtvoll die Inszenierung auch sein mag, erst einmal gegenseitige Anerkennung ausdrücken. Auch andere Ministerpräsidenten haben Einladungen an Merkel ausgesprochen, wie Vize-Regierungssprecherin Martina Fietz erklärt. Merkel werde diese auch annehmen – aber nur „zum Teil“, wie Fietz betont. Und selbst wenn zum Beispiel Armin Laschet noch zum Zuge käme, steht eines schon mal fest: Söder war vor ihm dran. Ob das nur an der Schönheit Bayerns liegt oder vielleicht doch ein bisserl mehr dahintersteckt – wer kann das schon wissen?

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