"Abzocke unter Schülern": Schulen verbieten Panini-Bilder
Seit Generationen sammeln Schüler bei großen Turnieren Panini-Bilder mit ihren Idolen. An manchen Grundschulen ist das jetzt tabu. Die Rektoren haben ganz verschiedene Gründe.
Der Höwedes schaut schon zum fünften Mal aus der Sammelpackung, aber Gareth Bale fehlt immer noch im Panini-Album. Weil sich das bis zum Ende der Fußball-Europameisterschaft ändern soll, sind tausende Kinder und Jugendliche in Bayern im Tauschfieber. Doch an einer ganzen Reihe bayerischer Grundschulen ist das Feilschen um Panini-Sticker jetzt verboten.
Die Argumente der Schulleiter sind überall dieselben: Sie möchten verhindern, dass Kinder ihr ganzes Taschengeld investieren, um die insgesamt 680 Plätze im Sammelalbum mit Bildern zu bestücken. Ein Päckchen mit fünf Stickern kostet 70 Cent. Außerdem befürchten die Rektoren eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft. Kathrin Schlank etwa, Rektorin der Grundschule in Hergensweiler (Kreis Lindau). Schüler, deren Eltern „den Zirkus nicht mitmachen“, seien automatisch außen vor, erklärte sie unserer Zeitung. Eine Grundschulrektorin aus Unterhaching sprach in den Medien von „Abzocke“ unter den Schülern. Aus dem baden-württembergischen Esslingen ist zu hören, dass eine Erstklässlerin einem anderen Kind kürzlich 50 Euro für ein fehlendes Spielerbild gezahlt habe. Noch ein Grund für das Verbot der kultigen Bildchen: Viele Schüler tauschen den Rektoren zufolge nicht nur auf dem Pausenhof. Statt aufzupassen, reichen sie auch im Unterricht die Hummels-Bilder hin und her.
Panini schickte zehntausende leere Sammelhefte an Schulen
Dass die Panini-Bilder, die älter sind als die 1963 gegründete Bundesliga, ausgerechnet bei der EM 2016 zum Aufreger werden, hat auch mit einer umstrittenen Marketing-Aktion der italienischen Firma zu tun: Vor dem Start des Turniers ließ Panini zehntausende leere Sammelhefte an Schulen verschicken. Ein Unding, empörte sich auch manch bayerischer Schulleiter – und schickte die Hefte zurück.
Wolfgang Scheder, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Blattwerk Media, versteht den Ärger nicht. Das Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Recklinghausen betreut die Kampagne im Auftrag von Panini. Scheder ist wichtig, dass die Hefte nicht zur freien Verteilung verschickt wurden, sondern als Unterrichtsmittel. „Lehrer können den Schülern damit Informationen zur EM und den teilnehmenden Ländern vermitteln.“ Zudem förderten die Tauschgeschäfte Miteinander und Sozialverhalten der Kinder. Er wisse auch von Klassen, die die Sammelalben im Mathematikunterricht einsetzen. „Man rechnet zum Beispiel aus, wie teuer es werden kann, das Heft zu füllen.“ Mathematiker der Freien Universität Berlin haben das schon getan. Kauft ein Sammler alle Bildchen selbst, statt sie zu tauschen, braucht er nach der Wahrscheinlichkeitstheorie im Schnitt 961 Päckchen à 70 Cent. Macht 672,70 Euro.
Für Renate Haase-Heinfelder, Leiterin des Schulamts im Landkreis Augsburg, ist die Panini-Aktion vor allem eins: „Geschickt verpackte Werbung.“ Nach dem Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtgesetz ist Werbung an Schulen verboten. Die Schulordnungen lassen nach Auskunft des Kultusministeriums jedoch Ausnahmen zu. Haase-Heinfelder findet es nicht in Ordnung, die Alben zu verteilen. „Denkbar wäre aber, das Thema Werbung im Heimat- und Sachunterricht zu behandeln. Dann dürfte Panini jedoch nur als ein Angebot neben anderen erklärt werden.“ Wenn Kinder mit selbstgekauften Alben auf dem Pausenhof tauschen, ist das ihrer Meinung nach völlig in Ordnung.
Claus Appel leitet das Schulamt in der Stadt Augsburg. Er bestätigt, dass auch an Augsburger Schulen Panini-Alben verschickt wurden. Ob die Lehrer sie verwenden, entscheide „jede Schule im eigenen Ermessen“. Genauso sei es mit einem Tauschverbot. Appel weiß von einer Schule, die Panini-Hefte in Mathematik und zum Thema Europa einsetzt. „Das ist aber zuvor mit einem Brief an die Eltern abgesprochen worden.“ Er selbst, sagt Appel, sei früher auch ein begeisterter Sammler gewesen. Sein Album von der EM 1968 hat er immer noch. Und das, obwohl die Deutschen damals schon in der Gruppenphase scheiterten.
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