Wer sich das Leben leicht machen und seine Doktorarbeit abschreiben will, hat bei ihm keine Chance – das steht für Johannes Mayer, Gründer der Forschungsgruppe Klostermedizin, fest. Nicht, weil der 57-jährige Würzburger Forscher ganz genau hinschaut, sondern weil hier so grundlegende Arbeit geleistet wird, dass es schlichtweg keine Quellen zum Abschreiben gibt.
Im zwölften Jahr arbeitet die Gruppe inzwischen am Würzburger Institut für Geschichte der Medizin mit dem Ziel, alle Kräuter- und Arzneihandbücher von der Spätantike bis ins 16. Jahrhundert zu erfassen und zu analysieren. Die Experten arbeiten die für die Pflanzen einst üblichen Indikationen und Anwendungen heraus und vergleichen sie mit dem heutigen Forschungsstand. Um die 600 Heilpflanzen hat das Team inzwischen erfasst, 120 von ihnen – in vielen Fällen in Doktorarbeiten - näher untersucht. Pharmafirmen finanzieren dabei einen Großteil der wissenschaftlichen Arbeit, erhoffen sie sich doch neue Erkenntnisse mit Blick auf naturnahe Medikamente.
Aktuell hat das kleine Team – bestehend aus Pharmazeuten, Ärzten, einem Altphilologen, einem Biologen und Johannes Mayer als Historiker – Gewürze im Visier, im Speziellen den Ingwer. Dieser stamme wohl aus China, sei aber ganz früh schon nach Indien gelangt, wurde in der griechischen und römischen Küche genutzt und war nicht zuletzt eines der Lieblingsgewürze der Hildegard von Bingen. Bei der Gewürz-untersuchung handelt es sich um eine Auftragsarbeit des Spitzenkochs Alfons Schuhbeck. „Gewürze und ihre Heilwirkung waren schon immer sein Steckenpferd, die Forschungsarbeiten betrachtet er jetzt als sein Alterswerk“, weiß Mayer.
Dabei ist die Forschungsgruppe Klostermedizin inzwischen nicht mehr nur in Fachkreisen ein Begriff – in der ZDF-Reihe Terra X erzählte Mayer etwa über Hildegard von Bingen. Das „Handbuch der Klosterheilkunde“ als wichtigste Publikation ist inzwischen mehr als 200000 Mal verkauft. Zudem geben die Experten ihr Wissen in Vorträgen, Seminaren und Ausstellungen an Laien wie auch Pharmazeuten und Mediziner weiter. Zur Aufgabe hat es sich das Forscherteam ferner gemacht, wichtige Texte in gut lesbaren Ausgaben, teils auch in Übersetzungen, zur Verfügung zu stellen für weitere Forschungsarbeiten. Dass das Forscherteam derartige Basisarbeit leisten muss, führt Mayer vor allem auf zwei Faktoren zurück: Zum einen braucht es für die Arbeit unheimlich viele Kompetenzen – von Philologie, Geschichte, Biologie, Chemie bis hin zur Pharmazie. Zum anderen ereignete sich im 19. Jahrhundert im westlichen Raum ein Traditionsbruch. Als man um 1800 entdeckte, dass in Heilpflanzen – im Besonderen im Opium – ganz spezielle Stoffe wirkten, machte man sich auf die Suche nach den reinen Stoffen, statt wie bisher auf die Heilwirkung der ganzen Pflanze zu setzen. Bei der Salizylsäure etwa – unter anderem enthalten in Weidenrinde – mache dies mit Blick auf eine gezieltere Dosierung Sinn.
Andere Arzneipflanzen wie Baldrian, Johanniskraut oder Kamille indes entfalten ihre Wirkung laut Mayer erst durch das Zusammenwirken mehrerer Stoffe. Bis heute hält der Bruch zwischen Komplementär- und Schulmedizin in weiten Kreisen an. Für den Würzburger Forscher ist dies unverständlich – die beiden Richtungen ergänzten sich hervorragend und widersprächen sich in so gut wie keinem wichtigen Punkt.
Und: Es gebe Therapiefelder, in denen Pflanzen schlicht und ergreifend überlegen seien – Beispiel Schlafstörungen. Laut Mayer gibt es bislang kein synthetisches Schlafmittel, bei sämtlichen Präparaten handle es sich um Narkosen. Diese legten sämtliche Aktionen im Körper flach, beispielsweise Zellwachstum, der nur im Schlaf stattfindet. Pflanzen indes wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Johanniskraut oder die Passionsblume seien echte Schlafmittel.