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Interview: Barwasser: "In der Gender-Debatte erleben wir viele gekränkte Männer"

Interview

Barwasser: "In der Gender-Debatte erleben wir viele gekränkte Männer"

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    Vor kurzem drehte Frank-Markus Barwasser „Beim Pelzig auf der Bank“ – eine Mischung aus Roadmovie und Talkformat. Zu seinen Gesprächspartnern radelt er. Mit dabei: ein mobiles Bowle-Set.
    Vor kurzem drehte Frank-Markus Barwasser „Beim Pelzig auf der Bank“ – eine Mischung aus Roadmovie und Talkformat. Zu seinen Gesprächspartnern radelt er. Mit dabei: ein mobiles Bowle-Set. Foto: ZDF/Cathy Guilleux

    Herr Barwasser, was denkt das Coronavirus gerade?

    Frank-Markus Barwasser: Es denkt sich: „Ich mache es auch nicht anders als ihr Menschen. Ihr vergrößert euer Reich ständig und ruiniert dabei den Planeten. Bei euch sprecht ihr von Wachstum, bei mir nennt ihr es Ansteckung.“

    Sie nehmen in Ihrem aktuellen Bühnenprogramm die Perspektive des Virus ein. Nach 16 Monaten ohne Auftritt sind Sie zurück als „Erwin Pelzig“ – und glücklich?

    Barwasser: Ich konnte die Corona-Zeit einigermaßen gut bewältigen und bin zweifach geimpft, stehe auch wieder auf Freiluftbühnen, insofern ja. Ich bin auch glücklich, dass alle, die in meinem Umfeld an Corona teilweise schwer erkrankt waren, es gut überstanden haben.

    Ihr Sohn ...

    Barwasser: ... ist jetzt fünf.

    Meiner sechs. Er malt manchmal noch Coronaviren, die von der Polizei verhaftet werden.

    Barwasser: Furchtbar, oder? Bei uns war die Kita anfangs wochenlang geschlossen und unser Sohn hat ein paar Mal gesagt: „Scheiß Corona!“ Ansonsten, glaube ich, hat er’s gut gepackt, aber wir können nicht in die Seelen unserer Kinder schauen. Eltern müssen in so einer Lage der Anker sein und Sicherheit vermitteln. Aber wie wahnsinnig schwer ist das für Menschen, die vielleicht mehrere Kinder haben, Homeschooling und Homeoffice miteinander vereinbaren müssen und womöglich um ihre Existenz bangen! Von den Alleinerziehenden ganz zu schweigen.

    "Geärgert habe ich mich schon, zum Beispiel über das Missmanagement der Corona-Krise"

    Wie war das mit Ihren eigenen Unsicherheiten und Ängsten, Ihrer Wut?

    Barwasser: Mich fegte Corona sozusagen im vergangenen März von der Bühne. Ich wollte im Frühjahr ein neues Programm schreiben und im Herbst 2020 wieder auftreten. Mein Thema stand allerdings schon damals fest: Kränkungen. Die Corona-Pandemie passte gut dazu, sie ist eine große Kränkung – weil sie unsere Lebensweise infrage stellt. Wut habe ich in den vergangenen Monaten nicht empfunden, geärgert habe ich mich schon, zum Beispiel über das immer wieder erkennbare Missmanagement der Corona-Krise. Das Maskentheater am Anfang, die Impfstoffbeschaffung. Da sind die 90.000 von Herrn Aiwanger bestellten Wischmopps eine geradezu erheiternde, wenn auch nicht gerade preiswerte Pointe. Aber ich frage mich ernsthaft: Lernen wir was draus? Ich bin auch grundsätzlicher geworden.

    Kränkt Sie der Bundestagswahlkampf? Da geht es ja bislang weniger ums Grundsätzliche, sondern um einen feixenden Armin Laschet von der CDU oder eine plagiierende Annalena Baerbock von den Grünen.

    Barwasser: Das kränkt mich nicht, das ist einfach nur dämlich. Oh, darf ich dämlich überhaupt noch sagen? Herrlich ist der Wahlkampf jedenfalls nicht.

    Polarisierendes Thema momentan: Gendern.

    Barwasser: Sehen Sie: Wieder Kränkungen! In der Debatte über geschlechtergerechte Sprache erleben wir viele gekränkte Männer, die nicht erkennen, dass die Geschichte des weiblichen Geschlechts eine einzige Kränkungsgeschichte ist. Wissen Sie, was meinen Intellekt kränkt?

    Nein.

    Barwasser: Umfragen wie „Wer ist der bessere Krisenmanager: Laschet, Baerbock oder Scholz?“ Und plötzlich ist SPD-Politiker Scholz, der sich im Wirecard-Untersuchungsausschuss an so wenig erinnern konnte, der tollste Krisenmanager und tollste Kanzlerkandidat, weil er bei der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands nicht ganz so im Vordergrund steht. Auf Basis welcher Informationen gelangen Menschen zu so einer Einschätzung? Das sind doch alles nur Gefühle, die morgen schon wieder ganz anders sein können. Welchen Sinn und Zweck haben dann solche Umfragen? Alles Quatsch. Nein, ich widerrufe: Es kränkt mich doch nicht. Es beleidigt nur meinen Verstand.

    Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet lacht - im von Wassermassen zerstörten Erftstadt. Währenddessen gibt Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) ein Pressestatement.
    Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet lacht - im von Wassermassen zerstörten Erftstadt. Währenddessen gibt Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) ein Pressestatement. Foto: Marius Becker, dpa

    Aber Laschet feixte eben, als der Bundespräsident in Erftstadt der Flutopfer gedachte...

    Barwasser: ...und da machte diese rheinische Frohnatur nicht gerade den Eindruck eines guten Managers. Mich würde aber brennend interessieren, worüber er gelacht hat. Und Baerbock traut sich jetzt vermutlich gar nicht mehr in Krisengebiete, weil die Bild sonst titelt: „Gummistiefel waren nur geliehen“. Was mich anwidert, ist dieser Kampagnen-Journalismus. Schmutziger als andere ist der Wahlkampf dennoch nicht. Bislang jedenfalls.

    1998 hatten Sie ein Kabarettprogramm, das „Das Superwahljahr“ hieß. Helmut Kohl gegen Gerhard Schröder.

    Barwasser: Das war wie aus einer anderen Zeit. Was ich mich frage, wenn ich mir meine alten Texte durchlese und meine alten Programme durchschaue: Waren die Zeiten harmloser oder war ich es?

    "Unklar ist für mich, ob ich begriffsstutziger oder nachdenklicher geworden bin"

    Hat das was mit dem Alter zu tun? Entweder, so scheint es ja, wird man altersmilde – oder zum wütenden „alten weißen Mann“.

    Barwasser: Das ist bei mir so eine Mischung. Viele Dinge, die gerade Aufreger sind, kann ich inzwischen besser einordnen – als Feuerchen, die nur kurz brennen. Sowohl als Barwasser als auch als Figur Erwin Pelzig setze ich nicht mehr auf jede Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Unklar ist für mich, ob ich begriffsstutziger oder nachdenklicher geworden bin. Aber es ist nicht so, dass ich mir im Fernsehen nur noch die „Tagesschau“ von vor 20 Jahren anschaue. Bei einer Katastrophe ziehe ich mir gleichwohl nicht mehr sechs Stunden lang die „breaking news“ rein.

    Wie haben Sie von dem Somalier erfahren, der in Ihrer Heimatstadt Würzburg vor ein paar Wochen drei Frauen tötete?

    Barwasser: Über die Medien. Ich war bei Dreharbeiten in Berlin und hab dann auch mit meiner Familie in Würzburg telefoniert. Es ist schon noch einmal etwas anderes, wenn man die Straßen und Plätze gut kennt, wo so etwas passiert ist... Mir tut es in der Seele weh, wenn ich an die Opfer und ihre Angehörigen denke. Ich habe auch am Berliner Breitscheidplatz gedreht, wo 2016 ein islamistischer Terrorist zwölf Menschen tötete. Ich stand dort und hab gedacht: Scheiße. Dass solche Dinge passieren können, verdrängen wir ja gerne, so lange sie nur in Kabul passieren.

    In Berlin drehten Sie für 3sat „Beim Pelzig auf der Bank“, das im Dezember ausgestrahlt wird.

    Barwasser: In den drei Folgen geht es auch um Grundsätzliches: Was macht Corona mit uns? Wie steht es um die Demokratie? Und: Was bringt die Zukunft, die Digitalisierung? Am Ende spiele ich mit ZDF-Wissenschaftsjournalist und Astrophysiker Harald Lesch Boule und trinke Bowle.

    Pelzig fährt mit dem Rad zu seinen Gesprächspartnern samt einem mobilen Bowle-Set.

    Barwasser: Das ist eine Reminiszenz an meine Bowle-Vergangenheit.

    Früher schenkten Sie jedem Ihrer Gäste ein. Wie Markus Söder, der 2008 als neuer bayerischer Umweltminister zu Ihnen in die Sendung kam.

    Barwasser: Und schon damals Ministerpräsident werden wollte. Da bin ich mir sicher.

    CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer geht bald in den Ruhestand.
    CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer geht bald in den Ruhestand. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Den damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer bezeichneten Sie als „Not-Obama“.

    Barwasser: Hab ich das? Naja, ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht hatte.

    Jetzt geht Seehofer als CSU-Bundesinnenminister in den Ruhestand. Er hat offenbar noch keinen Autoren für seine Biografie. Wäre das was für „Barwasser/Pelzig“?

    Barwasser: Huch, da bin ich aber froh, dass ich dieses Angebot noch nicht bekommen habe. Ich käme glatt in Versuchung. Mir hat Seehofers Ironie immer gut gefallen. Sein Satz, dass an seinem 69. Geburtstag 69 Afghanen zurückgeführt worden seien und er das so nicht bestellt habe, hat mich dagegen fassungslos gemacht. Ach nee, lieber nicht, nächste Frage bitte.

    Auch Kanzlerin Angela Merkel verlässt die politische Bühne. Werden Sie sie vermissen?

    Barwasser: Ich empfinde es wie am Ende der Ära Kohl: zu viel Stillstand. Aber wenn jetzt Lächel-Laschet wirklich Kanzler werden sollte, ja mei, da hätte sie auch bleiben können.

    Frank-Markus Barwasser, am 16. Februar 1960 in Würzburg geboren, ist gelernter Journalist und Kabarettist. Er studierte Politikwissenschaften, Neuere Geschichte und Ethnologie in München und Salamanca in Spanien. Im Fernsehen war er von 1998 bis 2010 in der BR-Sendung „Aufgemerkt! Pelzig unterhält sich“ zu sehen. Danach unter anderem im ZDF in „Pelzig hält sich“ und „Neues aus der Anstalt“. Sein aktuelles Bühnenprogramm heißt „Der wunde Punkt“. Barwasser lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Mainz.

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