
Der geplatzte Goldfinger-Prozess zerstört das Vertrauen in die Gerechtigkeit

Plus Im Goldfinger-Fall haben clevere Anwälte und Steuerberater das Steuergesetz bis zum Äußersten ausgereizt. Jetzt wird das Verfahren gegen sie eingestellt.
In Deutschland herrscht Steuerungerechtigkeit. Zwar ist die Idee hinter dem System richtig: Jeder muss sich gemäß seinem Einkommen und seinen Möglichkeiten am Allgemeinwohl beteiligen. Die Steuergesetze werden aber nicht gerecht angewendet. Eine breite (gehobene) Mittelschicht trägt die größte Steuerlast. Reiche haben dagegen viel mehr Mittel, massiv Steuern zu vermeiden.
Das beginnt schon bei der Steuergesetzgebung. Lobbygruppen von Vermögenden nehmen da bereits massiven Einfluss. Und mithilfe von findigen Finanzberatern, die sich nur wenige leisten können, nutzen Millionäre jedes noch so winzige Schlupfloch, um Steuern zu sparen. Deshalb ist es völlig richtig, dass der Staat ganz genau darauf achtet, ob jemand die Finanzbehörden über den Tisch ziehen will.
Goldfinger-Prozess: Die Anklage blieb Beweise schuldig
Im Goldfinger-Prozess hatte die Staatsanwaltschaft viele Jahre lang den Verdacht, dass mittels eines illegalen Tricks Steuern hinterzogen wurden. Sie ist mit Razzien, U-Haft und einer Anklage über Jahre hinweg sehr heftig gegen die Verdächtigen vorgegangen.
Jetzt, da der Prozess vor einer Einstellung steht, muss festgehalten werden: Dieses Einsteigen war wohl überzogen. Den Beweis für die Vorwürfe blieb die Anklage schuldig und sieht sich ihrerseits schweren Vorwürfen ausgesetzt, das Verfahren wider besseren Wissens immer weiter getrieben zu haben. Es gibt solche Fälle immer wieder, in denen die Ermittlungsbehörden auf Härte setzen und auf ein Einknicken der Beschuldigten hoffen. Es wäre aber ganz falsch, ein so brachiales Vorgehen auf einer so wackeligen Verdachtsgrundlage einfach als Kollateralschaden einer robusten Strafverfolgung hinzunehmen.
Fazit beim Goldfinger-Prozess: Der normale Steuerzahler ist der Dumme
So, wie sich die Lage im Moment darstellt, haben im Goldfinger-Fall clevere Anwälte und Steuerberater das Steuergesetz bis zum Äußersten ausgereizt. Aber sie haben es nach Ansicht des Gerichts nicht gebrochen. Steuervermeidung mit allen Mitteln mag moralisch verwerflich sein. Aber sie ist nicht verboten. Und der Staat kann nun einmal nicht Menschen strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen, die sich an seine eigenen Gesetze halten. Vorerst ungeklärt bleibt die Frage, ob das Verfahren nicht auch auf politischen Druck hin derart massiv vorangetrieben wurde.
So hinterlässt der Goldfinger-Prozess aus verschiedenen Gründen immensen Flurschaden. Es bleibt der Eindruck, der ohnehin bei vielen Menschen besteht: Der normale Steuerzahler ist der Dumme. Wenn er auch nur eine Kleinigkeit bei seiner Steuererklärung falsch macht, ist er dran. Die Reichen können tricksen, wie sie wollen und werden dafür nicht einmal belangt.
Ging es im Prozess um persönliche Animositäten und Rache?
Die Atmosphäre im Prozess war verheerend, ja feindselig. In weiten Teilen entstand der Eindruck, dass es hier nicht mehr um eine Rechtsfrage geht, sondern um persönliche Animositäten und Rache. In der Sache kann gerne mit Argumenten hart gerungen werden, derlei Emotionen haben in einem Strafprozess aber auf keiner Seite etwas verloren.
Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat zum wiederholten Male in einem großen Wirtschaftsstrafverfahren eine krachende Niederlage einstecken müssen. Sie hat mit ihrem Vorgehen nach außen den Eindruck erweckt, dass man es bei Goldfinger mit besonders dreisten Steuerbetrügern zu tun hat und damit hohe Erwartungen an eine saftige Bestrafung dieser Leute geweckt. Das Gericht konnte diese Erwartungen wegen seiner ganz anderen Rechtsauffassung aber nicht erfüllen. Solche Verfahren sind geeignet, das Vertrauen in die Justiz und in das deutsche Steuerrecht nachhaltig zu erschüttern.
Lesen Sie auch: Goldfinger-Prozess wird eingestellt: Die Angeklagten zahlen keinen Cent
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Die Diskussion ist geschlossen.
Sehr geehrter Herr Sabinsky-Wolf,
die Relativierungen in Ihrem Kommentar sind fehl am Platze.
- "Das Einsteigen war "wohl" überzogen." Warum "wohl"? Das Verfahren hat ergeben, dass sämtliche Vorwürfe haltlos waren. Hier mehrere Unschuldige monatelang ohne Grund in Haft zu nehmen ist ein Skandal, und nicht "wohl" überzogen.
- "Die Reichen können tricksen, wie sie wollen und werden dafür nicht einmal belangt." Damit stellen Sie in den Raum, dass eine Verurteilung vielleicht doch gerechtfertigt gewesen sein könnte. Warum tun Sie das, wenn das Ergebnis der Verfahrens die völlige Haltlosigkeit der Vorwürfe ergeben hat? Es wurde hier nicht getrickst, sondern die Steuergesetze angewendet. Oder sollten die zu unrecht Beschuldigten aus Ihrer Sicht hier stellvertretend für allgemeine Ungerechtigkeiten im Steuersystem vielleicht doch noch ein wenig mehr in Haft, um der allgemeinen Steuergerechtigkeit Willen?
- "...derlei Emotionen haben in einem Strafprozess aber auf keiner Seite etwas verloren." Gerne würde ich Sie dabei erleben, wenn Sie völlig grundlos mehrere Monate in Untersuchungshaft genommen werden, Ihre Familie bangen muss, Ihre wirtschaftliche Existenz grundlos zerstört wird und Sie unschuldig einen jahrelangen Rechtsstreit über sich ergehen lassen müssen, in dem Ihnen mehrere Jahre Haft angedroht werden. Ich darf Sie daher bitten diesen Kommentar zu hinterfragen.
Das Gericht hat funktioniert, die Verteidigung hat funktioniert, die Staatsanwaltschaft hingegen nicht.
Wer sich im Rahmen der Steuer gesetze bewegt, der macht alles richtig. Dafür sind die steuergesetze da. Die Angeklagten haben nichts Falsches gemacht. Sie haben die Steuergesetze gelesen und angewendet, das ist zulässig und nicht zu beanstanden. Da muss man jetzt auch nicht herum heulen, weil jemand sein Recht wahrgenommen hat.
" Fazit beim Goldfinger-Prozess: Der normale Steuerzahler ist der Dumme "
Der normale Steuerzahler war schon immer der Dumme ??
Ist nichts Neues.
Hauptsache scheint hier doch zu sein, eine möglichst reißerische Schlagzeile zu produzieren. Im Text wird auf jeden Fall der Eindruck der Schlagzeile deutlich gemindert.
Und dass es läuft wie gewöhnlich ( die großen lässt man laufen, die kleinen hängt man auf) sind wir ja gewohnt .....
Es wurde nach Recht und Gesetz entschieden. Warum sollte deswegen mein Vertrauen in die Gerechtigkeit abhanden kommen. Ich habe schon lange kein Vertrauen mehr in die Politik, die nicht in derLage ist, halbwegsd wasserdichte Gesetze zu verabschieden. Da liegt doch das Grundübel.