Kommentar: Tourismus muss nicht schädlich für die Natur sein
Der Streit um das Riedberger Horn zeigt, wie unversöhnlich Naturschützer und Tourismuswirtschaft sich begegnen. Das Gegeneinander ist ein Fehler. Denn Tourismus kann auch helfen.
Die Debatte um eine Skiverbindung am Riedberger Horn zeigt: Naturschützer und Tourismuswirtschaft stehen einander oft unversöhnlich gegenüber. Aber gilt der Gegensatz auch für Naturschutz und Tourismus?
Der kleine Berg im Oberallgäu liegt in einem geschützten Bereich. Im Sommer sind dort viele Wanderer unterwegs, im Winter Skitourengeher. Etwa ein Prozent dieser Fläche soll für einen Lift und eine Abfahrt genutzt werden. Auch wenn die Mehrheit der Bürger in den zwei betroffenen Gemeinden sich für einen Bau ausgesprochen hat, geht die Diskussion weiter. Die einen nennen wirtschaftliche Gründe für die Notwendigkeit des Liftbaus – „ohne touristische Entwicklung haben die Dörfer keine Zukunft“, ist das Argument. Die anderen halten jede Bebauung für einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff. Diese Kontroverse steht beispielhaft für viele Diskussionen über den vermeintlichen Gegensatz zwischen Nutzung und Schutz der Natur, nicht nur im Alpenraum.
Naturschutz und Tourismus haben ein kompliziertes Verhältnis. Einerseits schränkt der Schutz sensibler Flächen den Tourismus ein, andererseits ist der Tourismus auf eine intakte Natur angewiesen. Gleichzeitig sind die betroffenen Flächen oft auch Lebens- und Wirtschaftsraum von Menschen.
Auch "sanfter Tourismus" bleibt nicht ohne Folgen für die Natur
Nicht nur der Tourismus, auch viele Freizeitaktivitäten spielen sich unter freiem Himmel ab. Das bedeutet häufig einen Eingriff in die Natur, nicht nur baulicher Art. In den Alpen sind mittlerweile so viele Wanderer unterwegs, dass auch diese naturnahe Fortbewegungsart einen Eingriff in Flora und Fauna bedeutet.
Auch der „sanfte Tourismus“ bleibt also nicht ohne Folgen; um das zu erkennen, muss man nicht erst den Energieverbrauch für die Anreise oder den Hotelbau bemühen. Das Ziel muss es also sein, Tourismus und Freizeitbeschäftigung möglichst naturverträglich zu gestalten. Wie das funktioniert, zeigt eine Reihe positiver Beispiele, auch in den Allgäuer Alpen. Die Tourismuswirtschaft arbeitet nicht mehr mit den Konzepten vergangener Jahrzehnte, als es vor allem darum ging, möglichst viele Menschen auf einen Berg zu locken. Die Menschen wissen, dass die Natur ein knappes Gut und ein wichtiges Kapital ist. Diese Einsicht haben die meisten Verantwortlichen auch verinnerlicht, wenn es um bauliche Eingriffe geht.
Niemand bestreitet, dass der Tourismus die Natur braucht. Die Erkenntnis jedoch, dass der Tourismus auch hilft, die Natur zu schützen, hat sich noch nicht durchgesetzt. Dabei geht es nicht nur darum, Gäste in schützenswerten Bereichen gezielt zu lenken. Guter Tourismus kann und muss auch das Bewusstsein über den Wert ebenjener Natur fördern.
Im Allgäu gibt es keine Skigebiete mit österreichischen oder italienischen Dimensionen
Nicht jeder, der in die Berge kommt, ist sich dieses Wertes bewusst – auch wenn die Kulisse überwältigt, ist das Wesentliche oft unsichtbar. Wir Menschen neigen aber dazu, nur das zu schützen, was wir kennen. So hilft guter Tourismus, Natur zu erhalten. Und er gibt den Menschen in den Allgäuer Alpen die Möglichkeit, auch von der Natur zu leben. Tourismus und Naturschutz tragen somit zum Fortbestehen einer Region und ihrer Identität bei.
Naturschutzorganisationen leisten seit Jahrzehnten einen wichtigen Dienst. Für die Tourismuswirtschaft gilt das aber auch. Ein Gegeneinander ergibt keinen Sinn. Das erfordert jedoch, die Argumente des anderen ernst zu nehmen.
Wir reden im Allgäu übrigens zum Glück nicht über Skigebiete mit österreichischen oder italienischen Dimensionen und Umweltschäden. Die möchte hier niemand haben. Trotzdem fahren jedes Jahr Hunderttausende dorthin. Aber das ist ein anderes Thema.
Die anderen endlich einmal ernst nehmen.
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