Die Deutsche Bahn ist auf den Spürhund gekommen
Beim Bau der zweiten Stammstrecke in München setzt die Deutsche Bahn ungewöhnliche Helfer ein: Spürhunde. Die sollen beim Natur- und Artenschutz unterstützen.
Der Hund und seine Nase werden seit jeher gerne als Instrument genutzt, von Zoll, Polizei und Sicherheitsbehörden generell. Leichenspürhunde, Drogenspürhunde, Minenhunde – zu Hochzeiten der Pandemie wurden die Vierbeiner sogar darauf trainiert, Menschen mit einer Coronavirus-Infektion zu erschnüffeln. Seit Juli 2022 gibt es nun auch bei der Deutschen Bahn (DB), genauer gesagt bei der für das Schienennetz zuständige DB Netz, eine eigene Abteilung mit Spürhunden: das "Kompetenzzentrum Artenkartierung".
Anders als bei den Hundekollegen in den Sicherheitsbehörden klingt die Aufgabe bei den DB-Spürhunden weniger bedrohlich: Sie sollen Tierarten erschnüffeln, die in den Eingriffsbereichen bei Baumaßnahmen der Deutschen Bahn leben, Mauereidechsen, Zwergfledermäuse oder Feldlerchen etwa. Mithilfe der Hunde werde so das Artenvorkommen kartiert, sagt Michael Schmitt, Leiter des Kompetenzzentrums: "Das funktioniert nur im Team: Hunde riechen, was der Mensch nicht sieht, und der Mensch sieht, was der Hund im Zweifel nicht riecht."
Weit vor Baubeginn: Artenkartierung ist die Grundlage für Schutzmaßnahmen
Auf Basis dieser Akquise werden dann Maßnahmen zum Erhalt und zur Umsiedlung der Tierarten eingeleitet. Darunter fielen etwa Baumfällungen außerhalb der Brutzeiten von vorkommenden Vögeln, Schutzzäune für Reptilien oder Ersatzhabitate für Fledermäuse und andere Tiere, erklärt Nina Reinhardt, Projektingenieurin für Natur- und Artenschutz. Erst im Anschluss werden die Baumaßnahmen gestartet, die kartierten Flächen danach weiterhin regelmäßig überwacht.
Zu Baubeginn der zweiten Stammstrecke gab es die Hunde zwar noch nicht, nach der Umplanung am Ostbahnhof im Jahr 2019 – die zur erheblichen Kostensteigerung des Projektes beitrug – wurden die Spürhunde dort erstmals eingesetzt. Auch für das Monitoring von Ersatzhabitaten, die im Zuge der Stammstrecken-Bauarbeiten errichtet wurden, kommen sie nun zum Einsatz, etwa am ehemaligen Strassergelände in Langwied, wo Stammstrecken-Schutt abgeladen wurde.
Die Hunde werden dabei nicht alle für jede Tierart sensibilisiert, sondern für Tiere, deren Lebensräume sich in seltensten Fällen überschneiden: Die dreijährige Finya, ein Cocker-Springer-Spaniel, ist neben Schlingnattern und Gelbbauchunken auf jede der zahlreichen Fledermausarten trainiert, die es in der Region gibt. Wenn sie eine Tierart finden, reagieren die Hunde, indem sie sich setzen und auf das gefundene Tier starren. Dafür absolvierte Finya – wie auch die anderen Hunde – eine einjährige Vorausbildung mit einem Hundetrainer, der ihr neben Grundbefehlen wie "Sitz" oder "Platz" auch das Bahnfahren und das Warten bei Zugdurchfahrten beibrachte.
"Scent-Box": Hunde werden mit Trainingsgerät auf Tierarten konditioniert
Dann wurde sie ihrem Hundeführer Maximilian Bültge übergeben, mit dem sie noch eine DB-interne einjährige Ausbildung abschloss: sie zum Artenspürhund, er zum "Artenkartierer mit Hund". Teil dieser Ausbildung ist unter anderem die sogenannte "Scent-Box", also Geruchs-Box: Findet ein Hund in einem von sieben Löchern den Zielgeruch, gibt die Box ein Leckerli heraus. "Die Hunde werden so konditioniert, dass der eigentlich bedeutungslose Geruch positiv aufgeladen wird", erklärt Artenschutz-Experte Michael Schmitt. Später geht es dann hinaus ins Feld und in die Natur.
Momentan zählt das Spürhunde-Team sechs Hunde, dazu befinden sich drei Junghunde in der Ausbildung sowie vier Welpen in der Vorausbildung. Neben verschiedenen Spaniels gibt es auch Labradore und Retriever, Hundeführer Maximilian Bültge sagt: "Das sind Jagdhunde, die eine intrinsische Motivation mitbringen, suchen zu wollen." Mit der Aufwertung vom Pilotprojekt zur eigenständigen Abteilung will die DB Netz das Konzept nun deutschlandweit ausrollen.
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