Herr Engehausen, welche Rolle spielen ausländische Ärztinnen und Ärzte in den bayerischen Kliniken?
ROLAND ENGEHAUSEN: Die Zahl der ausländischen Medizinerinnen und Mediziner in Bayern steigt, wir sind jetzt bei knapp 7000. 15 Prozent der Ärzte an den Kliniken im Freistaat haben damit eine ausländische Staatsangehörigkeit. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich diese Zahl verdoppelt und es kann gut sein, dass sie in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen wird, gerade auch infolge der Krankenhausreform.
Ist man denn – Stichwort Ärztemangel – angewiesen auf diese Mediziner aus dem Ausland?
ENGEHAUSEN: So wie wir im Moment Medizin machen und wie die Krankenhausreform aufgestellt ist: Ja. Interessanterweise ist es aber anders als in der Pflege. Wir haben vor allem im ländlichen Bereich einen Mangel, die jungen Leute, die an den Universitäten der großen Städte studieren, wollen in den Ballungsräumen bleiben. In der Pflege ist das genau andersrum. Wir können also nicht sagen, dass wir beispielsweise in München auf Ärzte auf dem Ausland angewiesen sind. Aber das trifft umso mehr zu, je ländlicher es wird.
Wie sieht es denn mit der Anerkennung aus? Sind die Hürden hoch?
ENGEHAUSEN: Die Hürden sind in der Tat hoch. Und die Prüfung im Anerkennungsverfahren ist auch sehr aufwendig. In der Pflege ist das einfacher, da gibt es auch nicht mehrere Zuständigkeiten, alles ist beim Landesamt für Pflege gebündelt, das funktioniert sehr gut. Bei den Ärzten haben wir ein kompliziertes Verfahren über die jeweilige Bezirksregierung mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und mit Einbindung der Bayerischen Landesärztekammer, was auch richtig ist. Aber ich hoffe schon, dass wir in den Verfahren noch schneller werden, da müsste es eine gewisse Bündelung geben. Was man aber schon auch sagen muss: Es muss weiterhin sehr gründlich geprüft werden, wir alle möchten schließlich nicht, dass jemand mit gefälschten Qualifikationsnachweisen in Deutschland oder Bayern als Arzt tätig wird. Innerhalb der EU sind die Prüfungen vergleichsweise einfach, doch gerade für Menschen, die als Geflüchtete hierherkommen, sieht es anders aus. Aber wie gesagt: Wir dürfen nicht von den Ansprüchen, die wir haben, abweichen.
Welche Rolle spielt denn die Sprache? Immer wieder berichten Patientinnen und Patienten, dass sie Probleme hätten, den Arzt in der Klinik zu verstehen, weil er gebrochen Deutsch spricht…
ENGEHAUSEN: Für die Anerkennung müssen gute Deutschkenntnisse vorliegen. Es gibt aber eine Besonderheit, deswegen sprechen Patientinnen und Patienten immer wieder an, dass sie Verständnisprobleme hätten. Es gibt zur Überbrückung bis zur Anerkennung für ausländische Ärzte die Möglichkeit, mit einer Berufserlaubnis zu arbeiten. Das ermächtigt zur vorübergehenden Ausübung des Berufs in Deutschland, ist also so eine Art Zwischenerlaubnis mit einigen Beschränkungen. Und da ist es so, dass noch keine hohen Sprachanforderungen erfüllt werden müssen. Aber ich finde, das ist ein guter Kompromiss. Einen Arzt etwa aus der Ukraine nicht arbeiten zu lassen und ihn erstmal in einen Sprachkurs zu schicken, wäre nicht gut, man kommt ja sonst aus der Berufspraxis raus.
Aus welchen Ländern kommen denn die meisten ausländischen Ärzte?
ENGEHAUSEN: Die meisten Ärztinnen und Ärzte kommen aus Österreich nach Bayern. Auf Platz zwei steht Rumänien. Danach kommen Syrien und Serbien. Auf Platz fünf und sechs sind Russland und die Ukraine.
Warum kommen denn gerade aus Österreich so viele Ärzte nach Deutschland?
ENGEHAUSEN: In Österreich gibt es keinen Numerus Clausus, es wird dort sehr viel mehr ausgebildet.
In welchen Disziplinen gibt es denn den größten Ärztemangel, wo man besonders von ausländischen Ärzten profitieren könnte?
ENGEHAUSEN: Im Moment ist es so, dass es zu wenige Allgemeinmediziner und Internisten gibt. Das sind natürlich auch die beiden größten Fächer. Zusätzlich fällt auf, dass in der Psychiatrie ein Mangel an Ärzten besteht, ebenso in der Anästhesie, in der Arbeitsmedizin und der Gynäkologie. Mit der Krankenhausreform wird sich nochmal einiges ändern.
Inwiefern?
ENGEHAUSEN: Die fachärztliche Nachweisquote, also die Zahl der Mediziner, die man auf dem Papier braucht, steigt in einzelnen Spezialfächern. Gerade in kleinen Leistungsbereichen wie der Nephrologie oder der Endokrinologie entstehen dadurch Personalanforderungen, die wir in Deutschland gar nicht erfüllen können. Und da wird die neue Regierung relativ schnell klären müssen, ob sie diese Anforderungen anpasst. Wenn man aber bei der hohen Zahl bleibt, dann wird das dazu führen, dass wir in diesen Spezialfächern Ärzte aus dem Ausland holen müssen.
Zur Person: Roland Engehausen ist seit Ende 2020 Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft.

Dieser sog. Ärztemangel ist doch nicht vom Himmel gefallen. Das sagt uns doch nur, dassdie Ausbildungssteuerung schlicht falsch war und ist, der Bedarf nicht richtig eingeschätzt wurde, Unis und Kliniken nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stellten und der elitäre Kreis wohl kleingehalten werden sollte. Nun entziehen wir also Ländern und Regionen, die es vielleicht genauso nötig hätten, die entsprechenden Fachkräfte.
Der Numerus clausus hätte vor Jahrzehnten schon einem ebenso existierenden Schweinezyklus in der Medizinausbildung immer wieder angepasst gehört. Da hat sich aber keiner richtig ran getraut. Es gibt keine Garantie, dass nur diejenigen gute Ärzte werden die die Topnoten haben, manch einer mit schlechteren könnte durchaus ein besserer sein.
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