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Digitalabgabe: So könnten Google und Co. zur Kasse gebeten werden

Interview

Bayerns Chefaufseher für Privatsender: „Eine Digitalabgabe scheint nicht unverhältnismäßig“

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    Die US-Digitalgiganten machen, etwa nach Ansicht von Branchenvertretern und Experten, seriösen Medienhäusern unfaire Konkurrenz.
    Die US-Digitalgiganten machen, etwa nach Ansicht von Branchenvertretern und Experten, seriösen Medienhäusern unfaire Konkurrenz. Foto: Alicia Windzio/dpa

    Herr Schmiege, über die Branche hinaus wird gerade vor allem ein Thema diskutiert: die Einführung einer Digitalabgabe für große Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen. Sollten die US-Digitalgiganten Alphabet (Google) oder Meta (Facebook) aus Ihrer Sicht künftig in Deutschland einen „Plattform-Soli“ in Höhe von zehn Prozent auf die Werbeumsätze zahlen?
    SCHMIEGE: Alphabet, Meta und Amazon sind die drei Unternehmen, die laut einer Prognose von „Die Medienagenturen“ knapp die Hälfte aller deutschen Netto-Werbeumsätze im Jahr 2025 erzielen werden. Gleichzeitig hat die Europäische Union bereits vor Jahren errechnet, dass Digitalunternehmen wie Google und Facebook fast 15 Prozent weniger Steuern zahlen als Unternehmen mit traditionellen Geschäftsmodellen. Es liegt insofern nahe, dass man sich darüber Gedanken macht, wie man dieses offensichtliche Missver­hältnis ausgleicht. Eine Digitalabgabe in Höhe von zehn Prozent scheint angesichts dieser Zahlen nicht unverhältnismäßig.

    Jüngst machte der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer diesen Vorstoß. Vieles ließ er aber im Ungefähren. Wie müsste für Sie eine nationale Digitalabgabe ausgestaltet sein?
    SCHMIEGE: Die Ausgestaltung muss sich am Ziel orientieren, das man mit der Einführung der Abgabe primär erreichen möchte. Und an der Frage, ob sich diese Abgabe einfach und unbürokratisch umsetzen lässt. Wenn es darum geht, einen Ausgleich zu schaffen, weil der werbefinanzierten Medienbranche ein immer kleiner werdendes Stück vom Werbekuchen zur Verfügung steht, ist es naheliegend, dem österreichischen Modell zu folgen: also der Orientierung an den Werbeumsätzen. Ich halte es zu diesem Zeitpunkt für richtig, dass Staatsminister Wolfram Weimer eine generelle Diskussion dazu anstößt, ohne sich jetzt schon auf eine konkrete Ausgestaltung festzulegen.

    Die Digitalgiganten machen, etwa nach Ansicht von Branchenvertretern und Experten, seriösen Medienhäusern unfaire Konkurrenz. Worin sehen Sie aktuell das größte Problem?
    SCHMIEGE: Die Wettbewerbschancen für die Digitalgiganten sind einfach aufgrund ihrer Größe viel besser, z. B. wenn es darum geht, Marktbedingungen in ihrem Sinne durchzusetzen oder Skaleneffekte zu erzielen. Darüber hinaus verfügen sie über einen Datenschatz, den sie im Rahmen der Werbevermarktung monetarisieren – und dabei klassische Unternehmen verdrängen. Angesichts dessen ist es vollkommen unverständlich, warum gleichzeitig Digitalplattformen im Fall der Verbreitung rechtswidriger Inhalte und unabhängig von ihrer Größe immer noch durch das sogenannte Haftungsprivileg bessergestellt werden gegenüber jedem klassischen Medienhaus.

    Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung findet sich der Satz, dass die Erlöse aus einer Digitalabgabe „dem Medienstandort zugutekommen“ sollen. Was schlagen Sie hier konkret vor? Sollte zum Beispiel der Lokalfunk in Bayern einen Teil der Gelder erhalten?
    SCHMIEGE: Die Digitalabgabe sollte bei denjenigen Medienanbietern einen Ausgleich schaffen, bei denen vom Werbekuchen immer weniger ankommt. Gerade der Lokalrundfunk, aber auch die Lokalpresse sind von den geschilderten Entwicklungen existenziell bedroht, obwohl gerade sie einen besonderen Beitrag zur Stärkung gesellschaftlichen Engagements vor Ort und damit zu unserer Demokratie leisten. Das ist übrigens der Grund, warum der Freistaat Bayern und die staatsferne Landeszentrale seit Jahren – unabhängig von der politischen Ausrichtung – den Lokalrundfunk unterstützen. Und das ist auch der Grund, warum aus meiner Sicht eine Digitalabgabe eigentlich eine Demokratieabgabe ist.

    Am 25. Juni beginnen in Nürnberg die Lokalrundfunktage. Bei dem Branchentreff wird es auch darum gehen, dass sich lokales Radio und Fernsehen neu erfinden muss. Was heißt das für Sie?
    SCHMIEGE: Neben den seit Jahren bestehenden Herausforderungen für die Branche wie dem veränderten Nutzungsverhalten und den erodierenden Werbeeinnahmen, ist mit Künstlicher Intelligenz eine Welle über uns hereingebrochen, die aber auch ganz neue Chancen eröffnet – jedenfalls wenn es gelingt, die Möglichkeiten bis auf die lokale Ebene optimal auszuschöpfen. Das heißt aber auch, dass man mutiger und schneller werden, aber auch Althergebrachtes und Gewohntes hinterfragen muss.

    In den vergangenen Jahren ist das wirtschaftliche Umfeld, in dem der Lokalfunk bestehen muss, zunehmend schwierig geworden. Auch hier ist die Konkurrenz durch die Digitalgiganten überaus groß. Wo liegt das Potenzial des Lokalfunks für die Zukunft, welches Sie hoffnungsfroh stimmt?
    SCHMIEGE: Künstliche Intelligenz ist eine technologische Revolution, die einen wegen der Möglichkeiten, der Qualität der Ergebnisse aber auch wegen des Tempos der Veränderung immer wieder verblüfft. Auch hier drohen die großen Tech-Giganten ihre Finanzkraft und Marktmacht weiter auszubauen. Was KI aber nicht kann, ist eine zuverlässige und aktuelle Information über Geschehnisse vor Ort. Das ist und bleibt ein Alleinstellungsmerkmal von menschlicher Intelligenz in den zahlreichen bayerischen Redaktionen vor Ort. Das ungebrochene Interesse in Bayern an lokalen Inhalten, die kein Digitalgigant kopieren kann, ist der Trumpf, der mich hoffnungsfroh für die Zukunft stimmt.

    Zur Person

    Thorsten Schmiege ist Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und damit Bayerns Chefaufseher für die Privatsender. Auch zur Mediengruppe Pressedruck, in der die Augsburger Allgemeine erscheint, gehören Privatsender. Schmiege wird am Mittwoch, 25. Juni, die 33. Lokalrundfunktage, die von der Medien.Bayern GmbH mit Unterstützung der BLM veranstaltet werden, eröffnen. Zu dem deutschlandweit größten Branchentreff für den lokalen und regionalen Rundfunk werden in Nürnberg mehr als 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie gut 80 Speaker erwartet.

    Thorsten Schmiege ist Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und damit Bayerns Chefaufseher für die Privatsender.
    Thorsten Schmiege ist Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und damit Bayerns Chefaufseher für die Privatsender. Foto: BLM/dpa
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