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FSME-Experte: Zecken-Saison geht bereits los

Interview

Zecken schon aktiv: Wie riskant ist eine FSME-Erkrankung, Dr. Dobler?

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    Zecken übertragen auf den Menschen gefährliche Krankheiten, etwa die  Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
    Zecken übertragen auf den Menschen gefährliche Krankheiten, etwa die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Foto: Marijan Murat, dpa

    Es ist gerade einmal Anfang März und es gibt schon erste Fälle der FSME, also der Frühsommer-Meningoenzephalitis. Sehr früh, oder?
    GERHARD DOBLER: Wir haben schon in der ersten Januarwoche Fälle gesehen. Wenn man diesen Infektionen eine Inkubationszeit von drei Wochen zugrunde legt, dann haben sich die Menschen noch im Dezember angesteckt, also mitten im Winter. Auch in den letzten ein, zwei Wochen gab es vereinzelte Fälle. Ich war vor Kurzem in der Nähe von Leipzig Zecken sammeln und muss sagen: Es gibt da schon ordentlich viele.

    Und das liegt am Wetter?
    DOBLER: Genau, die Zecken sind wegen der milden Temperaturen aktiv. In Bayern gibt es sie weniger, aber gerade im Osten Deutschlands gibt es die sogenannte Auwaldzecke, die aktiv ist, sobald es wenig über null Grad hat.

    Die Tiere sind also nicht sehr kälteempfindlich? Man denkt ja eher, dass man im Frühling und Sommer aufpassen muss.
    DOBLER: Die Auwaldzecke ist in der Tat kaum kälteempfindlich. Im Gegenteil, die verschwindet gegen Mai, wenn es wärmer wird. Der Holzbock, der ja in Süddeutschland die Masse der Zecken ausmacht, wird jetzt auch schon langsam aktiv. Wenn es jetzt also noch ein oder zwei Wochen über fünf Grad hat und in der Nacht nicht mehr gefriert, dann muss man auch hier mit einer beginnenden Zeckensaison rechnen. In den Städten wird die Aktivität schon früher losgehen, weil es da wärmer ist.

    Wie gut schützt denn eine Impfung vor einer FSME-Infektion?
    DOBLER: Die Schutzwirkung beträgt, wenn eine reguläre Grundimmunisierung besteht, etwa 98 Prozent. Ein Großteil der Erkrankten ist dementsprechend nicht geimpft. Es gibt aber vereinzelt Fälle, in denen auch Geimpfte erkranken. Da muss man dann schauen, ob eine Grundimmunisierung mit drei Impfungen durchgeführt worden ist und es auch Auffrischungen gab. Fünf bis sieben Prozent der Infizierten haben unseren Forschungen zufolge eine Impfhistorie, der überwiegende Teil von ihnen ist aber nicht vollständig geimpft.

    Haben denn die FSME-Infektionen zugenommen? Gibt es wegen des Klimawandels einfach mehr Zecken?
    DOBLER: Ja, die Infektionen haben zugenommen, der Trend geht deutlich nach oben. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in Österreich und der Schweiz und in anderen europäischen Ländern. Nach unseren Studien, und wir machen das seit 15 Jahren, gibt es allerdings nicht mehr Zecken. Aber es gibt immer mehr verschiedene Stämme des FSME-Virus. Wir können die molekularbiologisch sehr deutlich differenzieren und wir sehen, dass es zunehmend Einschleppungen über Zugvögel aus Nordeuropa gibt. Wir glauben, dass es durch den Klimawandel zu Veränderungen im Zugverhalten der Vögel kommt und dass sie eben nicht mehr über Deutschland hinweg nach Spanien fliegen, sondern hier bleiben und dass es so zu einer vermehrten Einschleppung von solchen neuen Virusstämmen kommt. Und deswegen gibt es auch mehr Areale, wo dieses Virus vorkommt. Und damit infizieren sich auch mehr Menschen.

    Sind deswegen auch mehr Zecken Überträger?
    DOBLER: Nein. Wenn wir uns die FSME in einem Risikoareal anschauen, dann werden in diesem Areal nicht mehr Zecken positiv getestet als zuvor. Die Rate liegt immer zwischen 0,5 und 3 Prozent. Aber es gibt eben mehr dieser Areale, und jedes Areal hat sein eigenes Virus. Und immer häufiger sind das eben Stämme aus dem Norden, etwa dem Baltikum oder Finnland.

    Sind diese neuen Viren denn gefährlicher?
    DOBLER: Das wissen wir noch nicht so genau, aber wir haben derzeit nicht den Eindruck. Das sind alles europäische Subtypen, keine dieser hochgefährlichen russischen oder sibirischen Varianten.

    Wie riskant ist denn so eine FSME-Erkrankung grundsätzlich? Also wie schwer erkranken die Menschen?
    DOBLER: Das Virus kann bei fünf bis zehn Prozent der Infizierten ins Gehirn gelangen und dort eine Hirnhautentzündung, eine Gehirnentzündung oder eine Rückenmarksentzündung auslösen. 90 Prozent der Patienten, bei denen eine FSME diagnostiziert wird, müssen ins Krankenhaus und bleiben dort im Schnitt sieben Tage. Die Patienten können durchaus auch auf der Intensivstation landen und für den Rest des Lebens bleibende Schäden davontragen. Und zwei bis drei Prozent dieser Patienten versterben auch. Es ist also eine schwere Infektion.

    Glauben Sie, dass die Menschen die FSME-Gefahr trotzdem auf die leichte Schulter nehmen? Es gibt ja nur rund 700 Fälle in Deutschland pro Jahr. Die Borreliose, die andere durch Zecken ausgelöste Krankheit, ist deutlich häufiger.
    DOBLER: Ich bin sehr viel in den Wäldern unterwegs und treffe immer wieder Menschen, die da spazieren gehen. Wenn ich mit denen spreche, dann sagen viele, dass sie nicht geimpft sind – obwohl sie sogar Menschen in ihrem Umfeld kennen, die eine FSME hatten. Wenn ich dann frage, warum sie auf die Impfung verzichten, sage sie: Ich wohne hier seit 50 Jahren und es ist bisher nichts passiert. Das ist natürlich schon eine Unterschätzung des Risikos. Vielen Leuten ist nicht klar, wie schwer diese Infektionen sind.

    Helfen denn diese Anti-Zecken-Mittel, die man in Drogeriemärkten oder Apotheken kaufen kann?
    DOBLER: Diese Mittel wirken natürlich, aber nicht zu 100 Prozent. Auch nicht zu 98 Prozent wie eine Impfung. Sie geben einen bedingten Schutz und das Risiko wird reduziert – aber eben nicht so stark wie durch eine Impfung. Ich empfehle diese Maßnahmen natürlich trotzdem, weil sie ja auch vor der Borreliose schützen. Aber um sich vor FSME zu schützen, empfehle ich vor allem die Impfung

    Zur Person: Prof. Dr. Gerhard Dobler ist Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München.

    FSME-Experte Prof. Dr. Gerhard Dobler
    FSME-Experte Prof. Dr. Gerhard Dobler Foto: Julia Langer, Sanitätsakademie der Bundeswehr München
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    1 Kommentar
    Franz Wagner

    Also von meiner Katze hab ich schon eine runtergefischt, Zeit für die weiße Bettwäsche (da sieht man die sehr schön)

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