So wird ihr Garten zum Naturgarten
Ein naturnaher Garten ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag für Natur- und Klimaschutz. Für ökologisch wertvolle Gärten gibt es in Bayern ein eigenes Zertifikat.
Heilziest, Odermennig oder echte Goldrute heißen die Pflanzen, die in Clarissa Nestlers Kräutergarten wachsen. Es sind Wildkräuter, die in der heimischen Natur vorkommen. „Oder es zumindest sollten“, erklärt Nestler. „Viele sind schon selten geworden“. In ihrem Garten in Buch im Landkreis Neu-Ulm hat Nestler, die auch als Kräuterführerin tätig ist, nicht nur traditionelle Heilkräuter angesiedelt, sie baut dort auch alte Gemüsesorten wie die Monstranz- und die Langenauer Bohne an, auf ihrer Streuobstwiese gedeihen alte Sorten von Birne und Apfel.
Seit dem vergangen Jahr trägt Nestlers Garten das Siegel „Naturgarten – Bayern blüht“. Das Zertifikat wurde 2018 von der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) entwickelt, um mehr Menschen zum naturnahen Gärtnern zu motivieren. Schließlich drehte sich in der Geschichte der Hortikultur die allerlängste Zeit alles darum, die Natur unter Kontrolle zu halten, ja, zu bekämpfen. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat sich das geändert, ist ein Bewusstsein dafür entstanden, welchen wichtigen Beitrag ein ökologisch vielfältiger Garten leisten kann. Wildblumenwiesen, die Insekten anlocken, sind spätestens seit dem Volksbegehren zur Rettung der Bienen schwer in Mode, immer öfter werden statt monotoner Thuja heimische Blühhecken gepflanzt, der Gemüseanbau in Balkonkasten und Hochbeet boomt. Kaum ein Garten, der noch ohne Insektenhotel auskommt.
Große Nachfrage nach Naturgarten-Plakette
Dieses relativ neu erwachte Bewusstsein für den ökologischen Wert eines Gartens nach außen hin, am Gartenzaun nämlich, sichtbar zu machen und so andere zur Nachahmung anzuregen, ist das Ziel der bayerischen Naturgarten-Plakette. Mehr als 1000 Mal wurde sie bereits vergeben, 529 Mal allein 2021. Während der Pandemie war die Nachfrage laut LWG unerwartet groß, sodass manche Kreisverbände, die für die Vergabe zuständig sind, kaum hinterherkamen.
Wahrscheinlich haben aber gerade in Zeiten der Lockdowns viele Menschen ihren Garten neu entdeckt. „Die Leute sind schon viel sensibler geworden“, sagt Rudolf Siehler, Kreisfachberater im Landratsamt Neu-Ulm mit Blick auf das wachsende ökologische Bewusstsein. „Wir sehen, wie viel sich getan hat“. Siehler ist gemeinsam mit seinen Kollegen zuständig für die Zertifizierung der Naturgärten im Landkreis. 2021 erhielten in ganz Schwaben 27 Gärten das Naturgarten-Siegel, neun davon im Landkreis Neu-Ulm. Interessierte Hobbygärtnerinnen und -gärtner bewerben sich in der Regel über ihren örtlichen Obst- und Gartenbauverein . Nach einem telefonischen Vorgespräch kommen Siehler und seine Kollegen zur Begutachtung vorbei - in der Regel im Hochsommer, weil es dann am meisten zu sehen gibt. „Wir mussten noch niemanden durchfallen lassen“, sagt Siehler und lobt das gute Vorwissen der Bewerberinnen und Bewerber. Die Mindestanforderungen würden deutlich übererfüllt. „Die Gärten, die wir besucht haben, sind ausgesprochen artenreich“, berichtet der Gärtnermeister.
Hohe ökologische Vielfalt ist eines der Kernkriterien bei der Naturgarten-Zertifizierung – neben dem Verzicht auf synthetischen Dünger, chemische Pflanzenschutzmittel und Substrate, die Torf enthalten. „Wenn wir den Torfsack sehen, drehen wir direkt wieder um“, so Siehler. Torf, beliebt und obendrein oft sehr günstig zu haben, wird in Moorgebieten abgebaut. Moore wiederum sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher der Erde und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz – solange sie nicht für den Gemüseanbau zerstört werden.
Neben den Kernkriterien gibt es bei der Naturgarten-Zertifizierung in den Kategorien „Naturgartenelemente“ und „Bewirtschaftung & Nutzgarten“ weitere Punkte zu sammeln. Diese werden etwa für „standortgerechte Laub- und Obstgehölze“ vergeben, für Gemüseanbau, Komposthaltung, Regenwassernutzung oder für „Vielfalt der Lebensräume“. Begeistert erzählt Siehler von einer Tuffsteinmauer, die ein Hobbygärtner zwei Sommer lang aus den Steinen eines alten Schulgebäudes errichtet hat. „Ein wildes Eck sehen wir in praktisch allen Gärten“, zählt Rudolf Siehler auf, „in 80 Prozent der Fälle auch Feuchtflächen“. Clarissa Nestler aus Buch konnte auch mit ihrer Hecke punkten. Kornelkirsche blüht dort neben Schleh- und Weißdorn oder Holunder. „Das ist gut für die Insekten und auch die Vögel bekommen so genug Nahrung“, so Nestler. Das Gärtnern in Einklang mit der Natur ist ihr ein „Herzensanliegen“. „Wir müssen in unserer ausgeräumten Landschaft ökologische Nischen schaffen“, sagt sie. „Je mehr Leute dabei mitmachen, desto eher hat die Natur eine Chance.“
So läuft die Naturgarten-Zertifizierung:
- Um als Naturgarten anerkannt zu werden, muss ein Garten vier Kernkriterien erfüllen: Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel, auf chemisch-synthetische Dünger und den Einsatz von Torf; außerdem muss im Garten eine hohe ökologische Vielfalt herrschen. Zusätzlich müssen 14 Punkte in weiteren Kategorien gesammelt werden. Dazu gehören etwa Variantenreichtum bei Stauden, Sträuchern und Gehölzen, Kompostwirtschaft, Obst- und Gemüseanbau oder Regenwassernutzung.
- Interessierte, die Mitglied in einem Gartenbauverein sind, können sich bei ihrem Verein melden - oder per Mail direkt beim Landesverband: naturgarten@gartenbauvereine.org. Nicht-Mitglieder können sich ebenfalls unter dieser Adresse bewerben.
- Durchgeführt wird die Zertifizierung durch den Kreisverband. Meist geht der Begutachtung vor Ort ein Gespräch voraus.
- Nach erfolgreicher Zertifizierung wird den Naturgarten-Besitzern eine Plakette und eine Urkunde überreicht.
- Die Zertifizierung kostet für Nicht-Mitglieder 80 Euro, für Mitglieder wird ein Kostenbeitrag in Höhe von 40 Euro erhoben.
- Weitere Informationen und einen detaillierten Katalog aller Naturgarten-Kriterien gibt es auf der Webseite des jeweiligen Kreisverbandes oder beim Bayerischen Landesverband: www.gartenbauvereine.org.
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