1943 haben sie sich zum ersten Mal gesehen. Georg Bass sitzt gerade in der Schule, als es heißt, die Schüler sollen zum Bahnhof Gundelfingen kommen und mit Pferdewagen Kriegsgeflüchtete zu leer stehenden Wohnungen oder ins Gasthaus bringen. „Dort ist mir eine Mutter mit zwei Kindern aufgefallen“, erzählt der heute 91-Jährige. Die Familie Dittmar, ursprünglich aus Goldap im heutigen Polen, kommt in Bächingen an der Brenz unter. Ursula, die ältere Tochter, läuft von da an jeden Tag an der Haustür von Georg Bass vorbei, da haben sie sich immer angesehen. „Sie ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen“, erinnert er sich heute, mehr als 80 Jahre später, auf der Veranda in ihrem gemeinsamen Haus in Bächingen.
Am 29. August 1959 heirateten sie im Gasthaus Hirsch in Bächingen
Viel Zeit verbringen Ursula und Georg Bass noch immer im eigenen Garten. Dort lesen sie bei schönem Wetter jeden Morgen die Zeitung. Er beginnt mit der vorderen Hälfte, sie mit der hinteren. Dann wird getauscht. Ursula Bass kümmert sich viel um das Grün: „Ich pflanze Blumen und Gemüse selbst, das ist mein Hobby.“ Er wiederum verbringt gerne Zeit in der eigenen Werkstatt, fast jeden Tag ist er dort: „Das bereitet mir Freude und hält mich fit.“ Das kommt von Berufs wegen.
Nach der Schule macht Georg Bass eine Ausbildung zum Zimmermann. Danach fährt er 15 Jahre lang nach Sontheim, stets mit dem Fahrrad. „Es gab nichts anderes, kein Auto, kein Motorrad“, erklärt er. Ursula Dittmar besucht damals die Handelsschule in Ulm, später arbeitet sie bei Roehm und schließlich im Büro eines Baugeschäfts. Ihr Vater hat zu dieser Zeit eine Maßschneiderei: Dort geht Georg Bass stets hin, wenn er eine neue Hose oder einen Anzug braucht, denn er will Ursula sehen. „Wir haben uns dann auch heimlich getroffen“, erzählt Ursula Bass und lacht. Am 29. August 1959, an ihrem 23. Geburtstag, heiraten sie schließlich im Bächinger Gasthaus Hirsch. „Das hat grad gut gepasst“, sagt Georg Bass, seine Frau Ursula fügt hinzu: „Dann braucht man nur ein Geschenk und man denkt immer daran.“
Das Ehepaar Bass macht auch nach 65 Jahren Ehe noch fast alles gemeinsam
Gemeinsam bauen sie über drei Jahre hinweg ihr Haus in Bächingen, in dem die beiden auch heute noch leben. Sie bringt ihm die Materialien, der gelernte Zimmermann zieht die eigenen vier Wände hoch. Bereits seit 1950 ist Georg Bass zudem bei der Freiwilligen Feuerwehr Bächingen, 1960 wird er zum Kommandant gewählt, im selben Jahr kommt auch Tochter Andrea zur Welt. 30 Jahre füllt er die Position aus, heute ist er Ehrenkommandant.
Wenn sie nicht gerade im Garten arbeitet und er in seiner Werkstatt ist, macht das Ehepaar alles gemeinsam, auch heute noch. Freitag ist der gemeinsame Einkaufstag der beiden. Sie fährt bereits seit einigen Jahren nicht mehr Auto, deswegen sitzt er am Steuer. „Ohne meine Frau fahre ich nicht weg, auch keine kurzen Strecken“, sagt Georg Bass. Wenn sie gerade keine Zeit habe, warte er eben. Größere Strecken fahren die beiden nicht mehr, in der Regel nach Gundelfingen zur Bank, zum Arzt, oder eben in den Supermarkt.
Beidseitiges Vertrauen und immer zusammenhalten sind die Grundlagen
Ein besonderes Geheimnis für 65 Jahre Ehe haben die beiden nicht. „Beidseitiges Vertrauen war und ist unsere Grundlage“, erklärt Ursula Bass. Einfach immer zusammenhalten und viel miteinander unternehmen, das habe die beiden gefestigt. Georg Bass fügt hinzu: „Wir sind auch nicht gleich auseinander gesprungen, wie das heutzutage öfter geschieht.“ Normalerweise gehen sie jeden Tag spazieren, drei bis vier Kilometer. „Wir sind aber beide gerade etwas lädiert“, sagt die 88-Jährige. Wenn sie wieder fitter sind, werden sie das wieder aufnehmen, auch wenn die Strecken kürzer werden.
Miteinander sprechen, egal über welches Thema, sei wichtig, fügt Ursula Bass noch hinzu. Und immer füreinander da sein: „Auch jetzt im Alter können wir uns noch gegenseitig helfen.“ In 65 gemeinsamen Ehejahren haben die beiden viel erlebt, der Großteil des Freundeskreises ist nach und nach verstorben. „Man ist dankbar, dass man noch miteinander sein kann“, sagt Ursula Bass. An den Tod einer der beiden will Georg Bass nicht denken, seine Frau ist da direkter: „Es wäre wirklich schlimm, aber man muss es annehmen, wie es kommt.“
Die Tochter der beiden lebt zwei Häuser weiter: Zur Eisernen Hochzeit hat sie eine Familienfeier geplant
Bis dieser Tag irgendwann eintritt, wollen die beiden ihr Leben weiter genießen. Sie seien sehr zufrieden, sagt Ursula Bass. Die Tochter – auch sie ist mittlerweile in Rente – lebt zwei Häuser weiter, das sei eine große Hilfe. Die Eiserne Hochzeit – so wird das 65-jährige Ehejubiläum genannt – wird bei ihr im kleinen Kreis gefeiert. „Obwohl wir jeden Tag beieinander sind, gehen wir uns nicht auf die Nerven“, sagt Ursula Bass. Nur kleine Meinungsverschiedenheiten, die gebe es schon. Der 91-Jährige sagt daraufhin: „Vor allem, wenn ich eine Ansicht habe...“ Da fällt sie ihm ins Wort: „Dann muss ich ihn eben überzeugen.“
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