Warum einen über 200 Jahre alten Text als Theater sehen? Wurde nicht schon alles gesagt? Und hat das Drama für unsere Generation überhaupt noch Bedeutung und Aktualität? – Ja, weil der „Faust“ zeitlos ist! Zu diesem Schluss kam der Teufel in der Aufführung von „Faust – Der Tragödie erster Teil“. Ekkehard Voigt brachte in diesen Tagen mit seinem „Theater als ob“ dieses Stück auf die Bühne am Johann-Michael-Sailer-Gymnasium. Die zwölfte Jahrgangsstufe war Gast und zugleich Teilnehmer am Stück, denn Voigt ernannte sie kurzerhand zu Adepten seiner Teufelsschule – eine originelle und kreative Interpretation von Goethes Meisterwerk. Die Grundfrage, die der Teufel behandelte, lautete: Wie konnte Mephisto Faust in seinem Sinne manipulieren? Der Teufel führte anhand dieser Fragestellung durch das ganze Stück und demonstrierte Mephistos Manipulation exemplarisch, indem er die einzelnen Szenen diesbezüglich erläuterte. Um das Geschehen zu veranschaulichen, tritt Voigt nämlich immer wieder aus seiner Rolle und erklärt als Teufelslehrer Mephistos perfide Strategie.
Alle mussten darauf gefasst sein, selbst aktiv zu werden
Das Publikum wurde immer wieder mit einbezogen. Alle mussten darauf gefasst sein, selbst aktiv werden zu dürfen: Sei es durch das Darstellen eines Spitzbogens, einer Vitrine oder als Mitglied einer Jury, die beurteilen sollte, ob Marthe gut dargestellt wurde. Das minimale Bühnenbild unterstützte die sehr gelungene Inszenierung, deren Schluss tröstlich war: Die Antwort, auf die Frage „Was die Welt im Innersten zusammenhält?“ lautet: „Die Liebe“.
Nach der Aufführung kam die Q12 mit Ekkehard Voigt in einen gewinnbringenden Austausch über seine Ein-Mann-Faust-Inszenierung. Dabei zeigte sich Voigt noch einmal von einer ganz anderen Seite: Als würde er ein Kostüm ablegen, sah man auf einmal den Künstler, der hinter seinen vielschichtigen Figuren steckte und der den Schülern erklärte, dass jeder Mensch die Verantwortung für sein Tun und Denken übernehmen müsse, wenn er ein freies und glückliches Leben führen wolle.
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