Welcher Anlass führte zur ersten urkundlichen Erwähnung eines „Otto de Hergoltingen“ um 1150? Welche Fakten weisen auf eine viel frühere Besiedlung in und um Heroldingen hin? Wie veränderten sich zum Beispiel Schulwesen, Handwerk und Landwirtschaft seit Mitte des vorigen Jahrhunderts? Was ist aus dem Gasthaus Stern in der Georg-Karg-Straße geworden? Um die Antworten auf solche Fragen zu erfahren, brauchte man während der Jubiläumsveranstaltung „875 Jahre Heroldingen“ nur zwei Dorfführungen oder einen Vortrag im Schützenheim zu besuchen.
Karl Hochradel und Ralf Melber führten jeweils Gruppen ihre Routen entlang und lieferten geballte Geschichte mit Anekdoten garniert an den jeweiligen Originalschauplätzen. Walter Röthinger wusste seinen Vortrag mit zahlreichen Bildern von früher zu untermauern und überraschte die zahlreichen Gäste mit einer Karte, auf der noch Flurnamen stehen, die heute nicht mehr geläufig sind. Am „Butterfass“ etwa entstand seinerzeit die heutige ausgedehnte Kiesgrube, deren Renaturierung mittels Teilverfüllung bevorsteht.
Ein Drittel der Heroldinger stammt von Heimatvertriebenen ab
Zu erfahren war auch, dass etwa ein Drittel der Einwohnerschaft von Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg abstammt. Viele Nachfahren jener leidgeprüften Menschen bestimmen heute in verantwortlicher Aufgabe die Geschicke des Ortes mit, weil sich die Großeltern und andere Vorfahren bald integrierten.
Sowohl Harburgs Bürgermeister Christoph Schmidt als auch Paul W. Ritter von der Heroldinger Wohltätigkeitsstiftung bedankten sich in ihren Grußworten, die der Posaunenchor musikalisch umrahmte, bei den zahlreichen Helferinnen und Helfern sowie dem Organisationsteam. Ebenso wie zahlreiche Gäste zeigten sie sich ermutigt vom Gemeinschaftssinn und staunten, wieviel Geschichte sich hinter einem Gebäude, einer Straße, einem Berg oder einem Quellgebiet mit ausgedehntem Streuobstbestand verbirgt. Wiederholt schnaubte der älteste Bulldog weit und breit seine Meile entlang, spontan gefolgt von etlichen Oldtimern mit all ihrer Anziehungskraft.

Im Rahmen des Internationalen Museumstags öffnete auch das Zehentstadelmuseum seine Torflügel und lud unter anderem dazu ein, das Sensendengeln zu üben. Reiche Bilderwände erinnerten an das vorherige Jubiläumsfest und weckten viele Erinnerungen. Daneben konnte an einem Stand heimatgeschichtliche Literatur über Heroldingen und Umgebung erworben werden.
Funktionierende Dorfgemeinschaft: Vergleich mit Apfelbaum in Heroldingen
Eine flexibel organisierte Veranstaltung, die auch für Kinder ein interessantes Programm bereithält, ist wie das gemeinschaftliche Leben in einem Ort: Es setzt sich zusammen aus vielen Einzelakteuren, aber auch Vereinen oder sonstigen Zusammenschlüssen, die wie Zahnräder ineinandergreifen. Niemand kann wirklich ernsthaft behaupten, dass er nicht gebraucht wird oder die anderen nicht braucht. Initiator Ralf Melber machte es vor einem frisch veredelten Apfelbaum deutlich: Ob Einzelgänger, Teamspieler, „Heimatvertriebener“, Jüngere, Ältere und so weiter – wer immer sich am bestehenden „Baum einpropfen“ lässt, behält seine Persönlichkeit – die eigene Obstsorte –, doch bei sorgfältiger Pflege ergibt sich aufeinander abgestimmt ein einheitliches Gesamtbild, das den Baum – das Gemeinsame des Dorfs – zusammenhält.

Schon Bürgermeister Schmidt verglich in seiner Rede eine funktionierende Dorfgemeinschaft mit einem fruchttragenden Obstbaum. Die Veranstaltung steckte mit ihrer freudigen Atmosphäre auch Besucher aus anderen Orten an, die teils extra von weit her angereist waren, weil sie Verbindungen pflegen. Noch während des unmittelbar anschließenden Abbaus ließ man einander nicht allein und blickte dankbar auf einige Stunden zurück, die allen, die das Jubiläum in irgendeiner Weise mitfeierten, wertvolle Eindrücke und Impulse mitgab. Genau dies ist ein Ziel des Bildungswerks Harburg, in dessen Rahmen das Programm eingebettet war.
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