Ein Jahr nach der großen Flut an Donau, Schmutter und Zusam haben Hunderte von Bürgerinnen und Bürgern aus Auchseseheim, Nordheim, Zusum und Rettingen am Sonntag mit einer Aktion auf einen vermeintlichen Missstand beim Hochwasserschutz aufmerksam gemacht. Konkret geht es um die Höhe und Funktion von alten Dämmen entlang der Zusam.
Anfang Juni 2024 stand die Landschaft um die genannten Dörfer zum großen Teil unter Wasser. Die Häuser in Zusum und Rettingen waren direkt von den Fluten betroffen, Nordheim kam gerade noch einmal glimpflich davon und in Auchsesheim verhinderten zahlreiche Helfer mit einem beispiellosen Gemeinschaftswerk, dass schätzungsweise der halbe Ort überschwemmt wurde. In mühsamer Arbeit wurde ein Damm direkt am westlichen Dorfrand mit rund 6000 Tonnen Kies und etwa 80.000 Sandsäcken so stabilisiert und erhöht, dass das Hochwasser von den Gebäuden ferngehalten werden konnte.
Wie hoch die Dämme entlang der Zusam im Jahr 1898 waren
Einer der Organisatoren vor einem Jahr war Hubert Gerstmeier. Der wies am Sonntag darauf hin, dass die Auchsesheimer schon seit vielen Jahren Defizite beim Hochwasserschutz sehen. In der „Damm-Diskussion“ glauben Gerstmeier und seine Mitstreiter jetzt neue Fakten gefunden zu haben. Im Staatsarchiv stießen sie auf ein Datenblatt, auf dem Messungen (“Nivellement“) aus dem Jahr 1898 dokumentiert sind. Die betreffen einen Damm rechts der Zusam, also auf Auchsesheimer Seite, der laut Gerstmeier 1897 errichtet wurde und einige hundert Meter westlich vom Dorf verläuft. Damals sei rechts der Zusam ein 3,5 Kilometer langer und links des Flusses (also Zusumer Seite) ein 6,5 Kilometer langer Damm entstanden.

Man habe historische und aktuelle Karten „übereinandergelegt“, die damaligen Messungen mit Erhebungen von 2012 und von 2025 verglichen. Das Ergebnis lautet aus Sicht von Gerstmeier: Der Damm bei Auchsesheim habe sich in den vergangenen 127 Jahren gesenkt und senke sich weiter. 2012 seien es im Schnitt 54 Zentimeter unter dem Soll von 1998 gewesen und derzeit liege man schon 69 Zentimeter unter den ursprünglichen Höhen. Gerstmeier dazu: Früher seien die Dämme in den Händen der Gemeinden gewesen und regelmäßig gepflegt worden, seit den 1960er Jahren gebe es andere Zuständigkeiten. Sprich: Der Staat sei dafür verantwortlich.
Befürchtung der Auchsesheimer: Dämme setzen sich ständig
Mangelnde Pflege und natürliche Setzungen haben nach Ansicht von Hubert Gerstmeier dazu geführt, dass sich die Bauwerke offensichtlich um einen Zentimeter pro Jahr setzen. Hätten sie ihre ursprüngliche Höhe, stünde in einem rund 3500 Hektar großen Gebiet innerhalb der beiden Dämme ein zusätzlicher Retentionsraum für Hochwasser zur Verfügung. Gerstmeier zufolge wären dies Millionen von Kubikmetern. Der mahnte bei der Veranstaltung: „Es ist die Aufgabe des Staates, die Schutzanlagen zu erhalten.“ Jahrzehntelang habe man darauf hingewiesen, „aber nie ist etwas geschehen“.

Gerstmeier verwahrte sich gegen Aussagen, wonach eine Verbesserung der Dämme an Landwirten scheitere, die ihre Flächen nicht hergeben wollten: „Wir auf dieser Seite der Zusam sind noch nie gefragt worden.“ Er selbst, so der Auchsesheimer, habe vor etwa zehn Jahren angeboten, auf seinen Grundstücken einen sogenannten Wehrweg zu errichten. Nie habe er eine Rückmeldung erhalten.
Hunderte von Bürgern lassen nahe Auchsesheim blaue Luftballons steigen
Am Sonntagvormittag stellten sich jetzt auf einem Dammabschnitt bei Auchsesheim viele Menschen in einer Reihe auf und ließen blaue, mit Helium gefüllte Luftballons steigen. Auf einem Teilstück sollte eine Konstruktion aus Holzlatten zeigen, welche Höhe der Damm Ende des 19. Jahrhunderts hatte. Auf kleinen Schildern war an verschiedenen Punkten die Differenz in Zentimetern notiert. Die Aktion sollte laut Gerstmeier zeigen, „wie viele Leute hinter diesen Dämmen stehen“. Auch auf der Zusumer Seite hatten sich Teilnehmer versammelt. Der Mitorganisator zeigte sich „beeindruckt“ und kündigte an, man wolle nun „auf die Politik zugehen“.

Oberbürgermeister Jürgen Sorré nannte die Aktion eine „gute Geschichte“. Dadurch werde das mögliche Problem sichtbar. Es gelte jetzt auch zu erkunden, was das Wasserwirtschaftsamt zu der Angelegenheit sage. Gerstmeier betonte, die Initiative arbeite akribisch und sei bestrebt, ihre Darstellungen „hieb und stichfest zu machen“.
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