
Die Eltern gehen zur Arbeit – und das Kind kommt mit

Plus Eltern von kleinen Kindern haben zwar einen Anspruch auf Betreuung, doch oft fehlen die Plätze. Wie einige Unternehmen versuchen, ihren Angestellten zu helfen.

Bettina Feierabend öffnet eine Glastür und zeigt auf ihr Mullewapp – natürlich nicht der Bauernhof, auf dem die drei Freunde aus den Helme-Heine-Büchern leben. Feierabends Mullewapp ist ein Krippenraum – ihr Krippenraum, denn Feierabend leitet die Krippe. Links steht ein Wickeltisch, davor ein Kletterhaus aus Holz, rechts eine kleine Spielküche und eine Lese- und Kuschelecke. Die Krippe ist eine Ausnahme in Bayern. Vor der Glastür zum Mullewapp sind Büros und Besprechungsräume. Dort treffen sich Menschen, die ein Haus bauen wollen, mit Beraterinnen und Beratern der Firma Baufritz in Erkheim im Unterallgäu. Zu ihr gehört die Krippe. Gerade mal etwas mehr als ein Prozent aller Krippen, Kitas und Kindergärten in Bayern wird von Betrieben getragen, geht aus der Statistik der bayerischen Kinder- und Jugendhilfe hervor. Bayern liegt damit im bundesweiten Schnitt. Aber Feierabend ist überzeugt: Viel mehr Unternehmen sollten ihrem Beispiel folgen. Warum?
"Wir sind flexibler als andere Einrichtungen", sagt Feierabend. Um zu verdeutlichen, was sie meint, nennt sie Beispiele: Zwar gebe es auch in ihrer Krippe feste Öffnungs- und Schließzeiten. Aber die können sich wandeln – je nach den Bedürfnissen, die Eltern haben. Ihre Mitarbeiterinnen seien dafür selbst bereit, ihre Arbeitszeiten anzupassen, solange die Arbeitsstunden gleich bleiben. "Wenn wir zum Beispiel die Kinder von Werksarbeitern betreuen, machen wir um 6.45 Uhr auf, damit sie pünktlich in der Arbeit sein können. Gerade ist das nicht der Fall, also öffnen wir später." Zudem können die Kinder das ganze Jahr über eingewöhnt werden – nicht nur im September, wie es vielerorts üblich ist. Der Vorteil: Jedes Kind kann zum ersten Geburtstag betreut werden. Eltern müssen nicht länger Elternzeit nehmen, wenn sie nicht wollen. Drittes Beispiel: "Ich kenne einen Kindergarten, der hat an vier Nachmittagen die Woche geöffnet. Aber Eltern können ihre Kinder entweder für alle vier Nachmittagen anmelden oder für keinen. Aber was, wenn sie ihr Kind nur an zwei Nachmittagen betreuen lassen würden?" Im Mullewapp ist das möglich. Wie? "Wir teilen unsere Arbeitszeiten so ein, dass sie zu den Bedürfnissen der Eltern passen. Mit etwas Organisation und Flexibilität geht das", sagt Feierabend.
Für die Plätze in der Baufritz-Kita gelten strenge Regeln
Dafür gibt es bei ihr auch strenge Regeln: Betreut werden vorrangig Kinder, von denen mindestens ein Elternteil bei Baufritz arbeitet. Sind noch Plätze übrig, werden diese an andere Menschen vergeben. Außerdem werden die Kinder nur in den Zeiten und an den Tagen betreut, zu denen beide Elternteile arbeiten. "Meist ist es so, dass ein Partner in Teilzeit beschäftigt ist", sagt Feierabend. "Immer wenn dieser Partner nicht arbeitet, bleibt das Kind zu Hause."
Für Eltern hat die Betreuung im Mullewapp noch einen anderen Vorteil: Sie ist kostenlos. Die Krippe finanziert sich zum Teil aus Fördergeldern von den Kommunen, aus denen die Kinder kommen. Einen anderen Teil bezahlt der Freistaat. Den Rest übernimmt das Unternehmen. Natürlich müsse sie auch auf die Kosten achten, sagt Feierabend. Aber: "Unsere Chefin ist der Meinung: Das ist eine Investition, die sich lohnt." Baufritz-Chefin Dagmar Fritz-Kramer hat selbst zwei Kinder und wisse daher, wie wichtig gute Kinderbetreuung sei, um konzentriert zu arbeiten.
LEW, Audi und Airbus Helicopters reservieren Kita-Plätze für Kinder der Angestellten
Ähnlich sehen das andere Unternehmen in der Region. Sie bieten zwar keine Kitas im Unternehmen an, versuchen aber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Suche nach einem Kita-Platz zu erleichtern, indem sie eine bestimmte Anzahl von Plätzen reservieren. Ein Beispiel: die Lechwerke in Augsburg. Ein anderes: Airbus Helicopters in Donauwörth. Seit 2014 arbeitet der Hubschrauberbauer mit einer Kita in der Nähe des Werks zusammen. 30 Plätze sind dort für Kinder der Angestellten reserviert. Und wie Airbus-Sprecher Gregor von Kursell sagt, spiele das Angebot bei Bewerbungen durchaus eine Rolle. "Als familienfreundliches Unternehmen sehen wir ein solches Angebot als notwendig an. Es ist zudem ein Vorteil im Wettbewerb um Nachwuchskräfte, eine Möglichkeit zur Kinderbetreuung in Arbeitsplatznähe anbieten zu können", sagt er.
Audi in Ingolstadt geht ähnlich vor. Der Autobauer arbeitet mit 13 Kitas in Ingolstadt zusammen. Die Nachfrage nach Plätzen sei sehr hoch, sagt eine Sprecherin. Deshalb soll noch in diesem Jahr eine weitere Kooperation dazukommen. Und noch etwas gibt es für Angestellte bei Audi: In den Zeiten, in denen die meisten Krippen, Kitas und Kindergärten noch oder schon geschlossen haben, bietet Audi eine eigene Betreuung an. So haben Audianerinnen und Audianer die Möglichkeit, ihre zwei- bis 14-jährigen Kindern zwischen 5.30 Uhr und 20 Uhr betreuen zu lassen.
Bettina Feierabend – die Krippenleiterin aus Erkheim – sieht in diesem Modell nur Vorteile; für die Eltern, die Kinder und die Betriebe. Und ihrer Ansicht nach ist es nicht nur etwas für große Firmen: "Ich denke, jedes Unternehmen kann das umsetzen – auch kleinere", sagt sie. "Es braucht aber eine Person, die sich um die ganzen Regularien, wie die Ausstattung der Räume, das Beantragen der Fördergelder oder die Anzahl der Betreuerinnen kümmert und sich wirklich in das Thema hineindenkt."
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