Für viele Menschen im Landkreis Günzburg vergeht noch immer kein Tag, an dem sie sich nicht mit der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr beschäftigen. Auch unsere Frage der Woche drehte sich diesmal um die Erinnerungen und Eindrücke unserer Leserinnen und Leser zur Flutkatastrophe vom Juni 2024.
Für Ramazan Tunc ist die Ausfahrt Thannhausen der B300 Richtung Krumbach ein Ort, der ihn an das Hochwasser vor einem Jahr erinnert. „Jedes Mal, wenn ich da vorbeikomme, habe ich das Bild vor mir. Ich wohne neben der Tankstelle und habe bis zu mir das Wasser fließen gehört. Wie schnell alles gehen kann und man kann nichts tun, dagegen sind einem die Hände gebunden. Man sieht es im TV, liest es in Zeitschriften, aber wenn man erst selber davor steht, ist es ganz was anderes. Wie eine andere Welt. Dank der Zivilcourage vieler Mitbürger und Mitbürgerinnen wurde es gemeinsam behoben. Man kann es immer noch nicht glauben und in Worte fassen.“

Unterstützung und Hilfe beim Hochwasser im Kreis Günzburg bleiben in Erinnerung
Unter dem Titel „Wenn das Wasser kommt“ hat eine Leserin aus Günzburg, die anonym bleiben möchte, ihre Geschichte vom Jahrhunderthochwasser aufgeschrieben. „Am Wochenende des 1. Juni 2024 erlebten wir im Landkreis Günzburg ein Hochwasser, das niemand von uns je vergessen wird. Schon Tage zuvor stieg das Wasser – unaufhörlich, bedrohlich, scheinbar unaufhaltsam. Wir versuchten, zu retten, was noch zu retten war. Doch irgendwann mussten wir erkennen, dass wir nicht alles retten konnten. Dann kam der Moment, vor dem wir uns gefürchtet hatten: Die Feuerwehr forderte uns mitten in der Nacht zur Evakuierung auf. Wir mussten gehen – mit dem Nötigsten, in der Ungewissheit, was wir zurücklassen würden.
Mein Zuhause am Kappenzipfel war zwei Wochen lang nicht erreichbar, weil die Straße durch eine gebrochene Brücke unpassierbar geworden war. Noch schwerer traf es meinen Freund, dessen kleines Häuschen auf dem Gries in Günzburg durch die Flut so stark beschädigt wurde, dass es im Februar 2025 abgerissen werden musste. Aber in all dem Schmerz, in all dem Chaos, ist etwas Großartiges geschehen: die Solidarität der Menschen. Allen voran die Schwabenhilfe aus Augsburg. Sie waren da, wenn andere schliefen, sie wachten, als Plünderer sich näherten, und sie schützten, wo es nötig war. Ohne sie wären viele Menschen verzweifelt.
Zusammen mit der Schwabenhilfe organisierten wir ein Fest, bei dem die betroffenen Menschen zusammenkommen konnten, um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Die Günzburger Rad Brauerei war sofort bereit, Getränke zu spenden. Auch die Bäckerei Hurler war schnell zur Stelle und versorgte uns mit frischen Backwaren. Auch ein Dankeschön an die Firma Munk, die mithalf. Zudem half der KNC aus Kötz und die Jugend- und Erwachsenenhilfe Seitz an diesem Fest mit. Viele andere Hilfsorganisationen, über unsere Region hinaus, waren ebenfalls bereit, ihre Unterstützung anzubieten.

Hochwasser 2024: Leserin aus Offingen hat auch negative Erfahrungen gemacht
All dies geschah nicht nur aus Solidarität, sondern auch aus Wertschätzung gegenüber denjenigen, die es am nötigsten hatten. Vielleicht dient dieser Einsatz auch als Anstoß, um im Vorfeld besser zu planen und auf zukünftige Katastrophen vorbereitet zu sein. Und selbst als der Abriss des Hauses meines Freundes anstand, waren sie wieder da. Ohne diese Menschen wäre der Abriss gar nicht so schnell vorangegangen – und wahrscheinlich überhaupt nicht möglich gewesen. Dazu kamen viele andere Firmen aus Günzburg und der Umgebung, befreundete Betriebe, die ebenfalls nicht gezögert haben.
Was bleibt, ist Dankbarkeit. Dankbarkeit, die man kaum in Worte fassen kann. Für die Helfer. Für die Nachbarn. Für die Menschen, die einfach da waren – mit einer Schaufel, einem offenen Ohr oder einem Teller warmem Essen. Dieses Hochwasser hat vieles zerstört. Aber es hat auch gezeigt, wie viel Gutes in unserer Gemeinschaft steckt. Und das ist es, was bleibt.“
Silvia Schreiner-Metzele aus Offingen ist ebenfalls dankbar für die Unterstützung, sie hat aber auch weniger positive Erfahrungen gemacht: „Vor einem Jahr hat das Hochwasser unser Zuhause schwer getroffen. Plötzlich stand alles unter Wasser und viele Habseligkeiten wurden zerstört. Nach einer langen Nacht ohne Strom und Verbindung zur Außenwelt kam Hilfe und wir wurden von der DLRG mit dem Boot ins Trockene gebracht. Es warteten schon liebe Menschen auf uns, die uns bei sich aufnahmen. Danach konnten wir sechs Monate nicht mehr zu Hause leben. Nachbarn, Freunde und Ehrenamtliche standen an unserer Seite und packten mit an und gaben uns Halt. Die Unterstützung durch die Kommune war schnell und unbürokratisch. Handwerker begannen sofort mit den dringendsten Reparaturen. Das hat uns unglaublich geholfen.
Marianne Altstetter aus Wattenweiler lebt seit einem Jahr auf einer Baustelle
Leider gab es auch enttäuschende Momente. Am Arbeitsplatz fehlte oft das Verständnis – meine Situation wurde als rein persönliches Problem gesehen und sogar Mehrarbeit wurde erwartet. Ich hoffe sehr, dass diese Katastrophe nicht vergessen wird und alles Menschenmögliche unternommen wird, um ein solches Ausmaß in Zukunft zu verhindern. Ich sehe immer noch Häuser, die leer stehen und die nicht bewohnbar sind, das ist tragisch und macht mich traurig. Trotz allem bin ich heute vor allem dankbar: für den Zusammenhalt, für jede helfende Hand – und für die Erfahrung, dass man in der größten Not nicht allein ist.“
Marianne Altstetter schreibt uns, dass sie bis heute auf einer Baustelle lebt: „Allmählich steuern die Wiederherstellungsmaßnahmen auf die Zielgerade, doch spurlos geht das alles nicht an einem vorbei“, berichtet die Leserin aus Wattenweiler. Das betroffene Gebäude stamme in Teilen aus dem Jahr 1712 und habe 2024 zum ersten Mal in seiner Geschichte Wasser im Erdgeschoss gehabt. Sie hoffe, dass es nicht noch einmal zum „Wasserschloss“ werde, so Altstetter.
Leserinnen und Leser erinnern sich an das Hochwasser 2024 im Landkreis Günzburg
Einen großen Dank möchte Yalcin Dalbasti via Facebook loswerden: „Ich bedanke mich nochmals an das Legoland und Feuerwehr Günzburg, besonders an Herrn Munk Ferdinand als Feuerwehrmann, der mir in einer schwierigen Situation weiter geholfen hat.“ Auch bei ihm stehe das Haus nach einem Jahr noch immer als Baustelle da.
Auch Facebook-Nutzerin Bstar Martina sieht das Gute, das sich durch die Katastrophe gezeigt hat: „Trotz all dem vielen Leid, den massiven Schäden, dem vielen Unglück möchte ich etwas Positives sagen: Das Wasser hat uns neue Freundschaften/Bekanntschaften geschaffen, man sah, auf wen man zählen konnte in dieser Ausnahmesituation. Fremde Menschen, die sich gegenseitig helfen, ohne Gegenleistung zu fordern“, lobt sie den Zusammenhalt.
Für Şahin Korkmaz ist der Blick zurück besonders schmerzhaft, wie er via Facebook schreibt: „Diese Flut hat mir sehr viel genommen. Ich fühle mich, als wäre ich in einem Jahr um zehn Jahre gealtert. Die Flut hat unser Haus komplett zerstört. Zum Glück hatte ich eine Versicherung. Es war eine extrem belastende Zeit. Wir mussten im Legoland-Hotel und in einer Mietwohnung wohnen. Mit meinem schwerbehinderten Sohn war das besonders schwierig, da unser Haus auf seine Bedürfnisse angepasst war. Mein Vater wohnte direkt nebenan. Auch sein Haus wurde überflutet – leider ohne Versicherung. Die finanzielle Belastung war groß. Kurz darauf starb er völlig unerwartet mit 59 an einem Herzinfarkt.“
Auf Instagram erinnert Nutzerin svenja.franziska an einen weiteren schmerzhaften Verlust: „Geblieben ist leider, dass der mutige Feuerwehrmann immer noch nicht geborgen werden konnte und die Familie nicht in Ruhe trauern kann.“
Ebenfalls via Instagram kommen aber auch hoffnungsvolle Worte von jeannie_lyn: „Es hat den Zusammenhalt in der Günzburger Feuerwehr noch mehr gestärkt als er schon war. Es hatte den Zusammenhalt auch untereinander gestärkt. Es hat jeder jedem geholfen.“
Hochwasser 2024: Diese Befürchtungen haben Leserinnen und Leser aus Krumbach
Die Niederraunauer Klemens Funk, Robert Buchhauser, Edith Burkhart-Funk, Klemens Funk, Regine Müller sowie Maria und Heinz Weber machen sich mit Blick auf das Hochwasser 2024 Sorgen um die Zukunft. Klemens Funk hat die Erinnerungen und Befürchtungen zusammengefasst: „Für einige Anlieger in der Krumbacher, der Raiffeisen- und der Fabrikstraße in Niederraunau war in der Nacht von Freitag auf Samstag, 1. Juni, um kurz vor 2 Uhr die Ruhe vorbei. Noch bevor wir Anwohner einen Blick auf den Pegel der Kammel werfen konnten, hörten wir schon das Donnern, mit dem der Anschlag der Fluten an die Brücken die wachsende Gefahr ankündigte. Bis dahin glaubten alle noch, mit ihren erprobten Vorbereitungen könnte ein Eindringen in die Keller verhindert werden. Die mit dem Morgengrauen erhoffte Erleichterung wurde rasch enttäuscht, denn Auskünfte zum Pegelverlauf konnte in den ersten 12 Stunden niemand geben.

Auch wenn mittlerweile die unpassierbaren Straßen gesperrt waren, hinderte das manche Fahrer nicht, ihr Glück zulasten der Anwohner zu versuchen, deren Barrieren durch die Flutwellen regelmäßig überspült wurden. Erst einige liegengebliebene Fahrzeuge überzeugten vom Fahrverbot. Auf das Leerpumpen der Keller und das Säubern folgte oft wochenlanger Einsatz von Trocknungsgeräten.
Andrea Wild aus Ebershausen wünscht sich mehr Aufmerksamkeit von der Politik
Zunächst stimmte die Ankündigung des Bürgermeisters von Krumbach in der Presse zuversichtlich, ‚es gäbe bereits Lösungsansätze für den künftigen Hochwasserschutz‘, und es sollte nicht die eine Stelle der Stadt geschützt und die andere durch die Schutzmaßnahmen gefährdet werden. Aber schon wenige Wochen danach wurde Schotter ins Flussbett der Kammel an der Brücke der GZ 7 eingebaut. Durch diese Verengung des Durchflusses stieg das Niveau der Kammel um gut 25 Zentimeter an.
Auf Nachfragen von Bürgern erklärte der Rathauschef, die Stadt sei darüber nicht informiert. Auf die Hinweise von Flussanliegern, die hochwasserbedingten Anlagerungen von Altholz und Kiesbänken zu entfernen, um Rückstau zu beseitigen, wurde vonseiten des Wasserwirtschaftsamtes nicht eingegangen. Nachdem es nach einem Jahr wieder ganz still hinsichtlich schützender Maßnahmen geworden ist, bleibt nur die Hoffnung, dass die Zeitrechnung des Wasserwirtschaftsamtes, das bei der weniger schweren Überschwemmung vor 22 Jahren von einem zweihundertjährigen Hochwasser gesprochen hatte, zukünftig prognostisch sicherer ist.“
Und auch Andrea Wild wünscht sich, dass die Hochwasserproblematik mehr Aufmerksamkeit erhält: „Vor allem bleibt für mich Unverständnis“, schreibt uns die Leserin aus Ebershausen. „Wenn hochrangige Politiker in die stark betroffenen Städte und Orte reisen, dort unbürokratische und schnelle finanzielle Hilfe versprechen, und dann passiert doch nichts… Diese extremen Hochwasserereignisse werden wir immer öfter und in immer kürzeren Abständen haben. Insbesondere die Gewässer der sogenannten dritten Ordnung müssen in der Politik viel mehr Beachtung erhalten. Das ganze Flusssystem muss als Gesamtes betrachtet und auch dahingehend Fördergelder zur Verfügung gestellt werden, unabhängig von der Eingruppierung. Hochwasserschutz muss auch hier staatlich gefördert werden. Denn sonst erweckt es den Anschein, dass wir für die ‚Obrigkeit‘ auch nur Menschen ‚dritter Ordnung‘ sind!
Danke an alle Helfer, die beim Hochwasser 2024 im Landkreis Günzburg angepackt haben
Es bleibt für mich aber auch Dankbarkeit für die unzähligen, ob haupt-, ehrenamtliche oder freiwillige, Helferinnen und Helfer, die oft Schlimmeres verhindern konnten und auch all diejenigen, die danach beim Aufräumen zur Seite standen. Mein Dank gilt denjenigen Landrätinnen/Landräte und Bürgermeisterinnen/Bürgermeistern (Mitglieder des Gemeinderates), die sich schon seit Jahren für den Hochwasserschutz einsetzen und diesen auch umsetzen; denjenigen Gemeinden, die seit dem verheerenden Juni-Hochwasser 2024 Schutzkonzepte erarbeiten und gemeinsam mit der Feuerwehr Notfallpläne erstellen und ihre Bürger nicht im ‚Regen‘ stehen lassen.“
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